Endlich gibt es wieder Naumburger Bier
Der letzte Tag des Jahres 2014 war ein bedeutender Tag in der Naumburger Geschichte. Hier, wo einst über Jahrhunderte ein viel gepriesenes und heiß begehrtes Bier gebraut wurde, lebte nach 24 Jahren Pause mit der Neueröffnung des Ratskellers und der dort errichteten Gasthaus-Brauerei eine alte Tradition wieder auf.
Die Informationen über die hiesige Brautradition verdanken wir unter anderem dem früheren Stadtschreiber und Oberbürgermeister Sixtus Braun (1550-1614) sowie dem ehemaligen Lehrer, Leiter des Heimatmuseums und des Stadtarchivs Friedrich Hoppe (1879-1959). Letzterer fasste Anfang des 20. Jahrhunderts die Kenntnisse darüber in seiner Schrift „Die Geschichte des Naumburger Bieres und der Naumburger Gasthöfe“ zusammen.
Der schlechte inländische Wein, mit vielen Kräutern, Gewürzen und Honig versetzt, war wohl die Ursache dafür, dass die Bürger um das Jahr 1300 begannen, hier Bier zu brauen. Schon fünf Jahre später führte der Rat der Stadt eine Biersteuer ein, die offensichtlich so hoch war, dass noch 1377 berichtet wird, es seien nur wenige Bürger gewesen, die sich das Vergnügen leisten könnten, selbst zu brauen.
Im Laufe der Zeit wurde trotzdem immer mehr gebraut und die Bürgerschaft konnte aus dem Bierverkauf reichen Gewinn erzielen. Das rief natürlich Neider auf den Plan, die auch etwas am Bierverkauf verdienen wollten. „Die geistlichen Leute fingen an, Bier zum Verkauf zu brauen. Darum wurde seitens des Rates 1363 bestimmt, dass Domherren und Geistliche nur zu ihrem eigenen Bedarfe brauen sollten.“
Die Bierbrauerei wurde seitens der Stadt streng überwacht. Schon seit 1377 hatte der Rat einen eigenen Braumeister, welcher diese Kontrolle ausübte. Nicht nur der Beginn der Brauzeit wurde amtlich festgesetzt, sondern der Rat ließ es sich auch nicht nehmen, das gebaute Bier „zu besichtigen“, wie Sixtus Braun vom Jahre 1394 berichtet.
Brauberechtigt waren damals alle steuerzahlenden Naumburger Hausbesitzer. Wenn sie über keine eigenen Möglichkeiten zum Brauen verfügten, konnten sie sich eines der zahlreichen Mietbrauhäusern in der Stadt bedienen.
In den Dörfern der Region war das Brauen nach der kurfürstlich sächsischen Landesordnung von 1555 untersagt. Gegen Verstöße ging der Rat unnachsichtig vor. Überliefert ist u. a., dass am 25. November 1644 der Stadtvogt mit einer Schar von 50 mit Musketen, Spießen und Äxten bewaffneten Bürgern nach Eulau zog, um das neue Brauhaus des Herrn von Taubenheim zu zerstören.
In der Blütezeit der Naumburger Bierbrauerei gingen „täglich zu allen Toren Naumburgs ganze Fuder Bieres hinaus. Es wurde weit und breit und der Sage nach sogar bis Rom gebracht.“
In der Ratskämmerei sind viele Rechnungen zu finden, die Ausgaben für Ehrengeschenke in Form von Naumburger Bier beinhalten. Geistliche und weltliche Herren, Äbte, Grafen, Bischöfe, Herzöge, ja sogar Könige und Kaiser wurden damit bedacht.
Um den Bierabsatz zu gewährleisten, reichten solche Ehrengeschenke allein nicht immer aus. Nachdem zum Beispiel der Herzog von Sachsen durch strenge Zollmaßregeln den Naumburger Bierhandel lahm gelegt hatte, konnte er 1455 diesbezüglich umgestimmt werden, nachdem ihm persönlich 875 Gulden und an seine Kanzlei 20 Gulden gezahlt wurden.
Die Rezeptur des Naumburger Bieres ist nicht bekannt, es soll ein schwarzes, bitteres Gebräu gewesen sein. Ob uns das heute geschmeckt hätte ist fraglich. Bekannt ist nur, dass der Hopfen auf den Feldern am Kalten Hügel, dem Spechsart, Ziegelgraben, bei Grochlitz und an der Schweinsbrücke angebaut wurde.
Bis heute bekannt ist aber der Ruf des Naumburger Bieres. Im Mittelalter ging das Sprüchlein durch die deutschen Lande: „Naumburger Bier ist der Thüringer Malvasier.“ (Malvasier ist eine der ältesten Rebsorten. Sie liefert sortenreine Weißweine und Likörweine.)
Heinrich Knauht schrieb in seinem in Erfurt 1575 erschienenen fünfbändigen Werke „Von der Kunst, Bier zu brauen“ ausführlich über den Naumburger Gerstensaft: „In Thüringen ist das Naumburger Bier das berühmteste und vornehmste, auch das nicht unbillig, denn es hat viel Substanz, ist wohl gekocht, gibt viel Nutriments, vermehrt die natürliche Wärme im Menschen und mangelt diesem Bier an keinem Stück der Dinge und Umstände, die zu einem guten Bier gehören. Es steigt aber leicht zu Kopfe, daher schreien etliche Säufer, dass dies Bier blind mache, und das ist doch ja kein Wunder, wenn man dieses Biers überflüssig säuft, wie die unvernünftigen Tiere das Wasser, so muss man nicht allein blind, sondern auch ganz und gar töricht und unsinnig werden. Dieses Bier wird in die umliegenden Städte weit und breit verschickt und mit Haufen verkauft, da es angenehm und lieb ist. Ich habe das schönst und lieblichste Naumburger Bier in der Stadt daselbst getrunken, das einem im Herzen gelüsten möchte, aber es will mäßig getrunken sein, nicht aber Quart und Halbstübchen auf einen Trunk, wie oben stehet.“
Im Verlaufe des 17. bis 19. Jahrhundert sank allmählich der Gewinn, der mit der Bierbrauerei zu machen war. Das „dämpfte den Eifer und die Sorgfalt für das Brauwesen.“ Die Ursachen des Verfalls der einst so blühenden Bierbrauerei „erklären sich einmal daraus, dass der Gerstentrank altmodisch geworden war. Der Bürger gewöhnte sich wieder an den perlenden Wein, an den lieblich duftenden Kaffee und den alles bezaubernden Schnaps. … Zu all dem trat als andrer Grund für den Niedergang unsres Brauwesens der Umstand, dass man in den meisten deutschen Städten selbst gelernt hatte, gutes Bier zu brauen.“
Um dem veränderten Geschmack Rechnung zu tragen und den Bierkonsum zu heben, fing man 1776 sogar an, Bayrisches Bier zu brauen. Da es aber nicht dem Geschmack der Bürger entsprach, außerdem „Kopfschmerzen erregte“ und die chemische Untersuchung durch den Stadtphysikus Drechsler ergab, dass „bittre Kräuter“ unter den Hopfen gemischt waren, so hörte diese Brauart mit dem Beginn des Jahres 1789 wieder auf. Auch der Wechsel im Braumeisteramt, zu dem man 1785 einen Böhmen berief, vermochte sich nicht bessernd auf die Güte des Bieres auszuwirken. So gestattete man ab Ende des 18. Jahrhunderts sogar stillschweigend die Einfuhr fremder Biere.
Anfang des 19. Jahrhunderts schlugen mehrere Versuche der Stadt, das Braurecht zu verpachten bzw. selbst zu betreiben, fehl. Mit der Einführung der preußischen Gewerbeordnung gab es schließlich keine rechtliche Handhabe mehr für die Erhebung eines Braupachtzinses und eine wichtige Einnahmequelle der Stadt versiegte.
Hatte man 1622 noch 11 Brauhäuser in der Stadt und 5 in der Domfreiheit, so gab es 1822 nur noch 2 Brauereien: die „Grüne Tanne“ am Othmarsweg im Besitz von Johann Daniel Starke und den „Brauhof“ im Vorgängerbau des heutigen Hotels „Zur alten Schmiede“ im Besitz von Herrn Scheufler. Der „Brauhof“ ging später auch in den Besitz der Familie Starke über, die 1842 dort ein Malz- und Gärhaus errichten ließ.
1870 erwarben Höltz, Thienemann, Arends, Voß und Mundt den „Brauhof“ und errichteten eine Genossenschaftsbrauerei, die 1880 von Starkes Nachfolger, dem Brauereibesitzer Berthold mit dem Brauhof „Zur grünen Tanne“ vereinigt wurde. Berthold verwaltete mit seinem Schwager Hartung das umfangreiche Brauereiunternehmen, von dem 1909 auch die letzte andere größere Brauerei Naumburgs, die Firma Lindner geschluckt wurde.
Die Bierbrauerei im unmittelbaren Stadtgebiet fand in der Nacht vom 27. zum 28. Juli 1912 ein jähes Ende: durch ein Großfeuer wurde die Brauerei Hartung & Berthold zerstört und später nicht wieder aufgebaut.
Wäre da nicht die Hennenbrauerei gewesen, hätte schon damals vor nunmehr reichlich 100 Jahren die Naumburger Brautradition geendet. Die Hennenbrauerei ging aus dem Privatbesitz von Carl Schröder hervor. Dieser beantragte am 18. Oktober 1859 die Eröffnung einer Brauerei an der Henne, die ab 1913 „Brauerei zur Henne Adolf Schröder“ hieß. Im Jahre 1939 wurde daraus die Hennenbrauerei AG und 1972 die Hennenbrauerei, die 1990 dann geschlossen wurde.
Nach nunmehr 24 Jahren Pause sind wir in der glücklichen Lage, wieder Naumburger Bier genießen zu dürfen. Dieses wird in dem kleinen Brauhaus, das sich im Ratskeller befindet, hergestellt. Direkt am Zugang zum Markt reift in zwei Kupferkesseln das „Naumburger Ratskellerbier“. Dabei handelt es sich um ein bernsteinfarbenes, naturtrübes Bier, das sehr süffig ist und kräftig nach Malz schmeckt.
Ich war in der glücklichen Lage, von den ersten 300 gebrauten Litern eine Kostprobe zu nehmen und kann es nur weiter empfehlen. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Neubelebung der Naumburger Bierbrautradition von langer Dauer ist.
Danke, freue mich schon auf die nächste "Hinter den Kulissen"-Veranstaltung.
Manfred, Flaschenbier ist ausschließlich im Ratskeller erhältlich.