Tempo-30-Zone bleibt nach 30 Jahren weiter aktuell und verhindert schwere Unfälle
Zu "Oft ignoriert und ohne Wirkung: Die Tempo-30-Zone wird 30 Jahre alt", Mitteldeutsche Zeitung vom 14.11.2013.
Die Mitteldeutsche Zeitung hat die Pressemitteilung der Unfallforschung der Versicherer (UDV) vom 14.11.2013 im oben genannten Beitrag vom 14.11.2013 aufgegriffen. Dieser ist online abrufbar auf den Webseiten der MZ. In einem weiteren Beitrag nehme ich ausführlicher Stellung zur Pressemitteilung des UDV. An dieser Stelle möchte ich eine inhaltliche Kritik zur Meldung der MZ geben.
Ich kann die Überschrift nicht so stehen lassen, dass Tempo-30-Zonen ohne Wirkung oder oft ohne Wirkung seien. Beim Lesen habe ich mich gefragt, ob wir uns im Mittelalter befinden, in dem an Stelle von geprüften Aussagen pseudowissenschaftlich völlig neue Behauptungen aufgestellt werden. Wissenschaftler halten die Tempo-30-Zone für ein "effizientes" Mittel.
Die Pressemitteilung der UDV bezieht sich vermutlich u.a. auf den Fachartikel von H.P. Lindenmann und Th. Koy, die an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich forschen, mit dem Titel "Auswirkungen von Zonensignalisationen (Tempo 30) in Wohngebieten auf die Verkehrssicherheit".
Die Behauptung "[dies führt] aber nicht zu einem Rückgang der Unfallzahlen" sehe ich nicht durch Studien belegt. Die These, häufige Brems- und Anfahrbewegungen bei Kreuzungen oder Einmündungen mit Vorfahrt von rechts (StVO § 8 Abs. 1; Zeichen 102 in Anlage 1 zu StVO § 40 Absatz 6 und 7) erhöhen den Schadstoffausstoß der Kfz, wurde schon 1997 durch eine Untersuchung des Umweltbundesamtes widerlegt (Lätzsch, Lothar/ Kuss, Steffen: Untersuchung zum Fahrverhalten von Kraftfahrzeugen in Straßennebennetzen bei Vorfahrtregelung „rechts vor links“, TU-Dresden, Lehrstuhl für Straßenverkehrstechnik, 1997). Eine im Einzelfall denkbare Erhöhung des Schadstoffausstoßes durch häufige Brems- und Anfahrbewegungen ist auf die Verknüpfung von Tempo-30-Zonen mit der Vorfahrt von rechts zurückzuführen. Kreuzungen gleichberechtiger Straßen sind jedoch typisch für Wohngebiete und finden sich nicht nur in Tempo-30-Zonen.
Die "Zunahme" von Parkunfällen ergibt sich aus der Bedeutung von Tempo-30-Zonen für den ruhenden Verkehr; an Hauptverkehrsstraßen mit Tempo 50 ist das Parken häufig nicht möglich. Das Argument kann nicht als Nachteil der Tempo-30-Zone gelten.
Als Nachteile können dagegen entstehen: für kurze Wege brauchen Kfz-Führer mehr Zeit, es wird - gerade unter Zeitdruck - ein hoher Fahrtzeitverlust wahrgenommen, die Regelung erfordert Geduld und Selbstbeherrschung, die Stärkung der Rechte der Fußgänger fordert Fahrzeugführern mehr Rücksichtnahme ab, für die Akzeptanz müssen die Beschränkungen auf allgemeines Verständnis treffen, es sind höhere Betriebskosten im ÖPNV möglich. Diese Nachteile können durch weiterführende Maßnahmen teilweise kompensiert werden.
Ein Aspekt fehlt in der Pressemitteilung der Unfallforschung der Versicherer: Die derzeitige Finanzierung läuft leider darauf hinaus, dass die Forderung "Tempo-30-Zonen nur dann einzurichten, wenn auch das Geld zur Verfügung steht" bedeutet, dass fast alle Tempo-30-Zonen auf Jahrzehnte ersatzlos entfielen.
Fazit:
Angesichts der aus meiner Sicht doch deutlichen Verringerung der Unfallschwere trotz begrenzter Wirkung auf das Geschwindigkeitsverhalten ist eine weitere Verkehrsberuhigung anzustreben, um auch den schwächeren Verkehrsteilnehmern zu erlauben, sich sicher und selbstbewusst auf der Straße zu bewegen. Deutlich mehr der für den Straßenbau bereitgestellten Finanzmittel als bisher müssen dazu in das Nebenstraßennetz fließen.
Aber 30 ist doch albern!
Wollen wir eine "langsame Stadt"?