Umgehungsstraße - Pest oder Cholera?
Damit hatten selbst die GRÜNEN nicht gerechnet – der Andrang zu ihrer Veranstaltung über Möglichkeiten der Verkehrsentlastung auf Naumburgs Straßen war so groß, dass noch Stühle herbei geholt werden mussten.
Der perfide Schachzug war aber gut kalkuliert – gegen die geplante Umgehungsstraße B87n sollte Stimmung gemacht werden, indem diese offiziell gar nicht thematisiert werden sollte. Der Referent vom Planungsbüro Hunger (Dresden) konnte einem nur leidtun - die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger erschien nämlich um eben das für und wider dieser Umgehungsstraße auszuloten. Entsprechend emotional war die Stimmung, der sich die Verkehrsplaner gegenüber sahen. Es dauerte einige Zeit, bis es Christoph Erdmenger gelang, die Wogen zu glätten.
Im Nachhinein muss man sich aber fragen, welches politische Schmierentheater hier eigentlich gespielt wird. Die Inhalte des Vortrages waren nämlich keineswegs neu – die bekam der interessierte Bürger bereits im August 2011 im Rathaus präsentiert (siehe hier: http://de.scribd.com/doc/64787609/Prasentation-Wen... ).
Warum wurde also nicht schon längst eine Umsetzung in die Wege geleitet? Oder warum wärmt man alte Kamellen wieder auf?
Es beschleicht einen der Eindruck, hier werden absichtlich die Emotionen der Bürger gegeneinander ausgespielt um Zeit zu gewinnen, in der Hoffnung, das Problem löse sich mit der Zeit von selbst. Auch eine schöne Taktik der Politiker, keine Verantwortung übernehmen zu müssen.
Wichtig wäre in dieser Debatte zunächst einmal ein Perspektivwechsel. Zwei Dinge scheinen mir in der derzeitigen Auseinandersetzung hinderlich:
1. Verkehrsentlastung wurde in den letzten 20 Jahren in der Tat ausschließlich in Form von Umgehungsstraßen gedacht, geplant und kommuniziert. Eine andere Vorstellung gab es gar nicht.
2. Die nun geplante Umgehungsstraße wird ausschließlich an ihrer potentiellen Effizienz gemessen (Kostet viel, bringt wenig).
Unbestritten ist: Naumburgs Straßen sind voll. Und Naumburgs Straßen sind dem Verkehrsaufkommen nicht wirklich anpassbar, dafür ist es am Ende zu eng. Zudem hat man – vor allem im Winter – das Problem fehlender Alternativen. Ist das Nadelöhr Wethauer Berg mal wieder dicht, staut sich der Verkehr bis zur Autobahn und bis tief in die Innenstadt.
Und auch wenn sich eine Umgehungsstraße nicht wirklich “rechnen“ wird, weil zu befürchten bleibt, dass die Auslastung relativ gering bleibt, so ist jedes Fahrzeug, dass nicht durch Naumburg fährt ein Gewinn für die Stadt. Zudem ließe sich mit einer ordentlichen Streckenführung um Wethau das Nadelöhr Wethauer Berg umfahren und man hätte im Bedarfsfall endlich eine Alternative um den Verkehr am Laufen zu halten.
Das es zur Umgehungsstraße weiterer Maßnahmen bedarf, ist angesichts des Binnen, Quell- und Zielverkehrs ebenfalls nicht zu bestreiten. Aber auch hier ist gut gemeint das Gegenteil von gut gemacht. Tempo 30 vermindert den Lärm, aber nicht die Anzahl Fahrzeuge. Die Poller in der Innenstadt werden inzwischen nicht mehr genutzt, weil die Händler sich sonst beschweren. Der ÖPNV verkehrt in aller Regel nicht so, wie es der einzelne Bürger benötigt. Das ist ja gerade eine der Ursachen für die enorme Zunahme des Individualverkehrs. Güterverkehr ist über das Schienennetz offensichtlich nicht wirtschaftlich, sonst würde man es längst machen. Die Straßenbahn ist zwar beliebt, aber überlebt auch nur dank großzügiger Subventionen, die sich die Kommune im Grunde nicht leisten kann. Ein Ausbau der Radwege erscheint noch am sinnvollsten, zumal der Freizeittourismus davon profitieren könnte. Aber ein gutes Radwegenetz in Naumburg und entlang der Saale wird die Menschen auf den Dörfern, die in aller Regel etwas abseits davon liegen, dennoch kaum dazu bewegen, diese führ ihre Alltagswege zu nutzen.
Wir stehen also vor dem Dilemma, dass in Naumburg verkehrstechnisch nicht mehr zumutbare Zustände herrschen und wir nur wenige Möglichkeiten haben, daran überhaupt etwas zu ändern. Insofern wäre es hilfreicher, die Umgehungsstraße nicht in Kosten-Nutzen-Relationen zu sehen (was angesichts der öffentlichen Finanzierung ohnehin unsinnig ist), sondern in ihrem Entlastungseffekt. Der mag gering sein, aber ist immerhin vorhanden.
Welches Signal soll denn politisch an die Bürger gesendet werden: das alles keine Zweck hat, weil in 20 Jahren kaum mehr jemand hier wohnt – die Alten tot, die Jungen abgewandert? Oder will man eine Region, die trotz Schrumpfung auch in 30 Jahren noch vital ist?
> "Zuhören/ beachten tut dies aber meistens kaum einer."
Dann war man nicht laut genug ;)