Fronhofschule in Marburg besetzt - Erklärung der Hausbesetzer_innen
Gestern Abend - genaue Uhrzeit ist mir nicht bekannt - wurde in Marburg die alte Fronhofschule in der Schulstrasse besetzt.
Dazu die Erklärung der Besetzer_innen im Wortlaut:
"Für unser Recht auf unsere Stadt!
Wohnraum vergesellschaften, soziale Zentren schaffen!
Wohnraum wird in Marburg und anderswo zunehmend unbezahlbar, während ganze Städte für Investor_innen und Makler_innenbüros ein immer attraktiverer Standort werden. Menschen werden aus der Innenstadt und ihren Wohnungen gedrängt und auf Wohnungssuche werden wir zu anderen Menschen in Konkurrenz gesetzt. Die Probleme Wohnungsnot, Mietwahnsinn und die Zurückdrängung öffentlichen Raumes kommen nicht von ungefähr.
Die Stadt setzt seit Jahren auf freien Wohnungsmarkt statt sozialen Wohnungsbau, auf private Investor_innen statt auf die Finanzierung von Wohnungsbaugenossenschaften, auf freien Markt statt Sozialquote, auf Verwertung statt Selbstverwaltung.
Es reicht! Wir nehmen uns heute dieses Haus und setzen so ein deutliches Zeichen und gehen die Probleme nun selbst und gemeinsam an!
Wir wissen, dass die herrschende Situation Ausdruck politischer Entscheidungen und kapitalistischer Inwertsetzung ist. Auch der Umgang mit diesem Haus wurde selbiger Logik unterworfen. So wurde auch das Gebäude der Fronhofschule von der Stadt dem freien Markt zugänglich gemacht, schließlich an die meistbietende Person für 1,1 Millionen Euro verkauft und damit privatisiert.
2006 wurden die Bewohner_innen des selbstverwalteten antifaschistischen studentischen Wohnheims „Collegium Gentium“ von der Uni alternativlos aus ihren Wohnungen geschmissen. Die anschließende Besetzung der ehemaligen Frauenklinik wurde noch in der selben Nacht auf Veranlassung der Uni geräumt und das Gebäude danach unbewohnbar gemacht - ja, wir sprechen über die Frauenklinik, die bis vor wenigen Wochen ganze 6 Jahre lang stand. Aber eben leer!
Dagegen setzen wir unseren Widerstand! Kommt rein ins Haus! Beantworten wir endlich gemeinsam die Frage „Was tun?“
Ideen gibt es genug: In Berlin wurde nach spanischem Vorbild vor kurzem mit mehreren Menschen gemeinsam mehrfach eine Zwangsräumung verhindert. Deswegen erklären wir uns auch mit der heutigen Demo in Berlin solidarisch - keine Zwangsräumungen nicht in Berlin und nirgendwo!
Auch in in Frankfurt/Main kam es im Dezember und in Göttingen erst vor wenigen Wochen ebenfalls zu Hausbesetzungen. Außerdem beweisen lokale Mietshäusersyndikate wie das Bettenhaus oder andere Hausprojekte tagtäglich, dass es möglich ist den eigenen Wohnraum bezahlbar zu gestalten und ihn selbst und demokratisch zu verwalten. Voraussetzung dafür ist aber, Häuser dem Markt, also der kapitalistischen Verwaltungs- und Eigentumslogik zu entziehen!
Wir wollen nicht nur wohnen, sondern auch leben! Dafür braucht es mehr selbstverwaltete und öffentliche Räume, die auf nicht kommerzieller Basis für politische Arbeit, Veranstaltungen, Theater, Bandproben oder einfach als Aufenthaltsort zur Verfügung stehen.
Wir sind der Meinung, dass wir alle an der Produktion und Reproduktion dieser Stadt und was sie ausmacht beteiligt sind. Wir haben alle das kollektive Recht nicht nur auf das Entstandene, sondern auch auf die Entscheidung darüber, was wo und wie entstehen soll Einfluss zu nehmen.
Dafür nehmen wir uns heute dieses Haus, setzen gemeinsam ein Zeichen und schaffen einen Raum für Diskussion und Planung: Ein Haus für alle die nicht einverstanden sind! Ein herrschaftsfeier Raum ohne Ausgrenzung, mit gegenseitigem Respekt - die Tür ist offen! Die Verwertungslogik zurückdrängen! Bedürfnisse statt Profite!
Wohnraum vergesellschaften. Soziale Zentren schaffen!
Für unser Recht auf unsere Stadt! KOMMT VORBEI!
+++ 9./10. Februar 2013 +++ alte Fronhofschule +++ Schulstraße 14 +++Marburg"
In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auch auf die aktuelle Situation in Spanien aufmerksam machen.
Anti-Zwangsräumung-Aktivist begeht Selbstmord
http://uhupardo.wordpress.com/2013/02/09/5126/
Der/Das Blog von Uhuprado berichtet regelmäßig, sachlich und sehr informativ u.a. über dieses Thema, wie insgesamt über die Abartigkeiten des Kapitalismus und dessen Auswirkungen auf die Menschen in Spanien und anderswo.
Ein Aufruf zum stöbern:
http://uhupardo.wordpress.com/
Den Hinweis von Uhupardo auf dieses Video, in dem sich Spanier_innen an die Deutsche Bevölkerung wenden möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:
"Jetzt ist sie da, jetzt in diesem Moment, die Spanien Rettung
Die sogenannte Rettung, die das Volk nicht vor Armut und Arbeitslosigkeit schützen, sondern die Banken belohnen wird, die uns in diese Krise gestürzt haben.
Die deutschen Banken und Politiker, Eure Banken und Politiker manipulieren euch. Sie sagen dass der ehrliche und fleissige deutsche Arbeiter die Rechnung für die spanische Fiesta und Verschwendung bezahlt.
Und jetzt müssen wir für unsere Sünden büssen und müssen die strengste Enthaltsamkeit ertragen bis alles zurückgezahlt ist was wir Euch schulden.
Aber wir, die spanische Mittelklasse, haben nicht über unsere Verhältnisse gelebt. Es waren vielmehr unsere Banken, unsere Immobilienfirmen und unsere Politiker die uns über unsere Verhältnisse bestohlen haben.
Und die deutschen Banken und Politiker haben zu unserem Unglück ihr Scherflein beigetragen. Und obwohl wir diese Krise nicht verursacht haben ist sie doch da, hier und jetzt. Die privaten Schulden der Banken wurden in öffentliche Schulden umgewandelt. Die Bänker und Politiker haben die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert. Unsere Rechte, der öffentliche Dienst, ja, und die Demokratie selbst, sind in grosser Gefahr. Die deutsche Regierung, die Europäische Union, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds regieren in Spanien. Aber wir haben sie nicht gewählt!
Wir Völker müssen uns gegen die Versklavung der korrupten Institutionen und die Finanzspekulation wehren.
Lasst uns das Europa der Händler zur Geschichte machen. Lasst uns für ein Europa der Bürger kämpfen."
http://www.youtube.com/watch?v=Ibem1pX78Dw&feature...