Sie war Zeitzeugin der zurückliegenden Deutschen Geschichte.
Helene, Adele Stephan geb. Meyer wurde am 7. Mai 1878 in Peine auf dem Damm Nr.38 geboren.
Ihre Mutter hatte Oma nie kennengelernt, denn sie war noch keine zwei Jahre alt als sie verstarb.
Ihr Vater starb als sie im achten Lebensjahr war, innerhalb von acht Tagen an einer Lungenentzündung. Oma hatte noch einen Bruder welcher ein Jahr jünger war. Bis zu ihrer Konfirmation in Eixe wurde sie, durch ihren Vormund, dreimal bei fremden Leuten untergebracht. Oma konnte sich erinnern, daß sie nach der Kirche gleich ihr besseres Kleid ausziehen und Kinder hüten mußte. Lediglich von einer Tante bekam sie einen Taler geschenkt.
Bald bekam Oma eine Stellung in Goslar, wo sie für das ganze Jahr 36 Taler bekam. Nach einiger Zeit wollte sie in Goslar nicht mehr bleiben, weil ihr die Arbeit dort zu schwer wurde. In Peine nahm sie dann eine Stelle im Haushalt an. Hier wohnte und arbeitete sie 10 Jahre, und nebenbei lernte sie das Nähen. In dieser Zeit stellte sich für Oma bald heraus, daß ihr letzter Arbeitgeber die ganzen Jahre für sie nicht geklebt hatte.
Einmal hat Oma eine bittere Enttäuschung erlebt. Sie hatte einen Mann kennengelernt, den sie wohl sehr gut leiden konnte. Aber dessen Schwester wollte nicht - daß er ein armes Mädchen heiratete. Oma war in Peine bei Rickebergs in Stellung, als der Mann sie anflehte - aber sie erwiderte, sie werde gehen weil sie keinen Unfrieden stiften möchte. -
Sie heiratete dann im Februar 1908 in Peine. Ihr Mann, Heinrich Stephan, hatte eine Stelle bei der Essigfabrik Ottens und eine Wohnung, mit Remise für die Kutsche, auf dem Pulverturmwall.
Hier wurden auch ihre Söhne Friedrich und Adolf geboren. Als diese fünf und zwei Jahre alt waren, starb plötzlich ihr Mann.
Oma konnte eine Wohnung beim Holzhändler Wilke im Winkel bekommen. Später bot ihr der Schmiedemeister Enke auf dem Gröpern 4 eine Mietwohnung an.
In der großen Arbeitslosenzeit wurde Sohn Friederich arbeitslos, und Oma wurde so krank daß sie 14 Wochen ins Krankenhaus mußte. Sohn Adolf wollte Diakon werden, für diese Schule mußte Oma 400 RM aufbringen. Durch den Krankenhausaufenthalt bekam sie nur ein geringes Krankengeld. Da sie keine Wohlfahrt in Anspruch nehmen wollte, gingen in dieser Zeit ihre kleinen Ersparnisse drauf.
Mit Gottes Hilfe, wie sie sagt, konnte sie ihre Krankheit gut überstehen, und so arbeitete sie weiter als Weißnäherin zu Haus und in fremden Haushalten.
1940 - im 2.Weltkrieg - ist ihr Sohn Adolf in Belgien gefallen.
Über diesen Verlust ist Oma nie richtig hinweggekommen. Ihr Sohn Friederich, mein Vater, war Werkmeister in einer Ziegelei-Maschinenfabrik. Vater starb 1958 kurz vor seinem 50.Geburtstag - für Oma brach eine kleine Welt zusammen. Nur ihr fester Gottesglaube richtete sie langsam wieder auf.
Bis über das 80. Lebensjahr wohnte Oma in Peine auf dem Gröpern. Danach lebte sie eine Zeit lang im Haus meiner Mutter in Vöhrum, und nachdem ich geheiratet hatte bei uns in der Goldregenstraße.
Sie hatte dann noch eine kleine Wohnung in Telgte. Mittlerweile war sie über 90 geworden und konnte ihre Wohnung nicht mehr allein führen, so kam sie in ein Alten- und Pflegeheim in Peine.
Ich holte sie des öfteren ab und nahm sie mit in unsere Wohnung oder Garten. Sie hatte noch immer viel Freude an unseren Kindern, auch die Mädchen mochten ihre Uroma !
Omas Geist war dabei immer noch sehr hell, und man konnte sich gut mit ihr unterhalten. Aber ihr Körper wollte nicht mehr so recht mitmachen.
In ihren letzten Wochen konnte Oma fast keinen Kontakt zu Pflegern oder mir aufnehmen. Wenn ich kam lag sie im Bett, und ich mußte still zuhöhren, um ihr leises Klagen über Rückenschmerzen zu verstehen.
Zum Ende wurde es still in ihr. Vielleicht ahnte oder wußte sie, daß Gott sie nun bald rufen würde.
An ihrem letzten Abend saß ich am Bett, sie kämpfte um jeden Atemzug, ich strich ihr über Kopf und Hände. Es wäre eine Gnade wenn sie nun abgerufen würde, und doch kamen mir die Tränen in die Augen, als plötzlich fast vergessene Erinnerungen in mir waren.- Dann tat ich etwas was sie nicht mehr konnte, ich faltete die Hände und betete das "Vater unser".
Oma starb auf den darauf folgenden Morgen des 17.12.1985.
Vielen Dank für diese Familiengeschichte. Es ist wichtig solche Erinnerungen weiter zu geben. Meine Großmutter hat an dem Tag als die Mitteilung kam, ihr Sohn sei im 2. Weltkrieg gefallen, einen Hörsturz erlitten und war von diesem Tag an schwerhörig.