myheimat.de setzt auf dieser Seite ggf. Cookies, um Ihren Besuch noch angenehmer zu gestalten. Mit der Nutzung der AMP-Seite stimmen Sie der Verwendung von notwendigen und funktionalen Cookies gemäß unserer Richtlinie zu. Sie befinden sich auf einer sogenannten AMP-Seite von myheimat.de, die für Mobilgeräte optimiert ist und möglicherweise nicht von unseren Servern, sondern direkt aus dem Zwischenspeicher von Drittanbietern, wie z.B. Google ausgeliefert wird. Bei Aufrufen aus dem Zwischenspeicher von Drittanbietern haben wir keinen Einfluss auf die Datenverarbeitung durch diese.

Weitere Informationen

Karl-Theodor Bleek, ehemaliger Oberbürgermeister von Marburg, war NSDAP-Mitglied - hatte dies jedoch immer bestritten

Vor vier Wochen hatte ich bei „myheimat“ in einer weiteren Folge über die Biografien der Marburger Oberbürgermeister zu Karl-Theodor Bleek einen Beitrag eingestellt (Entwurf).

http://www.myheimat.de/marburg/politik/marburger-o...

In der Zwischenzeit hatte ich weitere Nachforschungen über die Vergangenheit von Karl-Theodor Bleek, ehemaliger Oberbürgermeister von Marburg, getrieben, da sich mir bei der Abfassung der Biografie starke Zweifel ergeben hatten. Meine Recherchen haben inzwischen ergeben, dass er 1945 im von den Amerikanern ausgegebenen Formblatt zu Angaben seiner Tätigkeiten in der NSDAP und 1946 vor der Spruchkammer zur Entnazifizierung jeweils eine Falschaussage gemacht hatte.

Nach einer Anfrage von meiner Seite beim Bundesarchiv Berlin erhielt ich von der Behörde, welche sämtliche NSDAP-Akten verwaltet, folgende Antwort:

Sehr geehrter Herr Gimbel,

„Bei den Recherchen in den personenbezogenen Beständen des
Bundesarchivs in Berlin konnten folgende Unterlagen zu Karl Theodor
Bleek, geb. 19.03.1898, ermittelt werden:

- eine NSDAP-Mitgliederkarteikarte
- eine Akte im Bestand NSDAP-Parteikorrespondenz (R 9361 II/83056),
enthält lediglich ein Personalblatt und ein Foto
- eine Personalakte des Reichsministeriums des Innern (R 1501/205018),
1923-1940
ca. 200 Seiten.“

Einige Kopien aus diesen Akten liegen mir vor: Seine Mitgliedsnummer war 8893812, seinen Parteieintritt hatte er am 18. Dezember 1941 beantragt, die Aufnahme erfolgte zum 1. Januar 1942.

Zur weiteren Information:

Bleek war hochrangiger Beamter in Breslau gewesen (Stadtkämmerer), hatte aber nach Kriegsende nach seiner Ankunft in Marburg immer bestritten, Mitglied der NSDAP gewesen zu sein. Er hatte sich in Marburg umgehend auf einer Stelle im öffentlichen Dienst beworben und war umgehend politisch tätig geworden (Mitbegründer der LDP, später FDP). 1946 wurde er in der Stadtverordnetenversammlung von der LDP als Oberbürgermeister vorgeschlagen - und er wurde gewählt.

Als Bleek zur Wahl des Oberbürgermeisters anstand, hatte seine Kandidatur bei vielen Marburger starke Bedenken hervorgerufen. Vor allem der vor ihm amtierende Oberbürgermeister Friedrich Dickmann klagte Bleek an, im Dritten Reich mit seinen Positionen, zuletzt als Stadtkämmerer von Breslau, von den Nazis profitiert zu haben. Zudem gab es Anschuldigungen, Bleek sei in Breslau Parteimitglied der NSDAP gewesen.

Dickmann selbst hatte - im Gegensatz zu Bleek - unter dem Nazi-Regime stark zu leiden gehabt, Widerstand geleistet und war mehrfach verhaftet worden. Ein Spruchkammerurteil zu Bleek wurde beantragt. Die Amtseinführung von Bleek wurde vom Ausgang des Urteils der Spruchkammer abhängig gemacht und sollte demnach erst nach Urteilsverkündung erfolgen.

Bleek vor der Spruchkammer

Der Gegenspieler von Bleek vor der Spruchkammer war Herr Pohnke (KPD). Dieser musste jedoch als Öffentlicher Ankläger kurz vor der Verhandlung ausscheiden, da ihm eine SS-Mitgliedschaft nachgewiesen worden war. Diese hatte er verschwiegen. Er wurde verhaftet.

Bleek hatte als Führer der LDP in Marburg starke Verbündete. Die LDP war in den Wahlen von 1946 als Sieger hervorgegangen. Von 10.120 abgegebenen Stimmen erhielt die LDP 4.090 Stimmen und 11 der 24 Mandate. Bei der Wahl nicht zugelassen waren 518 ehemalige Marburger NSDAP-Mitglieder. Sie hatten weder aktives noch passives Stimmrecht.

Bleek ging als klarer Sieger aus der Spruchkammer-Versammlung hervor. Seine Gegner konnten für ihre Anschuldigungen keine Belege erbringen. Eine „Amtshilfe“ aus Breslau war undenkbar. Es war auch nicht zu erwarten, dass dort noch Unterlagen vorhanden waren.

Hätte Bleek vor der Spruchkammer zugegeben, dass er NSDAP-Mitglied gewesen war, hätte er in keinem Fall als sein Amt Oberbürgermeister antreten können. Er wäre der Falschaussage überführt gewesen und höchstwahrscheinlich in Haft gekommen.

Oberbürgermeister Siebecke war wegen Falschaussage verhaftet worden

Ein Beispiel hierzu liefert die Verhaftung des ersten Oberbürgermeisters von Marburg nach 1945, Eugen Siebecke. Dieser hatte in dem Fragebogen der Amerikaner nicht angegeben, dass er in einigen Unterorganisationen der NSDAP Mitglied gewesen war. Als dies bekannt wurde, verlor er seinen Posten und wurde verhaftet. Neben der Falschangabe hatte man Siebecke noch die Bedrohung eines amerikanischen Offiziers vorgeworfen (was Siebecke bestritten hatte).

Siebecke wurde zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Strafe hat er abgesessen. Fatal für Siebecke war dabei, dass seine Angabe von Mitgliedschaften in Unterorganisation der NSDAP kein Hindernis gewesen wäre, das Amt des Oberbürgermeisters anzutreten. Für die Amerikaner war jeweils entscheidend die Mitgliedschaft in der NSDAP.

Hätte Bleek von Beginn an seine Mitgliedschaft in der NSDAP angegeben, so hätte er schon 1946 vor der Spruchkammer durchaus Chancen gehabt, zwar nicht als „unbelastet“ (Gruppe 5), aber als „Mitläufer“ (Gruppe 4) eingestuft zu werden. Diese Einstufung hatten mehrere Marburger NSDAP-Mitglieder erhalten, wenn ihnen keine besonderen Straftaten nachgewiesen werden konnten.

Eine Einstufung in Gruppe 5 setzte jedoch voraus, dass sie nachweisbar - trotz Mitgliedschaft - Widerstand gegen Maßnahmen der Partei geleistet hätten und dadurch in KZ-Haft gekommen wären. Dies war offenkundig bei Bleek nicht der Fall. Von ihm wurden keine Taten mit Widerstand gegen die Partei dargelegt.

Fazit:

Mit der Angabe, dass er Parteimitglied gewesen war, hätte Bleek nicht das Amt eines Oberbürgermeisters von Marburg übernehmen können. Man hätte ihn sicherlich auch nicht vorgeschlagen. Voraussetzung für seine Karriere war seine Falschaussage, dass er kein Mitglied der NSDAP gewesen sei.

Karrieredaten von Karl-Theodor Bleek nach 1945:

- Oberbürgermeister von Marburg - 1946-1951, er folgte 1951 einem Ruf nach Bonn:
- 2.Staatssekretär im Innenministerium - 1951-1957
- Staatssekretär im Bundespräsidialamt - 1957-1961

zurück in Marburg mit mehreren Ehrungen, z. B. Straßenbenennungen

- Karl-Theodor-Bleek-Platz und Karl-Theodor-Bleek-Steg

Konsequenzen:

Am 24. August 2016 habe ich den Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies über meine Recherchen und das Ergebnis der - von Bleek immer verschwiegenen - Mitgliedschaft des ehemaligen Oberbürgermeisters von Marburg informiert.

Über die Antwort des Oberbürgermeisters werde ich an dieser Stelle umgehend berichten.

Weitere Beiträge zu den Themen

BundesarchivMarburgAnno dazumalVermischtes -überregional-OberbürgermeisterNah & FernNSDAP

11 Kommentare

Gibt es inzwischen Informationen zur Frage: Und wer bezahlt die Kosten für Steuerzahler und Bürger, durch ideologische Umbenennungen auf Wunsch winziger Minderheiten entstehen? Die Anhänger der Umbenennungen?

Pohnke war kein SS-Mann. Bis zu seinem Tode im Jahre 1976 blieb er überzeugter, aber am realen Sozialismus der DDR desillusionierter Kommunist. Er ist mehrmals zu Gedenkveranstaltungen in die DDR gereist. Im Weimarer Gewerkschaftshaus hat er anläßlich des 10jährigen Befreiungstages des KZ-Buchenwaldes vor vielen ehemaligen KZ-Häftlingen eine Rede gehalten. Die angebliche SS-Mitgliedschaft war eine Verleumdung, um Bleek als Kandidaten In der Spruchkammer durchzuwinken.
Mein Vater wußte nicht nur von Bleeks NSDAP-Mitgliedschaft, sondern auch von Verstrickungen als Kämmerer von Breslau. Beide Tatsachen hätten Bleek als Oberbürgermeister-Kandidaten unakzeptabel gemacht. Die neuere Forschung bestätigt die NSDAP-Miliedschaft. Mein Vater hatte reichlich Kontakt mit der SS, wovon man sich anhand zahlreicher Foltermale auf seinem Rücken überzeugen konnte.
Dr. med Hubert Pohnke

Da es für die SS-Mitgliedschaft meines Vaters Paul Pohnke keinen Beleg gibt, darf ich Sie freundlich bitten, entsprechende Passagen über den öffentlichen Ankläger der Spruchkammer Marburg zu korrigieren oder Beweise für diese Behauptung vorzulegen.

Dr. med. Hubert Pohnke

Beteiligen Sie sich!

Hier können Sie nur eine begrenzte Anzahl an Kommentaren sehen. Auf unserer Webseite sehen Sie alle Kommentare und Ihnen stehen alle Funktionen zur Verfügung.

Zur Webseite

Themen der Woche

Botanischer GartenRP GießenMarburgSpiegelslustturmGemüsegartenSpiegelslust MarburgFriedhofsamt MarburgHeilige ElisabethZerstörungKaiser-Wilhelm-TurmWintergemüseKriegsgräberfeld