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Mindestlohn erhöhen - Missbrauch verhindern

Der gesetzliche Mindestlohn soll laut Bundesregierung einen „angemessenen Mindestschutz“ liefern. Doch die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag macht klar: Der Mindestlohn reicht nicht aus, das anerkannte durchschnittliche Existenzminimum (SGB II bzw. Hartz IV)) für einen in Vollzeit erwerbstätigen Single zu decken.

Bei einer Vollzeitstelle (durchschnittliche tarifliche Arbeitszeit von 37,7 Stunden) bringt der Mindestlohn ein monatliches Brutto von 1338,62 Euro. Davon gehen Sozialbeiträge und Steuern (358,38 Euro, Steuerklasse I, keine Kinder) ab. Netto bleiben 1040,27 Euro monatlich. Der durchschnittliche Bedarf alleinstehender Erwerbstätiger beträgt jedoch 1053 Euro (404 Euro Regelbedarf, 349 Euro Kosten der Unterkunft (im Bundesdurchschnitt) und ein Anspruch auf 300 Euro Erwerbstätigenfreibetrag.

Mindestlohn unterschreitet Existenzminimum

Um nicht mehr auf staatliche Transferleistungen angewiesen zu sein, dürften die Mietkosten nicht mehr als 336 Euro im Monat betragen. Wer sich mit Mietpreisen auskennt weiß, dass dies in vielen Fällen illusorisch ist, insbesondere in Ballungszentren. In München liegen die Kosten der Unterkunft für Singles nach dem Sozialgesetzbuch bei 492 Euro – 156 Euro über dem, was der Mindestlohn hergibt. In Frankfurt am Main bei schlagen die Kosten der Unterkunft mit 468 Euro zu Buche, in Stuttgart mit 423 Euro, in Hamburg mit 412 und in Düsseldorf mit 395 Euro.

Im Westen deckt der Mindestlohn bis auf wenige Ausnahmen nicht den Existenzbedarf. In Duisburg betragen die durchschnittlichen Unterkunftskosten genau 336 Euro, in Oberhausen sind es schon 345 Euro, im badischen Pforzheim 353 Euro. Im Osten sind die Unterkunftskosten in der Regel gedeckt. Ausnahmen sind Berlin (388 Euro) und Potsdam (368 Euro).

Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Anzahl der Aufstocker trotz Mindestlohn kaum rückläufig ist. Die Gesamtzahl der Haushalte, die zu Erwerbseinkommen zusätzlich Hartz-IV-Leistungen beziehen, sank zwar von Dezember 2014 auf Januar 2015 von 169.740 auf 157.797 (Singles: 36.124 auf 30.711). Von Februar bis Juli 2015 stieg die Zahl wieder an von 159.406 auf 170.688, Singlehaushalte von 30.645 auf 34.454. Die jüngste vorliegende Zahl für den Oktober 2015 zeigt einen leichten Rückgang auf 168.363 bzw. 32.715 (Singles).

Somit ist klar: Der Mindestlohn ist viel zu niedrig. Er sichert nicht mal das Existenzminimum, das mit den Regelsätzen bei Hartz IV und der Sozialhilfe offiziell vorgegeben ist – wobei diese ebenfalls an der gesellschaftlichen Realität gemessen viel zu niedrig angesetzt sind. In großen Teilen der alten Bundesländer und in Ballungsgebieten hängt man mit 8,50 Euro weiter am Tropf des Staates. Der Mindestlohn muss deutlich höher liegen, als derzeit in der Mindestlohnkommission angedacht wird.

Einige Details aus der Antwort

Nach Abzug von Steuern, Abgaben sowie dem nach SGB II angesetzten Regelbedarf von 404 und dem Freibetrag (300 Euro) bleiben vom Mindestlohn eines Vollzeitbeschäftigten noch 336 Euro monatlich, um die Kosten der Unterkunft zu decken (Frage 1)

Die durchschnittlichen Kosten der Unterkunft für Single-Bedarfsgemeinschaften lagen zum 1.1.2016 bei 349 Euro, also 13 Euro über dem Betrag, den der Mindestlohn hergeben würde. Die Kosten der Unterkunft variieren stark je nach Region, im Westen Deutschlands bleiben die Kosten aber nur in sehr wenigen Kommunen unter 336 Euro, im Osten dagegen liegen alle Orte mit ihren Kosten der Unterkunft unter 336 Euro, abgesehen von Berlin und Potsdam. (Frage 2)

Tatsächliche Kosten der Unterkunft für Düsseldorf: 395 Euro, Frankfurt am Main: 468 Euro, Hamburg 412 Euro, München 492 Euro, Stuttgart 423 Euro (Frage 2, 5)

Anzahl der sozialversicherungspflichtigen, vollzeitbeschäftigten Aufstocker/innen (ergänzende Leistungen nach SGB II) seit Einführung des Mindestlohns: Rückgang von Dezember 2014 zu Januar 2015 (169.740 auf 157.797), von Februar 2015 bis Juli deutlicher Anstieg auf 170.668, ab August bis Oktober leichter Rückgang auf 168.363 (jeweils Gesamtzahlen für das Bundesgebiet) (Frage 4)

der Mindestlohn unterschreitet die Niedriglohnschwelle von 9,30 Euro. (2/3 des Medianlohns, Stand 2013) (Frage 7)

Die Summe der Aufstockerleistungen kann wegen Umstellung der statistischen Verfahren nicht ermittelt werden (Frage 6)

Missbrauch beim Mindestlohn stoppen

In dieser Sitzungswoche fordert die Fraktion DIE LINKE eine Korrektur des Mindestlohngesetzes, um Missbrauch zu verhindern. Denn "wenn es darum geht, den Mindestlohn zu umgehen, werden manche Arbeitgeber regelrecht kreativ", sagt Klaus Ernst im Interview der Woche. Zudem fehle Personal für eine wirksame Kontrolle. Mittelfristig müsse der Mindestlohn auf zwölf Euro erhöht werden.

Frage: In Deutschland gibt es seit dem 1. Januar 2015 den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, für den gerade DIE LINKE jahrelang gekämpft hat. Was hat der Mindestlohn in den anderthalb Jahren nach seiner Einführung bewirkt?

Klaus Ernst: Rund vier Millionen Beschäftige haben vom Mindestlohn profitierten können. Das ist jeder zehnte Job. Massive Jobverluste gab es nicht. Die Kampagne der Arbeitgeberseite, durch den Mindestlohn könnten bis zu einer Million Jobs vernichtet werden, war pure Propaganda. Allein im Bereich der Minijobs ist ein Rückgang zu verzeichnen.

Jedoch wurde ein großer Teil dieser Stellen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt. Alle wirtschaftlichen Indikatoren seit der Einführung des Mindestlohns sind positiv. Der Arbeitsmarkt ist stabil. Die Beschäftigungsquote ist seit Einführung des Mindestlohns sogar gestiegen.

Aber: Noch immer sind durch Sonder- und Ausnahmeregelungen 1,5 Millionen Jobs vom Mindestlohn ausgeschlossen. So zum Beispiel junge Beschäftigte unter 18 Jahren, Praktikant*innen, Saisonarbeiter*innen und bis 2017 auch Zeitungszusteller*innen, sowie Beschäftigte in Branchen, in denen Übergangsregelungen gelten. Diese Ausnahmeregelungen gehören abgeschafft. Weiterlesen...

Sabine Zimmermann: Arbeitslosengeld muss die Existenz sichern!
Antrag: Mindestlohn sichern (PDF)

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22 Kommentare

"Bilde ich mir das alles nur ein?"

Nein, der ganze Laden wird seit Langem auf Verschleiß gefahren. Immer mehr Bürokratie, Misswirtschaft und Verschwendung. Für Leistungen an den Bürger bleibt da immer weniger übrig.

Aber das unbegrenztes Schuldenmachen absolut keine Lösung ist sieht man ja am Untergang von DDR und anderer sozialistischer/kommunistischer Staaten. Schau dir nur Venezuela an: die größten Ölreserven, aber dank sozialistischer Misswirtschaft nichts zu Essen.

"Es gibt in (fast) jeder Kommune Vergaberichtlinien. Und in diesen Richtlinien kann festgeschrieben werden, dass eben nicht das billigste Angebot berücksichtigt wird, sondern das Angebot bei dem Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden. "

Ich habe es so gelernt, dass das wirtschaftlichste Angebot genommen werden sollte. Leider wird aber die Kommune angreifbar, wenn nicht das billigste Angebot genommen wird. Fast schon logisch, dass dann, um sich die Arbeit zu sparen, gern wieder das billige Angebot den Zuschlag bekommt.

Ich als Unternehmer und Anbieter bearbeite öffentliche Ausschreibungen deshalb nicht mehr.

»Ich habe es so gelernt, dass das wirtschaftlichste Angebot genommen werden sollte.«

Da stellt sich immer wieder die Frage: Wer beurteilt das? Und nach welchen Kriterien? Deshalb sind Vorgaben, dass das "wirtschaftlichste Angebot" den Zuschlag bekommen soll, das Papier nicht wert, auf dem diese geschrieben sind.

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