Die einstige Gografschaft Edemissen
Die erste urkundliche Erwähnung des Dorfes Edemissen im Peiner Nordkreis stammt aus dem Jahr 1295. Der Ortsname existiert noch einmal für ein Dorf nahe der niedersächsischen Stadt Einbeck, was gelegentlich zu Verwechselungen führt. So wird auch heute noch immer wieder eine Urkunde aus dem Jahr 1253 fälschlicherweise mit Edemissen (Kreis Peine) in Verbindung gebracht.
Im Jahr 1532 erfolgte die Bildung des Amtes Meinersen mit der Gografschaft Edemissen und den zugehörigen Dörfern Abbensen, Ahlemissen, Alvesse, Blumenhagen, Eltze, Dedenhausen (beide nunmehr Landkreis Hannover), Eddesse, Eixe, Horst (einst eigenständiger Ort nördlich von Wipshausen), Mödesse, Ohof (alte Schreibweise: Mohop, mit der ehemaligen Hinrichtungsstätte des Amtes Meinersen; seit der Gebietsreform Landkreis Gifhorn), Plockhorst, Rietze, Stederdorf, Voigtholz, Wehnsen, Wendesse, Wipshausen, Ankensen, Tadensen (Wüstung im Meerdorfer Holz) und Sundern (Grenzbezirk zum Amt Peine). Natürliche Begrenzungen der Gografschaft waren die Flussläufe von Erse und Fuhse, an denen nachweislich schon vor etwa 2500 Jahren einst Menschen der Eisenzeit siedelten und dort vermutlich die Furten kontrollierten.
Grafen hatten das Sagen
Der Gograf war der Richter im Gogerichtsbezirk. Erste urkundliche Erwähnung von Gogerichten stammen aus dem 12. Jahrhundert. Nach dem Sachsenspiegel aus der Zeit um 1230 war der Gograf (gogreve) Richter eines Unterbezirks der Grafschaft und dem Grafen untergeordnet. Er richtete sofort im Fall der handhaften Tat und wurde entweder von Fall zu Fall oder auf bestimmte Zeit von den Bewohnern des Gerichtsbezirks gewählt. Das Gericht des Gografen, zu dem sich alle Bauern des Gerichtsbezirks versammeln, fand alle sechs Wochen, nach uralter Tradition unter freiem Himmel statt. Der Gograf war verpflichtet das Gericht zu organisieren, die gefällten Urteile wurden im Rahmen des Gottesdienstes in der Kirche verkündet. Folter und andere drakonische körperliche Bestrafungen bis hin zur Hinrichtung (hängen, köpfen, vierteilen, rädern, ertränken usw.) waren damals üblich und geltendes Recht. Oft geschah das von Garden bewacht vor vielen Schaulustigen, wobei man auch seitens der Vollstrecker aufpassen musste, das die Stimmung nicht zu Gunsten des Verurteilten umschlug!
Traditionsreiche Stätte in Edemissen
Die tausendjährige Gerichtslinde, die einst bei der Kirche stand, bildet das moderne Gemeinde-Wappen von Edemissen ab. Im Schildfuß in Gold befindet sich ein blauer, schreitender Löwe; darüber in blau eine goldene symmetrisch dargestellte Linde mit 14 Blättern. Die Blätter der Linde stehen für die 14 Ortschaften, die in der Gemeinde aufgegangen sind. Der Löwe und die Farben Blau-Gold verdeutlichen die jahrhundertelange Zugehörigkeit zum ehemaligen Herzogtum Braunschweig-Lüneburg. Der Baum war in den 1940er Jahren so morsch geworden, dass man ihn letztlich fällen musste. Genau dort befindet sich heute ein großer Findling als Gedenkstein (Foto). Ihm gegenüber ist eine bebilderte Info-Tafel installiert, die Passanten über die einstige Bedeutung des Areals informiert.
Das Miteinander, oder besser „Übereinander“, von alter heidnischer und „neuer“ christlicher Tradition (Thing und Kirche z.B.) an gleicher Örtlichkeit ist nicht ungewöhnlich; die Geschichts-Wissenschaft spricht diesbezüglich von „Kult-Kontinuität“. Lässig-modern könnte man auch sagen: „Man ging damals möglichst auf Nummer sicher!“
Ebenfalls an der alten Kirche in Edemissen mündet direkt die Gografenstraße ein; sie führt abwärts in den alten Ortskern.
Nach der Auflösung des Amtes Meinersen zum 31. März 1885 wurde Edemissen in den neu gebildeten Landkreis Peine eingegliedert.
Hinrichtungen waren damals ja sehr brutal.