Erinnerungen an Otto Brinckmann (1905 – 1970)
Der älteren Generation wird seine Arbeit sicherlich noch gut in Erinnerung sein. Wenn ein Artikel der Oberhessischen Presse das Kürzel „OB“ enthielt, war er gemeint: Otto Brinckmann, der 1953 als Graphiker in die Dienste der Druckerei Johann August Koch eintrat und von 1958 bis 1968 gar mit viel Umsicht das Ressort Marburg – Land leitete. In diesen 15 Jahren fand er in der ländlichen Bevölkerung des Altkreises Marburg, insbesondere im sich abzeichnenden Strukturwandel, ein Betätigungsfeld, an dem er sich immer wieder begeistern konnte. Nicht nur seine gut artikulierten Berichte legen hiervon ein beredtes Zeugnis ab, insbesondere seine eigenhändig gestalteten Zeichnungen verliehen seinen Artikeln eine besondere Note. Otto Brinckmann wurde in Waren am Müritzsee in Mecklenburg geboren und kam nach dem Studium an der Kunstakademie in Dresden und anfänglicher journalistischer Tätigkeit in Schwerin kurz nach dem Krieg nach Marburg, in die Heimatstadt seiner Frau Maria Bußhoff (*1915). Nach seiner Tätigkeit bei der Oberhessischen Presse trat er in die Dienste der Hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitserziehung in Marburg, wo er sich ebenfalls journalistisch und bibliothekarisch betätigte. Eigentlich wollte er zum 1. Juli 1970 in den wohlverdienten Ruhestand gehen, doch am 28. Juni, während einer Urlaubsfahrt nach Italien, geriet er mit seinem Wagen bei Garmisch-Partenkirchen in ein Unwetter und prallte frontal gegen einen Baum. Er und seine Frau Maria waren sofort tot. An dieser Stelle soll noch einmal, wenngleich aus Platzmangel nur in wenigen Auszügen, an das journalistische und zeichnerische Werk des Otto Brinckmann erinnert werden: Denn über Münchhausen und den Christenberg sind aus seiner Feder einige sehr wichtige und interessante Artikel entstanden.
Bildunterschrift zu Zeichnung 1:
Anfang bis Mitte der 50er Jahre berichtete Otto Brinckmann immer wieder über die durchgeführten Renovierungsarbeiten an der Martinskirche auf dem Christenberg, die ihm wegen ihrer kultur-historischen Bedeutung besonders am Herzen lag. Wie allgemein bekannt sein dürfte, wurden in den Jahren 1953/54 erhebliche Umbaumaßnahmen an der Martinskirche durchgeführt, so wurden u. a. die ursprünglichen romanischen Rundbogen-Fenster teils wieder geöffnet, teils nach vorhandenem Befund neu gemauert. Im Innenraum wurden die Emporen, die den Kirchenraum verdunkelten, herausgenommen. Am 21.10. 1955 berichtet er darüber, dass nun „die letzte Hand an die Innenraumgestaltung gelegt wird“. Weiter bemerkt Brinckmann: „Der Landeskonservator hat bei der Erneuerung des Kirchenschiffes ganze Arbeit geleistet. [...] Der dadurch wiederhergestellte Gegensatz des romanischen Schiffes zum gotischen Chor ist ein Wagnis, an das sich, man kann es ruhig sagen, die Einwohner von Münchhausen erst gewöhnen müssen. Denn diese Kirche ist ja kein Museum, sondern die Totenkirche der Gemeinde und als solche soll sie der Stimmungsträger für die Gottesdienste sein.“ Am 15. Mai 1956 schreibt Otto Brinckmann zur endgültigen Fertigstellung des Gotteshauses: „Ungeduldig warten nicht nur die Mitglieder der Kirchengemeinden, sondern auch viele interessierte Heimatfreunde auf die Beendigung der Restaurierung der Kirche auf dem Christenberg. [...] Schon bei dem augenblicklichen Zustand der Restaurierung wird deutlich, wie stark das Nebeneinander des romanischen Schiffes und des gotischen Chores als Stimmungsträger wirken wird. Die Arbeiten an der Decke werden nach Pfingsten wieder aufgenommen. Sie wird als Hängedecke auf die ehemalige Höhe gebracht. Der Ernsthäuser Schreiner Trusheim fertigt Proben für die Profilierung der Kassettendecke an, die vom Landeskonservator geprüft und an der vom Ernsthäuser Zimmerer Engel „aufgehängten“ Decke ausgeführt werden.“ Die Zeichnung zeigt die Zimmerarbeiten. Deutlich wird, wie die Kassettendecke an der vorhandenen Decke abgehängt wurde.
Bildunterschrift zu Zeichnung 2:
Am 25. Mai 1956 berichtet Brinckmann mit den mahnenden Worten „Erst planen – dann bauen!“ über die Kanalisationsarbeiten in Münchhausen. Weiter heißt es: „Münchhausen hat als Dorf an der Bundesstraße besondere Aufgaben zu erfüllen. Verkehrssicherheit und Sauberkeit stehen hier oben an, und so ist es zu begrüßen, dass nunmehr der Entwurf für eine Mischkanalisation des Ortes fertiggestellt wurde. Die Gesamtkosten werden auf rund 320.000 DM veranschlagt, eine Summe, welche die Gemeinde natürlich nicht aus dem Handgelenk schütteln kann, zumal sie fast nur auf landwirtschaftlichen Erwerb angewiesen ist.“ Insbesondere die Situation des Hutschbaches beleuchtet er eingehend: „Der Hutschbach, der zum Teil bereits mit einem Rohr eingefasst ist, bildet ein Problem für die Kanalisierung, denn einmal muss das Treibwasser für die Hutschmühle sichergestellt werden, zum anderen soll der Bach als Fischgewässer möglichst rein bleiben. Die Zufuhr für die Mühle wird sichergestellt und für die Reinhaltung bestehen zwei Pläne. Entweder kommt eine Rohrverlegung entlang des Baches mit Regenüberlauf in Frage, wodurch die Verdünnung des Schmutzwassers garantiert wird, oder es müsste statt der Rohrleitung, die auf 16.000 Mark veranschlagt wird, ein Klärbecken unterhalb der Badeanstalt eingebaut werden. Außerdem soll der Hutschbach im Gesamtplan durch eine Verbindungsleitung die Spülung der Rohre bei Trockenwetter sicherstellen.“ Zu diesem Artikel zeichnete Otto Brinckmann die Situation am Hutschbach. Rechts im Bild ist die alte „Schmiede am Hutschbach“ von Familie Koch zu sehen, der Baum mit der markanten Stammkrümmung in der linken Bildhälfte wurde in den 70er Jahren gefällt.
Bildunterschrift zu Zeichnung 3:
Der Christenberg fand immer wieder das Interesse von Otto Brinckmann. Am 7. Juni 1961 berichtet er über den sagenumwobenen Steinsarg, der an der Südseite der Martinskirche in Fragmenten noch vorhanden ist: „Lebendig eingemauert – In jedem Jahre zur Reise- und Wanderzeit findet der Christenberg als beliebtes Reiseziel in der Presse Erwähnung, und die Einmaligkeit der bedeutenden historischen Anlage rechtfertigt auch diese Bemühungen. Leider wird immer wieder das Gotteshaus durch sensationelle Märchen interessant gemacht. So war kürzlich in Veröffentlichungen von dem „grausamen Aberglauben“, ein Kind lebendig in die Fundamente einzumauern, berichtet mit dem Hinweis auf den Steinsarkophag, der an der Außenmauer der Kirche liegt. Er soll dem Kindesopfer gedient haben, um die unsichtbaren Mächte günstig für das Bauwerk zu stimmen. Abgesehen davon, dass der Stützpfeiler, unter dem dieser Sarkophag gefunden wurde, viel jüngeren Datums ist, als das Gotteshaus selbst und dass das Grab eines Kindes, wenn es sich um ein solches handeln sollte, im Gottesacker gelegen hat, ist es völlig absurd, ein lebendig eingemauertes Kind mit dem Bau eines Gotteshauses zu verbinden, wenn auch profane Bauopfer, wie das Einmauern einer Katze oder eines Eies bekannt geworden sind. Dass die an der Außenmauer liegenden Steine Bestandteile eines kleinen Grabes sein können, wird kaum angezweifelt. Es könnte aber auch ein völlig neuer Gesichtspunkt gefunden werden, wenn man die Steine aufrecht stellt und dann auf eine schießschartenähnliche Maueröffnung oder ein Fenster schließt, denn der Christenberg ist auch ohne gruselige Fremdenverkehrsattraktion interessant genug.“ Zu diesem Artikel entstand diese Zeichnung der Martinskirche.
Bildunterschrift zu Zeichnung 4:
Mit viel Engagement und Fachkenntnis begleitete Otto Brinckmann auch die archäologischen Ausgrabungen, die seit 1964 auf dem Christenberg stattfanden. So berichtet er z. B. am 24. Dezember 1968 unter der Überschrift „Kinderspielzeug vom Christenberg“ wie folgt: „Die Spatenforschung der Außenstelle Marburg des Landesarchäologen von Hessen hat der Öffentlichkeit Menschen Nahe gebracht, die zwar zeitlich weit vor uns diesen Lebensraum mit ihrem Wesen erfüllten, aber doch Menschen waren „wie Du und ich“. [...] „Zu den seltenen Stücken, die auch bei mancher Führung Frauen und Kinder begeisterten, gehört eine zunächst unscheinbare hohle Tonkugel, in deren Innern vermutlich kleine Kieselsteine frei kullern. Nimmt man das Stück in die Hand und schüttelt es, so hat man (wie in der heutigen Zeit) eine Kinderrassel aus frühkeltischer Zeit (4. Jahrhundert vor Christi Geburt) vor sich. Dieses Spielzeug herzustellen, ist für den Keramiker der Keltenzeit nicht einfach gewesen, bestand doch die Gefahr, dass die Steinchen beim Brennprozess festbacken konnten, zum andern wird es schwierig gewesen sein, die Kugel zu schließen. Wahrscheinlich war das Ganze vorher luftgetrocknet. Unter seine Zeichnung zu diesem Artikel setzte er die Worte: „Winzige Spielschälchen und bunte Glasperlen aus frühkeltischer Zeit lassen erkennen, dass einst fröhliches Kinderlachen auf dem Christenberg zu Hause war. Ein Kinder-Reitsporn (ein Streichholz zeigt die Größe an) von der Ausgrabung Christenberg lässt die Zeit der fränkischen Reiter erahnen.“