Kreistag Marburg-Biedenkopf: Klimanotstand ausrufen
Die Fraktionen DIE LINKE und Bündnis90/Die Grünen beantragen die Ausrufung des Klimanotstandes im Landkreis Marburg-Biedenkopf
Zunächst reichten beide Fraktionen unterschiedliche Anträge mit demselben Ziel zur Kreistagssitzung am 27. Juni ein: Die Anstrengungen zu verstärken, den gefährlichen Anstieg der Oberflächentemperatur der Erde wirksam zu bekämpfen. In der Zwischenzeit verständigten sich in der Stadt Marburg Aktivisten vonFridays-for-future und der Klimagruppe Marburg, Magistrat und Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung (StVV) auf einen gemeinsamen Antragstext zum selben Thema. Der Text wurde im Umweltausschuss der StVV inzwischen mit großer Mehrheit gebilligt.
Weil in der Stadt Marburg die Beteiligten einen breiten Konsens zur Ausrufung des Klimanotstands und der lokal zu ergreifenden Maßnahmen erzielten, wurden die Formulierungen dieses Antrags auf die Verhältnisse im Landkreis übertragen. DIE LINKE und Bündnis90/Die Grünen gehen daher davon aus, dass der Text auch bei den Mitglieder des Kreistages große Zustimmung finden wird. Der Landkreis Marburg-Biedenkopf kann dann dem Beispiel vieler anderer Kommunen folgen, die in ihrem je eigenen Zuständigkeitsbereich ihre Anstrengungen deutlich erhöhen, den gefährlichen Anstieg der Oberflächentemperatur der Erde wirksam zu bekämpfen.
Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Klimanotstand
Beschluss:
Der Kreistag des Landkreises Marburg-Biedenkopf
- 1) ruft den Klimanotstand aus und erkennt damit die Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von höchster Priorität an. Die Klimakrise und ihre auch sozialen Implikationen sind die größte Herausforderung, die die Menschheit zu lösen hat. Zugleich ist mit ihr die Chance zur Erneuerung unserer Wirtschaft verbunden: Für zukunftsfähige Arbeitsplätze und sozialen Ausgleich, indem wir unser Gemeinwesen aus der unsicheren Abhängigkeit fossil-atomarer Energieimporte führen und stattdessen auf heimische Wertschöpfung setzen. Die Behebung dieser Krise muss fortan höchste politische Priorität innehaben. Dabei müssen gleichzeitig die wirtschaftlichen und sozialen Chancen genutzt werden. Dies muss bei jeder politischen Entscheidung und jedem Handeln der Exekutive berücksichtigt werden. Entscheidungen dürfen nicht zu Ungunsten der Pariser Klima-Ziele getroffen werden.
- 2) erkennt, dass die bisherigen Maßnahmen und Planungen nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Um dieses Ziel noch erreichen zu können, braucht es mutige Entscheidungen und Gesetzgebungen auf allen Ebenen.
- 3) verpflichtet sich, auf dem Gebiet des Landkreises Marburg-Biedenkopf bis zum Jahr 2030 Klimaneutralität zu erreichen.
- 4) berücksichtigt ab sofort die Auswirkungen auf das Klima bei jeglichen Entscheidungen, und bevorzugt Lösungen, die sich positiv auf Klima-, Umwelt- und Artenschutz auswirken und fordert den Kreisausschuss und die übrigen Kreisgremien auf, dasselbe zu tun;
- 5) fordert den Kreisausschuss auf, bei seinen Beschlussvorlagen Kreistag und Öffentlichkeit analog zur Haushaltswirkung auch über die Klimawirkung zu informieren und jährlich über Fortschritte und Schwierigkeiten bei der Reduktion der Emissionen Bericht zu erstatten.
- 6) beschließt einen mit unabhängigen, externen Fachleuten besetzten Klimabeirat zur Begleitung und Bewertung der Maßnahmen zur Erreichung des Klimaziels einzusetzen.
- 7) appelliert an andere Gebietskörperschaften, ebenfalls den Klimanotstand auszurufen und mutige, wirksame und sozial-gerechte Maßnahmen zu ergreifen, um eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf maximal 1,5° C zu erreichen.
- 8) fordert einen vollständigen Abbau bestehender Subventionen für fossile Energieträger und eine sozial gerecht ausgestaltete CO2-Bepreisung.
- 9) beauftragt den Kreisausschuss auf die bisherigen Beschlüsse und Pläne zum Klimaschutz in einem Bürger*innenbeteiligungsprozess gemeinsam mit Bürger*innen, Vereinen, Initiativen und sonstigen Expert*innen zu überprüfen und Ende des Jahres einen aktualisierten und ambitionierteren Aktionsplan vorzulegen, der konkrete Schritte zur Reduzierung der CO2-Emissionen auf Nettonull bis 2030, des Energieverbrauchs, der Steigerung der Energieeffizienz und des Ausbaus der Erneuerbaren Energien im Gebiet des Landkreises Marburg-Biedenkopf vorsieht.
- 10) Ab dem Haushaltsplan 2020 sind die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen zum Erreichen des Ziels bereitzustellen
Begründung:
Der menschengemachte Klimawandel zeigt zunehmend seine Wirkung und die wissenschaftlichen Prognosen lassen sich weiter verstärkende negative Folgen für die Menschheit und die Natur erwarten. Wirtschaftsinstitute prognostizieren Schäden in
Billionenhöhe, die um ein Vielfaches die Kosten für einen konsequenten Klimaschutz übersteigen. Angesichts der drohenden Verfehlung der nationalen Klimaschutzziele sind Umdenken und nachhaltiges Handeln erforderlich.
Die Landkreis Marburg-Biedenkopf kann in seinem Handeln zwar auf bisherige Beschlüsse und Pläne zum Klimaschutz aufbauen, muss aber angesichts der Entwicklung seine Anstrengungen verstärken. Er schließt sich daher dem zunächst in Konstanz ausgerufenen Klimanotstand an und legt einen aktualisierten und ambitionierteren Aktionsplan vor, wie wirkungsvoll Maßnahmen zum Klimaschutz umgesetzt werden.
Deutlich muss aber auch werden, dass ein Umsteuern auf kommunaler Ebene alleine nicht ausreichend ist. Daher werden alle Bemühungen unterstützt, die die Subventionierung fossiler Energieträger reduziert und die Einführung einer CO2-Bepreisung anstrebt.
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Gehen wir mit dem Begriff „Notstand“ nicht zu leichtfertig um?
KLIMANOTSTAND :
Viele Städte und Kommunen haben bereits den Klimanotstand ausgerufen.
Bei einem echten Notstand, oder auch Ausnahmezustand genannt, kann eine Demokratie für eine begrenzte Zeit ausgesetzt werden.
Dieses kann im Ernstfall zu einer Diktatur oder zur Anarchie führen.
Zwingend notwendig sind dann auch Notstandsgesetze, welche den Notstand regeln sollen.
Viele Städte und Kommunen haben aber bereits den Klimanotstand ausgerufen.
Aber ist das wirklich gerechtfertigt, oder schießt man hier "mit Kanonen auf Spatzen"?
Fotos und mehr unter:
https://www.myheimat.de/hattingen/politik/gehen-wi...
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