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Wem gehört die Stadt?

Die Einflussnahme von Dr. Reinfried Pohl und seiner DVAG auf das Stadtbild und die Entwicklung der Stadt Marburg ist für jedermann im Nordviertel sichtbar. Aber der Ehrenbürger Pohl ist nicht zufrieden. Er wirft seinen Kritiker_innen Undankbarkeit vor und droht ziemlich unverhohlen mit wirtschaftlichen Konsequenzen, wenn er seinen Schrägaufzug nicht bekommt, für den er schließlich gespendet habe. Über drei Tage hinweg bot die Lokalzeitung Oberhessische Presse dem Patriarchen eine Plattform, um seine Befindlichkeiten auszubreiten. Die Drohung von Dr. Pohl scheint Wirkung zu zeigen. Der Oberbürgermeister Egon Vaupel ließ die verdutzten Bürger_innen ebenfalls via Lokalpresse wissen, dass bis Sommer eine Entscheidung in Sachen Schrägaufzug fallen werde. Wurde vor einem Jahr ein Zusammenhang zwischen Großspende und Schrägaufzug vehement bestritten, tritt der Zusammenhang nun offen zutage.

Hier die Stellungnahme der Fraktion Marburger Linke in der StVV der Universitätsstadt Marburg zu den angesprochenen Vorgängen:

Marburg auf dem Weg zur Pohl-City? Oder wessen Stadt ist die Stadt?

Kommunale Demokratie ausbauen, Reichtum besteuern und Investorenhörigkeit beenden

Die Fraktion der Marburger Linken betrachtet den massiven Einfluss von großen Kapitalgesellschaften auf die Stadtpolitik mit großer Sorge. Insbesondere die Art und Weise, in der die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) versucht, unserer Stadt ihren Stempel aufzudrücken, hat schon in der Vergangenheit von der Marburger Linken heftigen Widerspruch erfahren. Und die Marburger Linke bleibt dabei: Um die kommunale Demokratie zu erhalten und auszubauen, muss der Reichtum in dieser Stadt angemessen zur Kasse gebeten werden, anstatt ihm rote Teppiche auszurollen.

Als Marburger Linke bestehen wir darauf, dass die zentralen stadtentwicklungs-, bau – und verkehrspolitischen Entscheidungen nicht vom Gutdünken, den persönlichen Vorlieben oder unternehmenspolitischen Planungen eines Großinvestors, der sich selbst als Patriarch bezeichnet, dominiert, sondern von den demokratisch gewählten Gremien der Universitätsstadt Marburg sorgfältig diskutiert und entschieden werden. Der Abriss eines denkmalgeschützen Hauses in der Rosenstraße, welches den Plänen der DVAG, das Nordviertel umzugestalten, weichen musste, spricht ebenso Bände für eine Stadtpolitik, die finanzkräftigen Investoren den roten Teppich ausrollt, wie die öffentlich mit viel Spott goutierte Aussetzung von Rechtschreibregeln bei der Benennung einer Straße.

Wir erwarten, dass die demokratisch legitimierte Stadtregierung, der Magistrat, sich nicht vornehmlich an den vermeintlichen Interessen von angeblich 60.000 die Stadt besuchende Vermögensberatern, sondern an denen der gesamten Marburger Bevölkerung orientiert. Diesen Menschen ist der Magistrat, sind die Stadtverordneten in erster Linie verpflichtet - nicht den Wünschen und Interessen eines einzelnen Milliardärs und Firmenchefs. Die Marburger Linke ist der Auffassung, dass die alte Universitätsstadt an der Lahn zu schön, zu vielschichtig und zu vielfältig ist, um zu einem einzigen großen Ausbildungs-, Freizeit- und Konsumressort der DVAG entwickelt zu werden. Die Stadt hat es nicht nötig, vom großen Geld aus einem Dornröschenschlaf geweckt und beflügelt zu werden, sondern war und ist eine lebendige, weltoffene, tolerante Stadt, die vom Fleiß und Ideenreichtum ihrer arbeitenden Menschen, ihrer WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen lebt.

Die Marburger Stadtverordnetenversammlung ist kein Bittstellergremium, das mit Hurra-Rufen wie zu Kaisers Zeiten großzügige Spenden zu bejubeln und den Spenderwillen abzunicken hat. Sie ist keinesfalls - weder rechtlich noch moralisch verpflichtet – drei Millionen für einen Schrägaufzug zu bewilligen, nur weil eine Privatperson sich einen solchen wünscht. Sie kann und sollte auch andere Prioritäten setzen, wie den Ausbau des Marburger ÖPNV zu einem attraktiveren, preiswerten und flächendeckenden Angebot für SeniorInnen, SchülerInnen und alle Menschen, die den öffentlichen Nahverkehr nutzen wollen.

Die Marburger Linke lässt sich vom großen Geld weder kaufen noch einschüchtern. Wir lassen uns den Mund nicht verbieten. Von unseren WählerInnen haben wir den Auftrag erhalten, die Stadtentwicklung kritisch zu begleiten und uns für eine Stadt für alle Menschen einzusetzen. Ausdrücklich gehört dazu, das große Geld angemessen zur Kasse zu bitten, um Armut und Erwerbslosigkeit zu bekämpfen. Herr Dr. Reinfried Pohl wird damit leben müssen, dass sich eine Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung nicht seinem vermeintlich edlen Spenderwillen verpflichtet fühlt, sondern den vielen Menschen, die zwar den Reichtum in dieser Gesellschaft erarbeiten, aber nicht in den Genuss der Früchte ihrer Arbeit kommen.

Andere Parteien – ob im Bund oder in Marburg – mögen sich über Parteispenden von Herrn Dr. Reinfried Pohl und seinem Firmenimperium freuen. Die Marburger Linke lehnt Parteispenden von Unternehmen ab. Sie bergen immer die Gefahr, dass Politik käuflich wird.

Gerechte Steuern sind notwendig, um ein Gemeinwesen und seine vielen Aufgaben zu bezahlen. Anders als der Eindruck, den Herr Dr. Reinfried Pohl erweckt, ist das Nachkommen der Steuerpflicht keine freiwillige Goodwill-Angelegenheit, sondern eine gesetzliche Pflicht. Viele tausende MarburgerInnen zahlen regelmäßig ihre Steuern.

Die Marburger Linke hält auch nichts davon, ein Unternehmen zu hofieren, das von der Angst der Menschen lebt, ihren Lebensstandard nicht halten zu können. Das gilt nicht nur für die KundenInnen sondern auch die „selbstständigen" Vermögensberater, deren Einkommen von ihrer "Überzeugungskraft" abhängt, Produkte der mit der DVAG verflochtenen Firmen zu verkaufen oder selbst neue Vermögensberater zu gewinnen. Das Pohl-Imperium kann dabei auf die Parteien zählen, die von ihm großzügig unterstützt werden, die die sozialen Sicherungssysteme derart durchlöchert haben, dass die Menschen sich bei Firmen vom Schlage der DVAG "Rat" holen müssen, um sich privat abzusichern.

Es ist doch ein Ausdruck verkehrter Verhältnisse, wenn ein Mann wie Dr. Reinfried Pohl mit solchen Finanzgeschäften, deren Methoden von vielen scharf kritisiert werden, ein Privatvermögen von mehreren Milliarden anhäuft, während auf der anderen Seite Millionen Menschen in gesellschaftlich wichtigen Tätigkeitsfeldern zu Löhnen arbeiten müssen, die kaum zum Leben reichen. Im Finanzmarktkapitalismus werden die Reichen reicher und die Armen ärmer. In der Bahnhofstraße müssen viele Frauen in prekären Verhältnissen im Einzelhandel jobben, im benachbarten Waldtal müssen viele Menschen von Hartz IV leben, während im vom Dr. Reinfried Pohl gestalteten Rosenpark für 175 Euro pro Person mit einem Starkoch gekocht und geschlemmt wird . Die Ungerechtigkeit dieser Gesellschaftsordnung, die Spaltung in arm und reich, bekommt im Marburger Nordviertel ihr ganz konkretes Gesicht. Manche mögen sich darüber freuen, die Marburger Linke tut dies sicher nicht.

Wenn sich das große Geld einer gerechten Besteuerung entzieht, dann fehlen diese Steuereinahmen für dringend erforderliche Investitionen und Ausgaben im Bildungs- und Sozialbereich, für bezahlbaren öffentlichen Wohnungsbau, für die Schiene, den ÖPNV und den sozialökologischen Umbau. Und wenn Herr Dr. Reinfried Pohl damit wirbt, einen seiner Firmensitze aus Liebe zur Stadt nach Marburg verlagert haben, muss gefragt werden dürfen, ob neben romantischen Gefühlen zu seinem Lebensmittelpunkt, auch der niedrige Gewerbesteuerhebesatz, der extra vom Oberbürgermeister gesenkt wurde, für diese Entscheidung eine Rolle gespielt hat. Folgende Zahlen erhärten diesen Verdacht: Nach eigenen Angaben hat die DVAG in den Jahren 1996 bis 2010 76 Mio. Euro an Gewerbesteuer an die Stadt Marburg gezahlt. Wenn er seinen Firmensitz in Frankfurt am Main belassen hätte, hätte er 17,3 Mio. Euro mehr Gewerbesteuer zahlen müssen. Um diesen Unterschied auszugleichen, müsste noch viel gespendet werden. Zudem zeigt ein Blick auf die Zahlen: Ein höherer Gewerbesteuerhebesatz, wie ihn die Marburger Linke fordert, würde deutlich mehr Einnahmen in den städtischen Haushalt einbringen, als die Gewebesteuereinnahmen, die die Stadt von der DVAG erhält.

Für die Marburger Linke ist das Verhalten des Magistrats, im Dumpingwettbewerb mit den anderen Städten und Gemeinden, um den niedrigsten Gewerbesteuerhebesatz zu konkurrieren, zutiefst kritikwürdig. Was im Zeichen von Standortkonkurrenz und Wettbewerb für eine einzelne Kommune scheinbar Sinn ergibt, schadet am Ende der öffentlichen Hand und damit allen BürgerInnen, die auf einen gut finanzierten Sozialstaat angewiesen sind.

Die Marburger BürgerInnen können sich darauf verlassen: Die Marburger Linke bleibt verlässlich sozial. Sie wird dem großen Geld weder den roten Teppich auslegen, noch in den devoten Personenkult um einen Unternehmenspatriarchen einstimmen. Dafür geben wir uns nicht her.

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