Eine Hochzeit in Bolivien
Im Expo Jahr 2000 hatten wir eine Austauschschülerin der Deutschen Schule Santa Cruz für fünf Monate bei uns zu Gast. Das Colegio Aleman hatte u.a. mit der St. Ursula Schule Hannover einige Schüler als Gäste in ihren Klassen. Da meine ältere Tochter damals in die gleiche Klasse ging, bot es sich an, dass beide Mädchen Freundinnen wurden und Moira bei uns Quartier bezog. Es ist nicht so einfach eine so lange Zeit von zu Hause fort zu sein und so wurde Moira unsere dritte Tochter. Später, nach ihrem Master Studium in Arkansas (USA) besuchte sie uns noch einmal während ihres Praktikums in Lübeck.
Wir hatten schon öfter Austauschschüler aus Oslo und London bei uns zu Gast, oder auch Gäste aus unserer Partnerstadt in Frankreich, aber nur für kurze Zeit.
Moira und ihre Familie luden uns schon ein Jahr später nach Bolivien ein und meine Frau mit unseren Töchtern besuchte sie dann für einige Wochen in Santa Cruz. So entwickelte sich eine Freundschaft mit gegenseitigen Besuchen. Ich hatte Moira versprochen, dass ich zu ihrer Hochzeit kommen werde, wenn sie heiratet. Im März war es so weit und wir wurden eingeladen. Leider konnten wir nicht mit der ganzen Familie fliegen, aber meine jüngste Tochter hatte noch etwas Resturlaub und ich als Rentner konnte so in Begleitung die Flüge buchen.
Ab Hannover über Amsterdam sind wir dann nach Lima in Peru gedüst. Dort nach einem kleinen Zwischenstopp ging es über La Paz nach 26 Stunden Reisezeit insgesamt nach Santa Cruz de la Sierra (Heiliges Kreuz der Berge). Der Rückflug hatte einen längeren Zwischenstopp in Panama und dauerte deshalb 34 Stunden. Es gab nur Linienflüge und die Billigangebote aus den Vergleichsportalen gab es bei näherer Betrachtung doch nicht. Trotzdem hat alles mit der Internetbuchung ohne wesentliche Verspätung pünktlich geklappt.
Wie läuft so eine Hochzeit in Bolivien ab und was zieht man da an?
Für Männer ist das einfach. Smoking hat mir meine Tochter gleich gesagt. Da kann Mann nichts falsch machen. Ein paar neue Schuhe mussten auch her. Sicherheitshalber hatte ich bei dem Weltreise erfahrenen mh´ler Hans-Rudolf König den Artikel über die Hochzeit seiner Tochter in Spanien gelesen. Overdressed kann man da nicht sein. Die Frauen sind gekleidet wie vom Laufsteg von Dior.
http://www.myheimat.de/marburg/kultur/hochzeit-auf...
Aber Spanien ist nicht Bolivien hat er mir geschrieben.
Und so war es auch. In Bolivien ist vieles anders oder auch nicht.
Vor der Kirchlichen Trauung muss man zum Standesamt. Das haben wir hier auch. Die Trauung in der Kirche und das Fest danach wird von einem Hochzeitsplaner (Wedding Planer) organisiert. Das kennt man bei uns zum Teil auch. Unser damaliger Hochzeitsplaner war meine Schwiegermutter und ihre Schwestern.
Zu den Aufgaben des Hochzeitsplaners gehören heutzutage unter anderem Standortsuche, Konzepterstellung, Dekoration, Hochzeitskleid suche, Künstlervermittlung, Personalfragen und Menüauswahl.
Bei der Hochzeit selbst steht er im Hintergrund und sorgt für einen reibungslosen Ablauf. Ziel ist es, dass sich das Paar im Vorfeld viel Zeit und Aufwand erspart und sich am Hochzeitstag auf sich selbst und seine Gäste konzentrieren kann. So wurde für die 500 eingeladenen Gäste alles arrangiert. Hotel , Lokal und Catering sowie das Rahmenprogramm mit dem Entertainment.
In der Einladung waren die Adressen der Braut Geschenke Läden angegeben, in denen die Brautgeschenke aufgebaut waren. Man konnte auch sich auch über das Internet beteiligen. Am Hochzeitstag werden keine Geschenke oder Geld überreicht.
Die Woche vor der Feier gab es einen Frauen und einen Familienabend.
Zum Frauenabend (Einladung zum Tee von 18 bis 22 Uhr) wurde meine Tochter eingeladen, beim Familienabend (Bridal Shower von 18 bis 22 Uhr, „zufällig“ war ein Fernsehteam mit Reporterin vor Ort) war ich auch als „Deutscher Vater“ mit dabei.
Einen Polterabend wie wir ihn hier kennen gibt es nicht.
Am nächsten Tag wurde „zufällig“ von einer Reporterin ein Klatschbericht (so eine Art „Leute Heute“) im örtlichen Fernsehen ausgestrahlt. Zufälle gibt es? Wir waren also auch „zufällig“ im Hintergrund zu sehen.
Etwas zu Sprache. Man spricht Spanisch.
Ich hatte mir einen Sprachführer für die Reise besorgt und die wichtigsten Floskeln auswendig gelernt. Buenos dias. Auf meinem iPhone habe ich eine App zum übersetzen. Moira und ihre Schwestern können Deutsch sprechen. Mit allen Anverwandten bis auf Gerda habe ich mich auf Englisch unterhalten so gut es ging. Gerda war ein Sonderfall. Als 92 Jahre alte Holocaust Überlebende sprach sie fließend Englisch, Spanisch und Deutsch mit ganz leichtem Sächsischem Akzent. Muchas Gracias.
Meine Tochter hat sich ihr Kleid in einer Boutique in Begleitung der Schwestern passend zu der Kleidung der anderen Teilnehmerinnen ausgesucht. Nach Kauf der passenden Schuhe wurde dann von einer Schneiderin auf Maß geändert und angepasst, so dass es nach vier Tagen fertig zum Anziehen war.
Noch etwas zu den Zeiten.
In Bolivien handhabt man alles etwas später. Sonnenaufgang ist um 6 und Sonnenuntergang auch. Davor und danach ist es meist stockdunkel. Frühstück ist von 7 bis 10 Uhr. Siesta ist von 13 bis 15 Uhr. Zum Tee wird ab 18 Uhr bis 20 Uhr eingeladen. Dort gibt es viel alkoholfreies und Kuchen. Dinner ist frühestens ab 20 Uhr.
Die Hochzeitsfeier fing um 21 Uhr in der Kirche an. Der Bräutigam wird von der Mutter (Tante) vor den Altar gebracht. Um 21.15 wurde die Braut vom Brautvater dem Bräutigam übergeben. Ein kleines Streichquartett spielt die bekannten klassischen Lieder und eine Opernsängerin singt das Ave Maria.
Kinder tragen den Schleier und die Ringe. Der Priester führt das Sakrament der Trauung durch und segnet das Paar. Nach dem gegenseitigen Eheversprechen darf sich das Paar küssen und bekommt den Beifall der Anwesenden. Ein gemeinsames Abendmahl schließt die Zeremonie ab. Danach gibt es die üblichen Hochzeitsbilder und es wird zum Veranstaltungsort der abendlichen Feier gefahren.
Nach Zuweisung der Plätze durch den Wedding Planer (der Magen knurrt) um 23 Uhr startet das Programm mit dem Einmarsch des Brautpaares und dem Eröffnungstanz. Wiener Walzer. Auf der Bühne ist ein 12 Mann Orchester. Champagner im stehen. Dann wird das Menü Serviert.
Vorher standen schon auf jeden der runden Tische, an dem 12 Personen sitzen, die Getränke. Eine Flasche gekühlter Weißwein, eine gekühlte Flasche Wasser, ein großer Becher mit Eiswürfeln, eine 1 Liter Flasche Johnnie Walker Black Label und eine persönlich eingepackte Schokoladenpraline für jeden. Die Flaschen und Gläser blieben niemals leer.
Der Saal war natürlich voll klimatisiert und entsprechend geschmückt. Die ganze Hochzeit wurde von professionellen Fotografen und einem Filmteam mit ferngesteuertem Kran digital festgehalten. Ich habe hier auf eigene Fotos wie die meisten älteren Anwesenden verzichtet. Die Jugend macht natürlich ihre Selfies.
Nach den Pflichttänzen und obligatorischen Gruppenfotos, der Hochzeitstorte ging das Entertainment Programm so um 2 Uhr richtig los. Brautstrauß und Strumpfband waren bei den Anwesenden unverheirateten hochbegehrt. Auch der Jägermeister!, der an jedem Tisch vom Brautpaar persönlich als Absacker angeboten wurde, kam gut an. Sechs Animateure und die Kapelle sorgten danach für eine Karneval-Stimmung der Extraklasse. Für den Limbo zog der Bräutigam den Frack aus und die Konfetties flogen nur so durch die Luft. Jeder bekam eine Krone aufgesetzt. Die Tanzfläche war immer voll besetzt.
Ich hätte nie gedacht bis zum Sonnenaufgang durchzufeiern und das Brautpaar war immer mit dabei.
Vielleicht hatten sich einige etwas anderes unter einer Bolivianischen Hochzeit vorgestellt, für mich war war es aber eine der schönsten Feiern an denen ich teilnehmen durfte.
Dem Brautpaar die herzlichsten Glück- und Segenswünsche!