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Der Kapitalismus: Eine Dokumentation in 6 Teilen

Hin und wieder wird klar, dass öffentlich-rechtliches Fernsehen tatsächlich eine Daseinsberechtigung hat. Die 6-teilige Dokumentation auf arte über die Ideengeschichte zum Kapitalismus ist wirklich sehenswert.

Wer sich nicht auf seinen Vorurteilen ausruhen will, sollte entweder auf youtube oder bei arte sich die einzelnen Episoden anschauen. Die Durchsetzungsgeschichte unseres Wirtschaftssystems war alles andere als ein Zuckerschlecken. Das Ausrotten ganzer Völker, Kolonialismus, Sklaverei und Menschenhandel sind in der Entstehungsgeschichte des Kapitalismus fest eingeschrieben.

Ob die Apologeten des "freien Marktes" heute immer wissen, wofür sie sich da einsetzen? Die Gedenk- und Feiertage anlässlich des Endes des "Systemwettbewerbs" nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialsimus sowjetischer Prägung, bieten reichlich Stoff über unser Wirtschafts- und Gesellschaftssysstem einmal gründlich nachzudenken.

Der Kapitalismus (1/6): Die Einführung
Der Kapitalismus (2/6) Adam Smith und der Wohlstand der Nationen
Der Kapitalismus (3/6) David Ricardo und Thomas Malthus, soll das Freiheit sein?
Der Kapitalismus (4/6) Und wenn Karl Marx doch Recht gehabt hätte?
Der Kapitalismus (5/6) Keynes versus Hayek, ein Scheingefecht?
Der Kapitalismus (6/6) Karl Polanyi, Wirtschaft als Teil des menschlichen Kulturschaffens

Die Wirtschaftswissenschaften in der heutigen Zeit entpuppen sich immer mehr als Glasperlenspiel, wie es Hermann Hesse in seinem meisterhaften Roman beschrieb. Das wäre nicht weiter schlimm, blieben die Volkswirte in ihrem Elfenbeinturm unter sich, und der Rest der Welt wäre vor ihnen sicher.

Wirtschaftswissenschaft als Glasperlenspiel

Leider ist dem nicht so. Landauf, landab werden die mit öffentlichen und privaten Mitteln hoch dotierten "Wissenschaftler" als Berater in der Politik und in der veröffentlichten Meinung herangezogen. Ihre Ratschläge beeinflussen das Leben von Millionen von Menschen in aller Welt.

Heiner Flassbeck schreibt dazu in einem Aufsatz aus dem Jahre 2004: "Im Grunde basiert die gesamte herrschende Lehre auf dem Ende des 19. Jahrhunderts von Leon Walras geschaffenen System des allgemeinen Gleichgewichts, das der klassischen Theorie der Ökonomie, die vorwiegend auf David Ricardo aufbaute, Schönheit und, durch die konsequente Einführung des Grenznutzenprinzips, logische Geschlossenheit gab.

In dieser Scheinwelt treffen sich jeden Morgen (zu Beginn der Marktperiode) alle am Wirtschaftsleben Beteiligte auf dem Markt und bieten die Produkte einschließlich ihrer eigenen Arbeit an, die sie zu verkaufen haben und fragen die Produkte nach, die sie benötigen. Es wird so lange getauscht und von anonymen Auktionatoren versteigert bis der Preis jedes Gutes genau gleich ist dem Grenznutzen, den das Gut in der am Markt gefundenen Verwendung stiftet.

Am Abend jeden Tages (am Ende der Marktperiode bzw. im allgemeinen Gleichgewicht) sind alle Güter und alle Produktionsfaktoren optimal auf die Volkswirtschaft verteilt, weil man den erzielten Nutzen jedes einzelnen Marktteilnehmers nicht mehr erhöhen kann, ohne den Nutzen eines anderen zu schmälern.

An Trivialität ist diese Vorstellung im Grunde nicht zu überbieten und doch hat das Prinzip des allgemeinen Gleichgewichts, wie Keynes es ausdrückte, schon seit den Zeiten von David Ricardo die Ökonomie so vollständig erobert wie die heilige Inquisition Spanien."

Daher ist es verdienstvoll, wenn die Dokumentation auf arte dazu beiträgt, dieses allzu simple Verständnis von Volkswirtschaftslehre aufzubrechen. Nur wenn eine Mehrheit der Menschen langsam aber sicher merkt, wie sie im Namen von "Wissenschaftlichkeit" durch den Kakao und über den Tisch gezogen wird, dann und nur dann sind gesellschaftliche Veränderungen in Richtung einer humaneren Gesellschaftsordnung möglich.

Keynes versus Hayek, ein Scheingefecht?

Der Wettstreit der Ideen zwischen dem österreichischen Wirtschaftswissenschaftler Friedrich von Hayek und seinem britischen Kollegen John Maynard Keynes hat das volkswirtschaftliche Grundkonzept ein ganzes Jahrhundert lang geprägt.

Beide Gelehrte wollten dem Kapitalismus nach der Depression der 30er Jahre - der bislang schwersten - zu neuem Schwung verhelfen. Die Dokumentation beleuchtet, warum und wie dieser Wettstreit in den 30er Jahren entschieden wurde und warum er seither immer wieder aufflammt, insbesondere seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008.

Karl Polanyi, Wirtschaft als Teil des menschlichen Kulturschaffens

Der ungarische Wirtschaftshistoriker und -wissenschaftler Karl Polanyi, der nach dem Ersten Weltkrieg an der Universität Wien und später in London und schließlich an der Universität New York lehrte, war seiner Zeit wahrscheinlich weit voraus: Seine Warnung davor, dass die Gesellschaft der Wirtschaft dienen werde, statt umgekehrt, findet im 21. Jahrhundert mehr Gehör als zu seinen Lebzeiten.

Polanyis Untersuchungen über die antiken Gesellschaften der Sumerer und Babylonier können aufschlussreiche Erkenntnisse über die Welt nach 2008 liefern, in der sich verschuldete Staaten totsparen müssen und demokratisch gewählte Volksvertreter den anonymen Entscheidungen der Finanzmärkte machtlos ausgeliefert sind.

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