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SPD: Das Godesberger Programm

Manchmal hilft ein Blick in die Vergangenheit, Entwicklungen in der Gegenwart zu verstehen. Die Mitglieder der SPD beschlossen 1959 in Godesberg ein neues Grundsatzprogramm, das bis 1989 Gültigkeit besaß. Auf lediglich 20 (!) Seiten legten die Genoss_innen die Wandlung ihrer Partei von einer marxistisch geprägten Partei der Arbeiterklasse zu einer linken Volkspartei dar. Damit öffneten sich die Sozialdemokraten für alle Schichten der bundesdeutschen Bevölkerung.

Allerdings war dieses Programm auch ein Beleg dafür, "dass uns allen klar ist, was die Sozialdemokratie will" wie Kurt Schumacher einst formulierte. Und nicht nur den Genoss_innen war das klar, sondern auch den Wähler_innen. Heutzutage scheint eben nicht mehr "allen klar" was die Sozialdemokratie eigentlich will.

Als Beleg hier die ersten vier Kapitel »Einleitung«, »Grundwerte des Sozialismus«, »Grundforderungen für eine menschenwürdige Gesellschaft« und »Die staatliche Ordnung«. Das Programm kann in Gänze hier nachgelesen werden.

Einleitung

Das ist der Widerspruch unserer Zeit, dass der Mensch die Urkraft des Atoms entfesselte und sich jetzt vor den Folgen fürchtet;

dass der Mensch die Produktivkräfte aufs höchste entwickelte, ungeheure Reichtümer ansammelte, ohne allen einen gerechten Anteil an dieser gemeinsamen Leistung zu verschaffen;

dass der Mensch sich die Räume dieser Erde unterwarf, die Kontinente zueinander rückte, nun aber in Waffen starrende Machtblöcke die Völker mehr voneinander trennen als je zuvor und totalitäre Systeme seine Freiheit bedrohen.

Darum fürchtet der Mensch, gewarnt durch die Zerstörungskriege und Barbareien seiner jüngsten Vergangenheit, die eigene Zukunft, weil in jedem Augenblick an jedem Punkt der Welt durch menschliches Versagen das Chaos der Selbstvernichtung ausgelöst werden kann. Aber das ist auch die Hoffnung dieser Zeit, dass der Mensch im atomaren Zeitalter sein Leben erleichtern, von Sorgen befreien und Wohlstand für alle schaffen kann, wenn er seine täglich wachsende Macht über die Naturkräfte nur für friedliche Zwecke einsetzt;

dass der Mensch den Weltfrieden sichern kann, wenn er die internationale Rechtsordnung stärkt, das Misstrauen zwischen den Völkern mindert und das Wettrüsten verhindert;

dass der Mensch dann zum ersten Mal in seiner Geschichte jedem die Entfaltung seiner Persönlichkeit in einer gesicherten Demokratie ermöglichen kann zu einem Leben in kultureller Vielfalt, jenseits von Not und Furcht.

Diesen Widerspruch aufzulösen, sind wir Menschen aufgerufen. In unsere Hand ist die Verantwortung gelegt für eine glückliche Zukunft oder für die Selbstzerstörung der Menschheit.

Nur durch eine neue und bessere Ordnung der Gesellschaft öffnet der Mensch den Weg in seine Freiheit.

Diese neue und bessere Ordnung erstrebt der demokratische Sozialismus.

Grundwerte des Sozialismus

Die Sozialisten erstreben eine Gesellschaft, in der jeder Mensch seine Persönlichkeit in Freiheit entfalten und als dienendes Glied der Gemeinschaft verantwortlich am politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben der Menschheit mitwirken kann.

Freiheit und Gerechtigkeit bedingen einander. Denn die Würde des Menschen liegt im Anspruch auf Selbstverantwortung ebenso wie in der Anerkennung des Rechtes seiner Mitmenschen, ihre Persönlichkeit zu entwickeln und an der Gestaltung der Gesellschaft gleichberechtigt mitzuwirken.

Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, die aus der gemeinsamen Verbundenheit folgende gegenseitige Verpflichtung, sind die Grundwerte des sozialistischen Wollens.

Der demokratische Sozialismus, der in Europa in christlicher Ethik, im Humanismus und in der klassischen Philosophie verwurzelt ist, will keine letzten Wahrheiten verkünden – nicht aus Verständnislosigkeit und nicht aus Gleichgültigkeit gegenüber den Weltanschauungen oder religiösen Wahrheiten, sondern aus der Achtung vor den Glaubensentscheidungen des Menschen, über deren Inhalt weder eine politische Partei noch der Staat zu bestimmen haben.

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist die Partei der Freiheit des Geistes. Sie ist eine Gemeinschaft von Menschen, die aus verschiedenen Glaubens- und Denkrichtungen kommen. Ihre Übereinstimmung beruht auf gemeinsamen sittlichen Grundwerten und gleichen politischen Zielen. Die Sozialdemokratische Partei erstrebt eine Lebensordnung im Geiste dieser Grundwerte. Der Sozialismus ist eine dauernde Aufgabe – Freiheit und Gerechtigkeit zu erkämpfen, sie zu bewahren und sich in ihnen zu bewähren.

Grundforderungen für eine menschenwürdige Gesellschaft

Aus der Entscheidung für den demokratischen Sozialismus ergeben sich Grundforderungen, die in einer menschenwürdigen Gesellschaft erfüllt sein müssen:

Alle Völker müssen sich einer internationalen Rechtsordnung unterwerfen, die über eine ausreichende Exekutive verfügt. Der Krieg darf kein Mittel der Politik sein.

Alle Völker müssen die gleiche Chance haben, am Wohlstand der Welt teilzunehmen. Entwicklungsländer haben Anspruch auf die Solidarität der anderen Völker.

Wir streiten für die Demokratie. Sie muss die allgemeine Staats- und Lebensordnung werden, weil sie allein Ausdruck der Achtung vor der Würde des Menschen und seiner Eigenverantwortung ist.

Wir widerstehen jeder Diktatur, jeder Art totalitärer und autoritärer Herrschaft; denn diese missachten die Würde des Menschen, vernichten seine Freiheit und zerstören das Recht. Sozialismus wird nur durch die Demokratie verwirklicht, die Demokratie durch den Sozialismus erfüllt.

Zu Unrecht berufen sich die Kommunisten auf sozialistische Traditionen. In Wirklichkeit haben sie das sozialistische Gedankengut verfälscht. Die Sozialisten wollen Freiheit und Gerechtigkeit verwirklichen, während die Kommunisten die Zerrissenheit der Gesellschaft ausnutzen, um die Diktatur ihrer Partei zu errichten.

Im demokratischen Staat muss sich jede Macht öffentlicher Kontrolle fügen. Das Interesse der Gesamtheit muss über dem Einzelinteresse stehen. In der vom Gewinn- und Machtstreben bestimmten Wirtschaft und Gesellschaft sind Demokratie, soziale Sicherheit und freie Persönlichkeit gefährdet. Der demokratische Sozialismus erstrebt darum eine neue Wirtschafts- und Sozialordnung.

Alle Vorrechte im Zugang zu Bildungseinrichtungen müssen beseitigt werden. Nur Begabung und Leistung sollen jedem den Aufstieg ermöglichen.

Freiheit und Gerechtigkeit lassen sich durch Institutionen allein nicht sichern. Alle Lebensbereiche werden zunehmend technisiert und organisiert. Dadurch entstehen immer neue Abhängigkeiten, die die Freiheit bedrohen. Nur ein vielgestaltiges wirtschaftliches, soziales und kulturelles Leben regt die schöpferischen Kräfte des einzelnen an, ohne die alles geistige Leben erstarrt.

Freiheit und Demokratie in der industriellen Gesellschaft sind nur denkbar, wenn eine ständig wachsende Zahl von Menschen ein gesellschaftliches Bewusstsein entwickelt und zur Mitverantwortung bereit ist. Ein entscheidendes Mittel dazu ist politische Bildung im weitesten Sinne. Sie ist ein wesentliches Ziel aller Erziehung in unserer Zeit.

Die staatliche Ordnung

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands lebt und wirkt im ganzen deutschen Volke. Sie steht zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. In seinem Sinne erstrebt sie die Einheit Deutschlands in gesicherter Freiheit.

Die Spaltung Deutschlands bedroht den Frieden. Ihre Überwindung ist lebensnotwendig für das deutsche Volk.

Erst in einem wiedervereinigten Deutschland wird das ganze Volk in freier Selbstbestimmung Inhalt und Form von Staat und Gesellschaft gestalten können.

Das Leben des Menschen, seine Würde und sein Gewissen sind dem Staate vorgegeben. Jeder Bürger hat die Überzeugung seiner Mitmenschen zu achten. Der Staat ist verpflichtet, die Freiheit des Glaubens und des Gewissens zu sichern.

Der Staat soll Vorbedingungen dafür schaffen, daß der einzelne sich in freier Selbstverantwortung und gesellschaftlicher Verpflichtung entfalten kann. Die DokumentGrundrechte sollen nicht nur die Freiheit des einzelnen gegenüber dem Staat sichern, sie sollen als gemeinschaftsbildende Rechte den Staat mitbegründen.

Als Sozialstaat hat er für seine Bürger Daseinsvorsorge zu treffen, um jedem die eigenverantwortliche Selbstbestimmung zu ermöglichen und die Entwicklung einer freiheitlichen Gesellschaft zu fördern.

Durch Verschmelzung des demokratischen mit dem sozialen und dem Rechtsgedanken soll der Staat zum Kulturstaat werden, der seine Inhalte von den gesellschaftlichen Kräften empfängt und dem schöpferischen Geist der Menschen dient.

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bekennt sich zur Demokratie, in der die Staatsgewalt vom Volke ausgeht und die Regierung jederzeit dem Parlament verantwortlich und sich bewußt ist, daß sie ständig seines Vertrauens bedarf. In der Demokratie müssen die Rechte der Minderheit neben den Rechten der Mehrheit gewahrt werden. Regierung und Opposition haben verschiedene Aufgaben von gleichem Rang; beide tragen Verantwortung für den Staat.

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands will in gleichberechtigtem Wettstreit mit den anderen demokratischen Parteien die Mehrheit des Volkes gewinnen, um Staat und Gesellschaft nach den Grundforderungen des demokratischen Sozialismus zu formen.

Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung sind getrennt voneinander dem Wohle des Ganzen verpflichtet. Die Gliederung der öffentlichen Gewalt in Bund, Ländern und Gemeinden soll die Macht verteilen, die Freiheit stärken und dem Bürger durch Mitbestimmung und Mitverantwortung vielfachen Zugang zu den Institutionen der Demokratie geben. Freie Gemeinden sind unerläßlich für eine lebendige Demokratie. Deshalb bekennt sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands zu den Grundsätzen der GlossarGemeindefreiheit einschließlich der bürgerschaftlichen Selbstverwaltung, die weiter auszubauen und auch finanziell zu sichern sind.

Die Verbände, in denen sich Menschen der verschiedenen Gruppen und Schichten zu gemeinsamen Zwecken zusammenschließen, sind notwendige Einrichtungen der modernen Gesellschaft. Sie müssen eine demokratische Ordnung haben. Je machtvoller sie sind, desto größer ist ihre Verantwortung, aber auch die Gefahr des Machtmißbrauchs. Die Parlamente, die Verwaltung und die Rechtsprechung dürfen nicht unter den einseitigen Einfluß von Interessenvertretungen fallen.

Presse, Rundfunk, Fernsehen und Film erfüllen öffentliche Aufgaben. Sie müssen in Freiheit und Unabhängigkeit überall und unbehindert Informationen sammeln, bearbeiten, verbreiten und unter eigener Verantwortung Meinungen bilden und aussprechen dürfen. Rundfunk und Fernsehen müssen ihren öffentlich-rechtlichen Charakter behalten. Sie müssen freiheitlich-demokratisch geleitet und gegen Interessentendruck gesichert sein.

Die Richter bedürfen der äußeren und inneren Unabhängigkeit, um im Namen des Volkes allein dem Recht zu dienen. An der Rechtspflege sind ehrenamtliche Richter gleichberechtigt zu beteiligen. Nur unabhängige Richter dürfen Kriminalstrafen aussprechen. Wirtschaftliche Überlegenheit oder Schwäche dürfen keine Folgen für den Rechtsweg oder für die Rechtsprechung haben. Die Gesetze müssen der gesellschaftlichen Entwicklung zeitgerecht angeglichen werden, damit sie nicht zum Rechtsbewußtsein in Widerspruch geraten, sondern der Verwirklichung der Rechtsidee dienen.

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38 Kommentare

Meine Standardanrede im Schriftverkehr stammt aus der Zeit, in der nichtverheiratete junge Frauen noch offiziell mit Fräulein angeredet wurden:
Sehr geehrte Damen, Herren, .........

Wäre folgende Form gendergerecht ?
Sehr geehrte Damen,Herren, ? + ~, ........

Ist es ein Wunder, dass sich die große Mehrheit der Öffentlichkeit über dieses "Gender"-Ansinnen lustig macht (wohlgemerkt, nicht über die betroffenen Menschen!)?

Sollen Briefe nun vielleicht neuerdings beginnen: Sehr geehrte Damen und Herren, Hermaphroditen, Homos und Lesben sowie Unentschiedene? Wohl kaum möglich, da dann sofort wieder "Gutmenschen" kämen, die ein Haar in der Suppe fänden: Es hieße nicht "Lesben" sondern man müsste den Ausdruck "the L-word" benutzen, da es sonst diskriminierend wäre! Man kann den Schwachsinn bis ins Unendliche steigern. In sich gefestigte Menschen ohne Minderwertigkeitskomplexe haben sowas nicht nötig!

> "Ich beuge mich nicht "den Macken meiner Lieben", sondern entscheide mich bewusst dafür, alle Menschen - unabhängig von ihrer geschlechtlichen Idendität - in meinen Ausdrucksformen anzusprechen. Und ich sehe nicht, warum mein Verhalten nicht das Verhalten der gesamten Bevölkerung sein sollte."

Wie gesagt: Ist ein Unterschied, ob man sowas im eigenen Dunstkreis privat macht oder ob man das anderen aufnötigen oder gar aufzwingen will. Wenn letzteres, dann sollte man mindestens ein paar Argumente haben...

> "Wenn Du anderer Ansicht bist, musst Du begründen"

Nee, siehe oben. Begründen muss der, der etwas erzwingen will.

> "weshalb Dir die Gefühle einer nicht unerheblichen Anzahl von Menschen völlig egal ist."

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