EuroCamp in Naumburg
Letzten Freitag (19.08.2011) wurde in Naumburg das 20. Eurocamp offizielle verabschiedet. Staatsminister Rainer Robra würdigte die Veranstaltung als einen wichtigen Beitrag für Toleranz und Akzeptanz, da sich die Teilnehmer dort mit anderen Kulturen vertraut machen konnten. Zudem wurden bei Arbeitseinsätzen Denkmäler renoviert sowie Gärten und Außenanlagen an Naumburger Bildungsstätten verschönert. Soweit, so gut.
Für Naumburg war dieser Event zweifellos ein wichtiger Imagegewinn – im Jahr der Landesausstellung auch noch eine internationale Jugendbegegnung ausrichten zu dürfen, sorgt für eine positive Berichterstattung auch im Ausland.
Es bleiben aber zunächst die Fragen nach den unmittelbaren Auswirkungen für die Naumburger selber. Knapp 100 Jugendliche täten einem Stadtbild, welches von Abwanderung junger Leute gezeichnet ist, schon rein optisch mehr als gut.
Allerdings – so muss man aber auch fragen – wie präsent waren die Eurocamper überhaupt? Wenn man nicht gerade das Glück hatte, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein (so z.B. im Anschluss an die Stadtrallye Anfang August auf dem Markt) bekam man vom gelebten Europa in der eigenen Stadt nicht wirklich viel mit. Aber auch zu solchen Gelegenheiten blieb man lediglich Zuschauer und Zaungast einer in sich geschlossenen Vorstellung. Ansehen erwünscht, aber bitte nicht anfassen und füttern.
Selbstverständlich stand es jedem frei, die eigene Trägheit zu überwinden, auf die Gruppe zuzugehen und ein Gespräch anzufangen. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass die Teilnehmer des Camps erfreut darüber gewesen wären. Aber machen wir uns nichts vor – in solch zufälligen Momenten ist man doch zu sehr mit sich selber beschäftigt und eher überrascht Zeuge eines solchen Augenblickes zu werden, als das man spontan die Muse findet, sich dem unerwartetem hinzugeben.
Der weitere und damit der eigentliche Ablauf des Camps entzog sich dann auch der Kenntnis der meisten Bürger. Man hätte schon echtes Interesse aufbringen und recherchieren müssen, um herauszufinden wann und wo das Camp als Streichelzoo der Öffentlichkeit zugänglich sei. Vieles aber – so schien es – fand im (halbwegs) geschlossenen Rahmen statt und wirkte nicht anders als ein normales Ferienlager bei dem auch mal die Repräsentanten der Stadt auftauchten.
Eine weitere Frage betrifft die Sinnhaftigkeit der Arbeiten. Zweifellos gebührt den Jugendlichen alle Dankbarkeit für die geleisteten Verschönerungen. Nur fragt man sich eben, warum man für das Streichen eines Zaunes oder die Säuberung einer Grünanlage bzw. eines Denkmals unbedingt jugendliche “Gastarbeiter“ benötigt? Maßnahmen engagierter Menschen, die, würde man sie nicht mit endlosen bürokratischen Vorschriften ausbremsen, dies freiwillig machen würden, gäbe es sicher genügend in der Stadt. Alternativ wären auch weniger freiwillige Maßnahmen des zweiten Arbeitsmarktes für diese Zwecke denkbar.
Wie witzlos ist es denn, in viele Teilnehmerländer riesige Summen an Entwicklungshilfe zu transferieren und dann lässt man die Jugendlichen hier her kommen, damit sie unsere Zäune streichen? Das erinnert mich recht stark an Tom Sawyer...
Und natürlich muss der vom Minister angepriesene Beitrag zum kulturellen Austausch kritisch betrachtet werden. Wie bereits angedeutet, funktionierte dieser zwischen Eurocampern und Naumburgern nur unzureichend. Aber auch intern – als Begegnung von Jugendlichen unterschiedlicher Nationen – muss die Frage nach kulturellem Austausch und dem damit propagierten Gewinn an Akzeptanz gestellt werden. Inzwischen darf man doch davon ausgehen, dass sich in allen Staaten Europas eine Kultur etabliert hat, die bürgerlich-liberal geprägt und marktwirtschaftlich orientiert ist. Stadtbilder, Infrastrukturen etc. ähneln sich und auch die Lebensweisen dürften annähernd gleich sein. Es stellt sich folglich die Frage, um wie viel größer die kulturelle Distanz zwischen Polen und Türken denn sei im Vergleich zu der zwischen Hamburg und dem Allgäu. Zumal man davon ausgehen kann, dass Teilnehmer eines solchen Camps open minded und kosmopolitisch geprägt sind, so dass sich der Anspruch einer Toleranzerziehung gar nicht erst stellt.
Welches Resümee lässt sich nun aus diesen Überlegungen ziehen? Eine (hoffentlich) schöne Ferienzeit für die Jugendlichen, eine zusätzliche Reklame für die Region und ein riesiges Fragezeichen ob man das Konzept Eurocamp nicht überdenken sollte, damit die Bürger der gastgebenden Gemeinde auch in dessen Genuss kommen und fragwürdige Beschäftigungstherapien ausbleiben.
willkommen noch einmal auf myheimat. Das ist ein interessanter und gut zu lesender Kommentar.