Journalismus und Qualität
Medien im Allgemeinen stehen nicht erst seit gestern unter dem Verdacht der Meinungsmanipulation. Alle bekannten Namen der Sozialwissenschaften, von Bourdieu, über Baudrillard, Chomsky bis Luhmann oder dem Schriftsteller George Orwell haben sich mit dem Möglichkeiten und Gefahren der sog. “Vierten Gewalt“ auseinandergesetzt. Inzwischen ist diese Diskussion aber aus den Universitäten in den Alltag hinein gerutscht. Man hat wohl erkannt, dass Medien von Menschen gemacht werden und so geraten in letzter Zeit die Journalisten mehr und mehr in das Kreuzfeuer der Kritik.
Und die Vorwürfe wiegen schwer:
Einseitige Berichterstattungen, das Bedienen von Klischees und Stereotypen, die Veröffentlichung offenbar vorgefertigter Meinungen, die dann mit entsprechend zusammengeschnittenen Bildern bekräftigt werden, aktives Desinteresse an anderen Meinungen und schlichtweg Faulheit. Kurzum: Das Berufsethos (dargestellt z.B. als Code of Ethics der Society of Professional Journalists) des Journalisten ist abhandengekommen, so der Vorwurf.
Und die Auswirkungen dieses Verhaltens werden ebenfalls mit genannt: anstatt Geschehnisse in ihrer Gänze und Differenziertheit zu erfassen, zu beschreiben und kritisch zu hinterfragen und damit dem Konsumenten (Leser, Zuschauer etc.) die eigene Meinungsbildung zu ermöglichen, werden höchst subjektive Meinungen präsentiert und somit Vorurteile verbreitet. Ganze Teile der Realität werden schlichtweg ausgeblendet, kommen nicht zu Wort, finden nicht statt oder werden gleich diffamiert. Journalismus wird damit nicht mehr seiner Funktion als Leistungssystem der Öffentlichkeit (Luhmann) gerecht, sondern verkommt mehr und mehr zum Instrument der Lobbyarbeit bestimmter Interessenvertreter.
Damit wird schlussendlich das gesamte System in Frage gestellt: Wozu braucht man eine Zeitung oder eine Tagesschau, wenn diese ohnehin nur die offiziellen Regierungserklärungen und Polizeiberichte liefern und keine Hintergrundberichterstattung?
Leider ist festzustellen, dass dies einen sehr wahren Kern hat.
Ein paar einfache Beispiele genügen. Man gebe bei Google/News ein Thema seiner Wahl ein und erhält über 100 Nachrichten dazu. Alle sind inhaltlich weitestgehend identisch. Lediglich bei der Kommentierung versuchen sich die Virtuosen der Tastatur zu übertreffen – sei es in Lobhudelei oder der Art der Diffamierung (je nachdem um was es gerade geht und wie der “offizielle Diskurs“ dazu gerade verläuft).
Anderes Beispiel: Im Juli diesen Jahres verkündete Charles Moore, er beginne zu glauben, die politische Linke habe mit ihrer Kritik am Neo-Liberalismus recht. Zahlreiche Wirtschaftswissenschaftler stimmten daraufhin ähnliche Töne an. Aber sie alle müssen sich getäuscht haben. In der Zeitung oder im TV erfahre ich über Linke nur, dass die Drogen wollen, Porsche fahren und sich streiten wie die Droschkenkutscher. Inhaltliche Auseinandersetzungen mit deren Themen seitens der Medien? Fehlanzeige!
Aber auch hier könnte man anfangen: Der Naumburger Gemeinderat hat sechs Fraktionen, der Kreistag streng genommen zehn. Damit der geneigte Wähler auch in ein paar Jahren noch das Bedürfnis verspürt, seine Stimme abzugeben, sollte er doch wenigstens erfahren, was seine Vertreter so verzapfen. In Zeiten postmoderner Arbeitsteilung kann man getrost behaupten, diese Informationssammlung, Aufarbeitung und Darstellung sei Aufgabe der Journalisten, die schließlich dafür ihr Geld bekommen.
Oder sollte Axel Springer Recht behalten: “Wer in diesem Business Erfolg haben will, darf nicht belehren, aufklären, fragen – er muss unterhalten, bestätigen, verdummen.“
@Andreas aber Märchenbücher gibt es doch nun wirklich genügend, da braucht mann doch nicht jeden Tag ein neues.