Zeüberin entheüptet - Zum Naumburger Hexenprozess von 1604
410 Jahre ist es nun her, dass in Naumburg ein Hexenprozess mit der Hinrichtung der Angeklagten endete. Sie ist eins von geschätzten 40.000 bis 60.000 Opfern von Zauberei- und Hexenprozessen, die vom 15. bis 18. Jahrhundert in ganz Europa durchgeführt worden.
Über die damals Angeklagte ist nicht viel bekannt. Christina war ihr Name, als Frau von Ditterich Kirchner lebte sie in der „Michelsgasse“ in Naumburg.
Eine Frau von Nicol von Zwicken bezichtigte sie der Zauberei.
In den Verdacht, eine Hexe oder Zauberin zu sein, konnte man damals schnell geraten. Es genügte schon, mehr als andere zu wissen, irgendwie „anders“ zu sein, oder besonders auszusehen. Rache, Neid oder persönliche Bereicherung waren weitere Beweggründe für Denunzianten, die für ihre Tat nichts zu befürchten hatten.
Was war im konkreten Falle passiert? Glaubt man der kurzen Mitteilung von Johann Bürger in seinen „Annales Numburgenses de 1111-1615“ dann war Christina von „einer anderen Frauen der Nicol von Zwicken … die Milchgelte [ovales, nach unten konisches Gefäß mit einem oder zwei Griffen] gestohlen“ worden. Daraufhin hatte Christina „eine Schüssel genommen, die Milch in aller Teufel Nahmen darauf geschüttet und mit einem Karst [zwei bzw. drei zahnige Hacke] darauf gehackt. Davon der Nicol von Zwicken ein Auge aus dem Haüpt gesprungen.“
Das Naumburger Stadtgericht nahm die Klage an und führte den Prozess durch. Über den Prozessverlauf sind keine Details überliefert.
Bekannt ist aber, wie solche Prozesse im Allgemeinen abliefen. Die Beschuldigten wurden zunächst inhaftiert.
Zu Beginn des Prozesses wurden sie entkleidet und sämtliche Körperbehaarung entfernt. Dann wurde am ganzen Körper nach einem Hexenmal gesucht, weil man glaubte, dass nach Abschluss eines Pakts mit dem Teufel dieser den vermeintlichen Hexen ein Zeichen wie einen Stempel auf die Haut drückte. Wurde ein solches Zeichen gefunden, was nicht unwahrscheinlich war, da dafür schon die kleinste Hautunregelmäßigkeit genügte, erfolgte eine „Nadelprobe“. Dabei wurde mit einer Nadel in das gefundene „Hexenmal“ gestochen. Floss dabei kein Blut und zeigte sich die Stelle als schmerzunempfindlich, galt das als Schuldbeweis.
Danach erfolgte das Verhör mit dem Ziel, ein Schuldeingeständnis zu bekommen. Nach einer gütlichen Befragung durch die Richter wurden bei ausbleibendem Geständnis zur Abschreckung zunächst die Folterwerkzeuge gezeigt und erklärt, half das auch nicht, dann wurden sie durch den Scharfrichter angewendet. Unter qualvoller Folter sagten die Beschuldigten schließlich das, was ihre Peiniger hören wollten.
Aus noch vorhandenen Akten geht hervor, dass auch Christina Kirchner ein Geständnis ablegte. Nach ihrer Urgicht (Wiederholung des unter Folter hervorgebrachten Geständnisses vor dem Richter) fällte das Gericht sein Endurteil.
In einer Beschreibung der „Rechtspflege im alten Naumburg“ kann man nachlesen, wie man sich diesen Abschluss des Gerichtsverfahrens vorstellen muss. Das so genannte „hochnotpeinliche Halsgericht“ fand üblicherweise vor dem Rathaus statt. Dort wurden ein Tisch und Bänke platziert, auf denen „der Stadtrichter nebst Schöppen, Beisitzer und Gerichtsschreiber“ Platz nahmen. „In weitem Kreise umgab das Volk die Gerichtsstätte.“
Zunächst trug der Scharfrichter seine Anklage gegen den Beschuldigten vor. Anschließend verlas der Gerichtsschreiber das bereits fertige Urteil, ohne die Strafe zu nennen. Nachdem der „arme Sünder“ sich schuldig bekannt hatte, „entließ man ihn zu dem Prediger, der ihm Trost spenden sollte.“
Danach bestätigte man dem Scharfrichter, „daß sich niemand an ihm bei während oder vollbrachter Exekution, selbst wenn ihm etwas mißlingen sollte, bei ernster Leib- und Lebensstrafe vergreifen sollte“ und der „Stab wurde über den Missetäter“ zerbrochen.
Zum Zeichen der Beendigung der Gerichtssitzung wurden Tisch und Bänke umgestoßen. Anschließend wurde der „arme Sünder von tröstenden Priestern unter Truppenbegleitung zum Rabensteine auf den Galgenberg geführt“ und das Urteil vollstreckt.
Christina Kirchner wurde nicht, wie bei „Verbrechen der Hexerei“ üblich, lebendig auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Auf Grund ihres Geständnisses lautete das Urteil Tod durch Schwert, was gemeinhin als „Gnadenakt“ galt. Nach Bestätigung des Urteils durch die Stiftsregierung in Zeitz wurde es am 2. Mai 1604 vollstreckt.
Wer da glaubt, dass Hexenverfolgungen und -prozesse nunmehr der Vergangenheit angehören, der irrt. In Lateinamerika, Südostasien und vor allem in Afrika ist das Thema aktueller denn je. Es gibt Schätzungen, wonach seit 1960 in den genannten Erdteilen mehr Menschen wegen Hexerei hingerichtet oder umgebracht worden, als während der gesamten europäischen Verfolgungsperiode.
Danke für eure Kommentare!
@ Manfred: siehe hier!
Doppelt hält besser!