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A bitzale ausganga

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„100 Sekunden Leben - DIE BESCHEIDENE“
eine ältere Frau mit Einkaufstrolley geht still ihren Weg. „Erzählen Sie kurz aus Ihrem Leben, erzählen Sie wie es Ihnen heute geht, erzählen Sie, wie Sie Ihr Leben gestalten“ . . .

„ . . . .was ich mach? mein tägliches Leben bestreiten, ich bin Rentnerin und mach es mir gemütlich, mach` mein kleines Gärtle, a bitzale ausganga . . . des isch scho elles – und zufrieden sein dabei, ganz zufrieden sein . . . des isch des Allerwichtigste, das Zufriedensein – ich bin zufrieden“ . . .

Eine ältere Frau? Vermutlich so alt wie ich. Den Krieg hat sie erlebt, so erzählt sie. Winter, die Jahreszeit für Rückblenden:

Es war einmal . . . mein Bruder war 2 Jahre jung und ich knappe 4 Jahre. Mit den Kleidern ging`s ins Bett, so war das jede Nacht um 1944. Die Schuhe standen griffbereit. Mutter und Oma wachten, horchten in die Nacht hinein, hörten die Flieger in der Ferne brummen, sahen die fernen Irrlichter der Schlacht. Und wenn die Sirenen heulten, dann wurden wir aus den Betten gerissen, die Rucksäcke übergestülpt, die Lieblingspuppe in den Arm gedrückt - und ab mit uns in den Keller . . .

Tag für Tag, Nacht für Nacht - und dann kam der Tag X . . .
Oktober 1944, gewaltige Flüchtlingstrecks der deutschen Bevölkerung setzten sich in Bewegung. Zunächst aus Ostpreußen, schließlich aus Schlesien und dann aus Pommern. Stettin-Gollnow in Pommern, das war unsere Heimat, da waren wir Zuhaus.

Millionen Menschen zogen in den Wintermonaten 1944/45 bei Schnee und Kälte meist zu Fuß mit Handwagen oder mit Pferdefuhrwerken in das westliche Reichsgebiet. Viele Fluchtwillige wurden von politischen „Grössen“ zu lange vom Verlassen ihrer Orte zurückgehalten, denn Flüchtlingsströme passten nicht zu den bis zuletzt verkündeten Siegesparolen. Wer von der schnell vorrückenden Roten Armee eingeholt wurde, dem drohten Misshandlung, Vergewaltigung und Ermordung. Zahlreiche Flüchtlingstrecks gerieten zwischen die Fronten und wurden aufgerieben. Zehntausende starben an Hunger, Erfrierungen oder durch gezielte Tieffliegerangriffe der Alliierten.

Mutter hatte uns rechts und links an ihren Rucksack angebunden. Oma trug Rucksack und Koffer. Vater, Opa und Onkel, alle waren als Soldaten im Krieg. Eine Flucht ins Ungewisse begann . . .

Die Bescheidenen, das sind die Frauen, die Mütter von damals, von über 60 Jahren Vergangenheit, die Trümmerfrauen, die Kriegerwitwen – ja, und das sind die Bescheidenen von heute.

„und zufrieden sein dabei, ganz zufrieden sein . . . des isch des Allerwichtigste, das Zufriedensein – ich bin zufrieden“ . . . danke du Bescheidene – danke.

Und jetzt nerv` ich wieder mit Bildern von damals aus meiner Heimat, mit geretteten Bildern aus dem Rucksack. Und was glauben Sie was noch im Rucksack war? Unterwäsche, Seife, Brotzeit – und Schlüssel, viele Schlüssel. Mutter hatte alle Schränke und Türen abgeschlossen und auf die Reise ins Ungewisse mitgenommen. Sie wollte ja wieder heimkommen – sie wollte . . .

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6 Kommentare

Liebe Heidi ..., schön ist es hier zu lesen ... von einer Zufriedenheit nach all Dem aus der Vergangenheit !!
Gerade habe ich auch im Fernsehen ein -zwei Filme aus Kriegszeiten angeschaut und mußte an meine Eltern und Großeltern denken , was doch mit so wenigem geleistet und organisiert wurde . Man braucht eben ein gewisses Alter ,um diese Zeit in sich einzulassen . Mein Vater stammte aus West-Preußen (Thorn ) und war während der Vertreibung seiner Eltern und jüngeren Geschwister schon als Soldat in Richtung Norwegen unterwegs . Auch seine Eltern sind mit Handwagen usw. losgezogen . Der Vater wurde dabei vor den Augen seiner Mutter erschossen , doch ohne großes Zögern mußte es für sie gleich weitergehen . Glück im Unglück konnte meine Großmutter bei einem polnischem Bauern unterkommen und die Wirtschaft führen ! Sie wurde gut behandelt und kam so erst Anfang der 50,ziger Jahre zurück zu einem ihrer Söhne . Von 8 Kindern lebten dann nur noch 2 Söhne ( einer mein Vater ) und 1 Tochter .
Irgendwie konnte ich später als junge Frau leider viele Geschichten nicht sofort richtig verinnerlichen ..., erst jetzt wo man nicht mehr fragen kann ist das Bedauern groß ! Mit meinen beiden Brüdern tausche ich mich schon mal aus ,doch es kommen nur Bruchstücke zum Vorschein ,denn sie sind etliche Jahre jünger als ich . Doch recht glücklich schätze ich mich einen riesen-Stapel wundervoller Briefe gefunden zu haben ,die aus der Zeit zwischen 1946-1948 zwischen meiner Mutter aus Hamburg zu meinem Vater aus dem Krieg bei Nienburg gelandet hin und her gingen . Erst mit dem Lesen dieser Briefe weiß ich wieviel ich auch an Erbgut von meiner Mutter in mir habe . Sie konnte schon damals so haut-nah mit Witz und Humor erzählen und schreiben ..., selbst von schlechten Zeiten . Diese Frauen konnten aus dem wenigsten an Eßbarem ein Gericht herstellen und selbst aus einem Kartoffelsack ein "Abendkleid " usw. zaubern !!!
Einzig aus den Kriegszeiten lebt noch eine Tante 94 J. , nicht nur topp im Kopp , sie ist mit Cousine und Cousin , damals 2 1/2 J. und 1. J. alt in Abenteuerlicher Flucht-Reise auch unterwegs gewesen .Wenn wir telefonieren höre ich schon manch spannendes Erzählen auch aus der Vergangenheit .

Liebe Heidi ..., hab herzlichen Dank für Dein so wunderbares Berichten und auch für die so kostbaren Foto`s
Bleib gesund und munter ...
Herzlichst Roswitha

Danke liebe Roswitha, liebe Gabriele für eure eigenen Erinnerungen und Gedankengänge.

Auch meine Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel sind inzwischen verstorben - die Erinnerungen bleiben, und vor allen Dingen die vielen zusammengetragenen Bilder von anno dazumal . . .

Jetzt wo ich in die Jahre komme holt mich Vergangenes immer wieder ein und denke so wie ihr . . . Unterwäsche von Muttern aus alten Zuckersäcken gestrickt. Mein Gott hat das gekratzt - die Strümpfe an Leibchen über der Hüfte festgemacht . . .

Wie gut geht es uns doch heute. Mögen unsere Kinder und Enkel niemals solche Zeiten erleben.

Seid behütet, Heidi

... .ja, Heidi ... wie gut geht es uns doch heute ... und wenn ich daran denke, wie sich unsere Mütter abplagen mussten, erst recht!
Lieben Gruß und einen schönen Sonntag,
Gabriele

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