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Alternativantrag: Unwort des Jahres 2014?

Marburg, 12. Juli 2014

In diesem Beitrag auf myheimat wurde berichtet, dass die Fraktion DIE LINKE im Kreistag Marburg-Biedenkopf einen Antrag zur Unterstützung der Mitarbeiter_innen der Firma Johnson-Controls im Kampf um ihre Arbeitsplätze einbrachte.

Von Alternativlosigkeit, Alternativanträgen und anderen bemerkenswerten Sachverhalten

Einen Tag vor der Kreistagssitzung präsentierte die Koalition aus SPD und CDU im Landkreis einen "Alternativantrag" zum Vorschlag der Fraktion DIE LINKE. Der Unterschied: Die Koalition bedankte sich auch noch artig bei der Landrätin für ihr bisheriges Bemühen. Die Opposition im Kreistag war pikiert.

Diesen Vorgang kommentierte Dr. Ingeborg Cernaj in der Kreistagssitzung:

In der so genannten „großen Politik“ sind die Beschlüsse von Bundesregierung und Bundestag fast immer „alternativlos“. Und zwar so oft, dass das Wort „alternativlos“ im Jahre 2010 zum Unwort des Jahres avancierte. Der Germanist Horst Schlosser, von der Gesellschaft für deutsche Sprache begründete diese Auszeichnung folgendermaßen: „Das Wort suggeriert sachlich unangemessen, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und damit auch keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation gebe.“

In der so genannten "kleinen Politik", auch Lokalpolitik oder Kommunalpolitik, zum Beispiel im Kreistag des Landkreises Marburg-Biedenkopf, grassiert das Institut „Alternativantrag“ und zwar so oft, dass der „Alternativantrag“ beste Chancen hat, Unwort des Jahres 2014 zu werden. Die Begründung wird lauten: „Der Alternativantrag“ suggeriert sachlich unangemessen, dass bei einem Entscheidungsprozess zwingend eine Alternative zu Formulierungen der Fraktion DIE LINKE zu suchen ist, um damit die Notwendigkeit einer Scheindiskussion und Scheinargumentation zu behaupten. Der Überschwängliche Dank an hauptamtliche Wahlbeamte in diesen Alternativanträgen begünstigte diese Entscheidung“.

P.s.: Auf Initiative der Fraktion Bündnis90/Die Grünen wurde der Antrag der Fraktion DIE LINKE um das Wort "weiterhin" ergänzt. Der so geänderte Antrag fand eine sehr breite Mehrheit im Kreistag. Ein in jeder Hinsicht bemerkenswerter Vorgang.

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8 Kommentare

»Wenn du fragst, ob man über jeden ideologischen Bohei um Begriffe (von A-lternativlos bis Z-igeuner) genervt reagiert: Ja, ich schon ;) Besonders, wenn mit dem Bohei von den tatsächlichen Problemen ablenkt, die mit dem Begriff zusammenhängen... «

Also wer den Artikel so liest, dass in diesem Artikel ein "uncooler Krieg um Begrifflichkeiten" geführt wird, sorry, aber das kann ich nicht nachvollziehen.

Es geht um den - ironisch kommentierten - Vorgang, dass im Kreistag Marburg-Biedenkopf von der übergroßen Mehrheit immer wieder angebliche "Alternativen" zum Begehren einer kleinen Fraktion präsentiert werden. Die "Alternativen" unterscheiden sich jedoch meist nur in winzigen Details von den ursprünglichen Anträgen. Der einzige Effekt: Die Mehrheit muss nicht einem Antrag einer Minderheit zustimmen, obwohl dies sachlich gegeben wäre. Und das nenne ich kindisch.

> "Der einzige Effekt: Die Mehrheit muss nicht einem Antrag einer Minderheit zustimmen, obwohl dies sachlich gegeben wäre. Und das nenne ich kindisch."

Ja, das auch ;)

Ich will sicher niemandem persönlich zu nahe treten, Hans-Joachim. Verstehe die Ausführungen zum neuen "Unwort" aus dem Kontext als Gefühlsausbruch einer gefrusteten Gruppe.

Rein sachlich gesehen, sehe ich schon, dass man der Ansicht sein kann, die Vokabel 'alternativlos' sei ein sehr unpassender Begriff, denn sie kann dazu missbraucht werden, Diskussionen abzuwürgen und das ist im analysierenden, diskutierenden Deutschland, in dem auch gerne noch das dünnste Haar gespalten wird, fast schon ein Verbrechen. Aber man sagt uns eben nicht nur nach, das Land der Denker zu sein sondern auch das der Dichter. Und so lassen sich mit ein und derselben Wurzel - egal in welchem Wort mit welchem Gesamtsinn sie auftaucht - auch wunderbare Geschichten dichten.

Nein: 'Alternativantrag' scheint mir eher ein Wort zu sein, das von lebendiger Demokratie zeugt, denn die Demokratie (ist sie nicht "Volksdemokratie" - was für ein Wort!) lebt von der Existenz unterschiedlicher Meinungen.

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