Der Heckenrosenbusch
Es stand einmal die Frage im Raum:
"Stell dir vor, du wärst ein Rosenbusch". . .
Ein Rosenbusch stand eimal vor einem Spiegel. Er sah darin einen wunderschönen, großen Heckenrosenbusch.
Es kamen Erinnerungen und Gefühle in ihm auf, die ihn gleichzeitig traurig, wütend, aber auch trotzig machten.
Mit diesen unfreien, gemischten Gefühlen wollte er dieses Bild nicht sehen. Er nahm einen Vorhang um damit den Spiegel zu verdecken. Er reichte nicht aus . . .
Immer wenn er die eine Seite des Spiegels verdeckt hatte, lugte auf der anderen der wunderschöne, wilde Heckenrosenbusch hervor.
Nach wiederholtem, unvollkommenem Verdecken und Verstecken gabe er erschöpft auf. Er konnte nicht anders, er schloß die Augen. Ruhe breitete sich in ihm aus.
Zu sich sagte er: 'wenn du bereit bist die Augen wieder zu öffnen und dieser wunderschöne wilde Heckenrosenbusch noch immer dort ist; dann wirst du erkennen: ' DU bist es - DEIN eigenes Spiegelbild '.
Ganz zaghaft begann er zu schauen. Vor sich konnte er nun SEIN Spiegelbild erkennen, das er ganz in Ruhe und mit Freude betrachten konnte.
'JA!' - sagte er zu sich. 'DU bist ICH!'
Er fühlte sich wohlig, warm und geborgen in sich. Leicht glitten seine Wurzeln durch die feuchtwarme Erde. Sie gaben ihm einen sicheren Stand.
Die verrottenden Blätter des Vorjahres versorgten seinen tiefen Wurzelstock mit reichlich Nahrung.
Er sah an sich herunter und fand, daß er ein seltsamer Rosenbusch sei:
Frische Triebe, Knospen, Blüten, grüne sowie rote Hagebutten, aber auch trockene Blätter und ausgekahlte Zweige waren zu gleicher Zeit an ihm vereint.
Er spürte die Wärme der Sonne und die erfrischende Berührung des Windes. Um sich herum nahm er eine, nach Sommerwärme duftende Wiese wahr. Das Graß war bereits trocken, bog sich flach herunter und machte unzähligen bunten, duftenden Blumen Platz. Schmetterlinge, Bienen, Libellen, Käfer, Ameisen und viele anderen kleinen Tiere gaben sich hier ein 'Stelldichein'.
Groß und schön empfand er sich in Mitten dieser Landschaft. Er konnte sich gar nicht vorstellen seinen Platz irgend wo anders auszufüllen.
In diesen wohligen Gedanken ergriff ihn jedoch die Angst vor seiner Nacktheit im Winter.
Bei dieser schutzlosen Vorstellung kam er immer mehr zu der Überzeugung: 'du wirst gar keinen Winter erleben!'
In diesem Moment sah er ein Feuer. Rings um sich herum gewahrte er den Kreis eines Flächenbrandes. Aus der Ferne kam das Feuer mit großer Geschwindigkeit näher. Trotz der Gefahr die er für sich erkannte, empfand er keine Furcht für sich. Immer heißer wurde es um ihn herum. Die Flammen erfaßten seine Zweige, Blüten und Blätter. . . .
- ER VERBRANNTE -
Nichts als ein schwarzer, dampfende, häßlich-trockener Stumpf blieb von ihm übrig. Seine gerade gefundene Gestalt war unwiederbringlich zerstört.
Still und tief in sich erschrocken, stand er ganz lange reglos da, so als müsse er in sich hineinhören.
Mit einem Male konnte er verwundert entdecken, wie aus seinem verkohlten Wurzelstock viele, viele neue Tiebe wuchsen. Sie hatten einen kräftigen Wuchs und waren sehr dicht bedornt.
Plötzlich sah er nunzählige beschützede Hände auf sich zu kommen.
'Vorsich! - sieh mich erst an - denn an meinen neuen Dornen tust du dir sonst weh', sagte er da nur.
Allein mit sich hörte der nun sehr junge und zarte Hechenrosenbusch auf sich zu betrachten.
Er fiel erneuet in einen tiefen Schlaf. Im Traum fühle er wie er auf die Kraft seiner Wurzeln vertraute und beständig wuchs. Irgendwann machte er seine Augen wieder auf. Aber wie erschrak er. Er hatte gespürt wie er wuchs und wuchs. Doch nun sah er sehr lückenhaft, bizarr und seiner Meinung nach unvollständig aus.
Mit ihm war auch die Landschaft nach dem Feuer neu erwacht. Eine unsagbare Freude kam in ihm auf. Die Tiere, Blumen, Gräser und Kräuter , die er vorher nur von weitem ehen konnte, waren im nun ganz nah. In seinem scheinbar größer gewordenen Schatten fanden sie sogar Schutz vor der gleißenden Sonne.
"Ich bin ein wunderschöner wilder Heckenrosenbusch!" - sagte er zu sich, breitete seine Zweige aus und war glücklich keine Angst mehr vor dem Winter zu haben.
Eine Zeit Später . . . . .
Es war Winter. Da kam ein Wanderer zu dem Heckenrosenbusch.
Er erkannte, daß ihm sehr kalt war. So wärmte er ihn eine Weile mit seiner Seele, seinem Körper und seinem Atem. Dann ging er wieder seiner Wege.
Von dieser Zeit an fror es den Hechensosenbusch nie wieder. Ihm konnte die gleißende Sonne des Sommers und die klirrende Kälte des Winters nichts mehr anhaben. Der Wanderer hatte nämlich eine Erinnerung da gelassen.
Als der Heckenrosenbusch schlief, nahm der Wanderer unzählige Heckenrosen-Stecklinge aus seinem Beutel. Er ging damit durch die Landschaft und steckte sie in die fruchtbare Erde.
Sie wuchsen schnell und wild und wurden jeder auf seine Art - schöne, große, Heckenrosenbüsche.
Im Wechsel der Jahreszeiten, der Windrichtungen, im Wechsel von Licht und Schatten, von Sommerhitze und Frostkälte lernte er durchdieses neue Gemeinschaft:
"Ich kann nur ein wunderschöner großer und wilder Heckenrosenbusch sein , wenn ich Wärme, Geborgenheit, Schutz und Liebe nicht nur gebe, sondern sie selbst
empfange."
Eine erzählte Meditation - von einem Leben mit Multiple Sklrose.
Bilder und Text von Bärbel Stephan
@ Hallo Bernd,
Diana und Du, Ihr habt mir erst Mut gemacht, dieses Erzählung hier zu veröffentlichen.
@ Ingeborg - hallo,
das gute Ende ist, etwas im Leben zu akteptiere damit zu leben, daran zu wachsen, damit zu wachsen, um dann anders weiter zu leben.
@ Hy Gudrun.
Danke für Deine Betrachtung.
Ja, ich finde es wichtig, daß Menschen die aus einer sogenannten 'Normalitit' gefallen sind, ihre Kräfte und Möglichkeiten erforschen.
Meine Erzählungen, von denen ich noch andere habe, sind nach sehr anstrengenden Yoga-Übungen, in sogenannten 'Phantasiereisen' entstanden. Hier zum Beispiel nur durch den obigen Satz.
Liebe Grüße für Euch alle und danke für Eure Kommentare
Bärbel