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Neu im Kino: Thank you for calling

Dieser Beitrag erschien am 10. Oktober 2016 auf den NachDenkSeiten

Mobiltelefonie hat sich in kürzester Zeit als unersetzliche Kommunikationstechnologie durchgesetzt: Weltweit gibt es über sieben Milliarden Handynutzer. Ähnlich wie beim Rauchen können sich mögliche fatale Folgen jedoch erst nach Jahrzehnten der konstant erhöhten Strahlungseinwirkung zeigen. Die gerade in deutschen Kinos angelaufene Dokumentation THANK YOU FOR CALLING von Klaus Scheidsteger führt den Zuschauer hinter die Kulissen der internationalen Forschung, des Industrie-Lobbyismus sowie aktuell laufender Schadensersatz-Prozesse in den USA, die medial weitgehend unbeachtet bleiben.

Scheidsteger skizziert die Verschleierungstaktiken und Manipulationstechniken der Mobilfunkindustrie und begleitet den Kampf einiger Wissenschaftler, die seit Jahren auf diesem Gebiet forschen, aber erst seit kurzem wirklich Gehör finden. Und gegen die die Mobilfunkgiganten seit Jahren alle verfügbaren Mittel der Verleumdung und Diskreditierung anwenden, um sie zum Schweigen zu bringen. Jens Wernicke sprach mit dem Filmemacher Klaus Scheidsteger zu Thema und Film.

Too rich to jail?

Herr Scheidsteger, in „Thank you for calling“ zeichnen Sie ein düsteres Bild der Machenschaften der internationalen Mobilfunkindustrie. Warum ist das wichtig? Was geht mich und uns das an?

Mein Film zeigt im historischen Kontext, dass die MF-Industrie die Öffentlichkeit getäuscht hat, indem sie die ersten Warnhinweise der Wissenschaft nicht etwa ernst genommen, sondern von Anfang an bekämpft hat.

Als nämlich im Jahre 1994 erste Warnhinweise aus den Labors der Washington University auftauchten – da ging es um durch Handystrahlung verursachte DNA-Strangbrüche als Vorstufe zu Krebs! –, schaltete der MF-Pionier Motorola eine Lobby-Agentur ein, die weltweit operierenden Meinungsmacher von Burton Marsteller, die unter anderem auch Coca-Cola und McDonalds betreuen, ein.

Deren Strategie-Papier, War-Game-Memo genannt, lieferte die Regieanweisungen, die heute noch Gültigkeit haben: Wissenschaft anzweifeln, eigene Forschung finanzieren und mit den Ergebnissen Sicherheit vermitteln, notfalls Wissenschaftler diskreditieren, Medien gezielt informieren, Motto: „Es gibt kein Problem, wir haben alles im Griff!“, Reproduzierbarkeit der kritischen Studien anzweifeln.

Diese Zusammenhänge sind noch heute relevant und der Verbraucher wird in Sicherheit und Sorglosigkeit entlassen, wiewohl die eigentliche Studienlage mittlerweile erdrückend ist. Über 700 Studien weisen inzwischen die unterschiedlichsten Risiken für den Handynutzer aus. Nachzulesen etwa unter mobilfunk-studien.de.

Inzwischen gibt es nicht nur mehr Handyverträge als Menschen auf der Welt, die Mobilfunkindustrie ist zudem zu einem der mächtigsten Global Player mutiert…

Dies war eben nur möglich, weil die Gesundheitsrisiken heruntergespielt wurden. Die zweifellos vorhandene Faszination einer sich kontinuierlich weiterentwickelnden Technik hat natürlich bei der Verbreitung enorm geholfen.

Was wir heute alltäglich lesen über die Ungefährlichkeit und Sicherheit der mobilen Technologien – das ist … also alles nicht wahr?

Es kommt darauf an, wo Sie lesen. Wenn Sie sich die Seiten von Diagnose Funk, einem bestens strukturierten Verbraucherschutz-Verein, oder die Seiten der Kompetenz-Initiative anschauen, stehen dort die von hochkarätigen Wissenschaftlern aus aller Welt gefundenen Risiken ebenso wie verständlich aufbereitete Hinweise für die Verbraucher. Die Mainstream-Medien allerdings orientieren sich an den Informationen der Mobilfunk-Lobby, was dann zu besagter Desinformation führt…

Was genau sind denn die hart belegbaren Fakten, die dringend unter die Menschen gehören, weil Politik und Mainstream-Medien ihnen diese vorenthalten?

Die Unsicherheiten in der Öffentlichkeit sind nicht etwa auf unklare Forschungsergebnisse, sondern auf den beherrschenden Einfluss der Industrie auf Politik, Wissenschaft und Medien zurückzuführen.

Das EMF-Portal – EMF steht für Elektromagnetische Felder –, Referenzdatenbank der WHO und der deutschen Bundesregierung, listete Mitte August 2016 23.499 Publikationen auf, von denen 5.753 Zusammenfassungen erstellt wurden. Davon sind 1.269 aus dem Bereich des Mobilfunks, von denen ca. 700 Studien biologische Effekte nachweisen! Wie gesagt, alles nachzulesen unter mobilfunk-studien.de.

Um welche Krankheiten und Risiken geht es dabei genau und wodurch entstehen sie?

In den USA wurden am 27. Mai 2016 die ersten Teil-Ergebnisse der Studie des National Toxicology Program, der bisher umfassendsten Tierstudie – an Ratten – zu nicht-ionisierender Strahlung und Krebs, vorgestellt. Sie wurde von der Regierung der USA mit 25 Millionen Dollar finanziert.

Das Ergebnis der NTP-Studie lautet: Mobilfunkstrahlung kann zu Tumoren führen. In der bestrahlten Gruppe der männlichen Ratten wurden Tumoren gefunden, und bei einer zusätzlichen Anzahl von Ratten präkanzerogene Zellveränderungen. In der Kontrollgruppe entwickelten sich keine Tumoren.

Zudem ist auch die Studienlage zum Thema Schädigung der Reproduktionsorgane – also bezüglich Hoden, Spermien, Eierstöcke, Embryos – nicht nur umfangreich, sondern überaus brisant. 130 Studien liegen hierzu vor: 57 zu den männlichen Organen und 73 zu den weiblichen. 13 systematische Überblicksstudien – sogenannte Reviews – kommen zu dem Schluss, dass ein hohes Gefährdungspotential vorliegt.

Der neue Bericht des Otto-Hug-Strahleninstituts „Unterschätzte Gesundheitsgefahren durch Radioaktivität am Beispiel der Radarsoldaten“ befasst sich unter anderem mit den Wechselwirkungen von Radar- und Mobilfunkstrahlung. Er kommt zu dem Schluss:

„Die Exposition durch Radarstrahlen wurde bislang von offizieller Seite und von der Radarkommission nur dann für gesundheitsschädlich gehalten, wenn die Leistungsdichte der Strahlung im Gewebe zu einer messbaren Temperaturerhöhung führt. Inzwischen liegen jedoch zahlreiche Untersuchungen über Effekte durch den Mobilfunk vor, dessen hohe Frequenzen ebenfalls im Mikrowellenbereich liegen. Diese zeigen, dass es bei langanhaltender Exposition auch unterhalb der sogenannten Wärmeschwelle zu irreparablen und krankhaften Störungen wie zum Beispiel zu Unfruchtbarkeit kommen kann. Kombinationswirkungen zwischen der ionisierenden und der nicht-ionisierenden Strahlung sind ebenfalls als mögliche Ursache der multiplen Krankheitsphänomene anzusehen, die bei den Radarsoldaten und -beschäftigten zu beobachten sind.“

Dieser Wechselwirkung kommt aktuell große Bedeutung zu. Nicht nur bei Anwohnern in der Nähe von Flughäfen und Militäreinrichtungen. Denn etwa auch das selbstfahrende Auto soll sich über eine Kombination von Radar, LTE, WLAN, Bluetooth und GPS steuern, das heißt, es wird zu einer neuen flächendeckenden Belastung von Mensch und Umwelt durch eine Kombination verschiedener Frequenzen kommen.

Neu ist auch, dass im August 2016 die österreichische Allgemeine Unfallversicherungsanstalt den ATHEM-Report II „Untersuchung athermischer Wirkungen elektromagnetischer Felder im Mobilfunkbereich", durchgeführt an der Medizinischen Universität Wien, veröffentlicht hat. Ein Anlass der Untersuchung war, dass in Italien das Kassationsgericht Rom, die höchste Gerichtsinstanz, erstmals den Gehirntumor eines Managers auf sein häufiges Mobiltelefonieren zurückgeführt hat. Der Kläger erhält hieraufhin eine 80prozentige Berufsunfähigkeitsrente zugesprochen.

Beim ATHEM-Projekt bestand ein Forschungsschwerpunkt aus Labor-Untersuchungen zum zellulären Mechanismus möglicher gentoxischer Wirkungen. Die Humanexperimente ergaben, dass, ich zitiere, die HF-EMF Exposition an Mundschleimhautzellen geringe gentoxische und zytotoxische Wirkungen hervorrufen kann. Bei Viel-Telefonierern fanden sich diskrete Hinweise auf die Kumulation der Wirkungen durch die Exposition“. Auch diese In-vitro-Ergebnisse bestätigen das Risikopotential.

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10 Kommentare

Ich habe nicht gesagt/geschrieben, dass ich nicht von Strahlung umgeben bin. Aber ich kann es ja minimieren, indem ich ein Mehr nicht anschalte.

Hallo Thomas, so weit ich die Studien richtig verstanden habe, sind es vor allem Kinder, für die eine Strahlenbelastung nicht ganz ungefährlich sein soll. Und vor allem für diejenigen, die Handys in einer Brusttasche oder Hosentasche tragen.

Wenn selbst Hersteller in ihren Gebrauchsanweisungen darauf hinweisen, dass der Abstand des Handys zur Haut mindestens anderthalb oder zwei Zentimeter betragen soll, scheinen sich die Hersteller der GEfahren zumindest bewusst zu sein.

Zudem: Es scheint eben nicht nur "Wärmeeffekte" bei gepulster Strahlung zu geben, sondern auch andere Wechselwirkungen mit organischem Gewebe sind wohl möglich.

Nur mal zur Erinnerung: Wie lange hat es gedauert, bis die Erkenntnis"Rauchen schadet der Gesundheit" Allgemeingut wurde?

... Du sagst es, Ha-Jo. Alles eine Lernphase ... und Erkenntnisphase - und damit dauert es dann meist ebenso lange.

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