Wer war schuld am ersten Weltkrieg? Eine Artikelserie der "Prawda" 1919.
In der "Prawda", dem Zentralorgan der KPDSU, erschien vom 28.2. bis zum 9.3. 1919 eine Serie von drei Artikeln unter dem Titel "Zur Frage nach den Urhebern des Weltkrieges." Als Autor zeichnet ein M. Pokrowski (Moskau). Einen solchen kann ich aber nicht ermittlen. Doch hieß der letzte Außenminister des Zarenreiches N. Pokrowski und der Autor bemerkt an einer Stelle, daß er bereits 1915 an einem Sammelwerk "Äußere Politik" mitgearbeitet habe. Ich vermute deshalb, daß es sich um einen "nom de plume" handelt. Der Schreibstil der Artikel ist von demselben Sarkasmus und derselben feinen Ironie, die typisch sind für die Schriften Lenins. Ich gehe deshalb davon aus, daß der Autor W.I. Lenin heißt.
Die Kernaussage der Artikel, die ich im "Deutschen Weißbuch über die Schuld am Kriege" des Auswärtigen Amtes (1919) fand, ist: Die russische Diplomatie der Vorkriegszeit liebäugelte - angereizt durch Frankreich - mit dem Gedanken, den Bosporus und Istambul zu besetzen. Doch die Türkei hatte mächtige Verbündete. Der letzte Absatz des zweiten Artikels lautet:
"Das Programm war also gegeben; den Überfall Rußlands auf die Türkei wird England nicht dulden. Wenn aber wegen der Meerengen Deutschland in den Kampf verwickelt wird, ist die Mitwirkung der Engländer gesichert. Um von der "Tür vor dem eigenen Hause" Besitz zu ergreifen, muß man folglich einen solchen Krieg hervorrufen, wo die Deutschen unbedingt auf dem Schauplatz sind. .."
Und wie ruft man den hervor? Die Antwort ist bekannt.
Im dritten Artikel, erschienen am 9.3. 1919 (Prawda Nr. 7) zitiert der Autor ein Telegramm des britischen Außenministers Sir Edward Grey vom 22.7. 1914, in dem sich dieser besorgt über den Ausgang der gerichtlichen Untersuchung des Mordes an Franz Ferdinand äußert: ""Möglicherweise" - lesen wir hier - "wird als Ergebnis der gerichtlichen Untersuchung in Sarajewo eine Aufklärung der
Tatsache erfolgen, daß der Mord auf serbischem Territorium aus Nachlässigkeit seitens der serbischen Regierung vorbereitet wurde."
Die Diplomaten sind doch scharfsinnige Leute, muß man sagen, sie sehen drei Ellen tief in die Erde hinein! Die gerichtliche Untersuchung war noch nicht begonnen, Grey sah aber schon ihr Ergebnis voraus." England war also eingeweiht, wenn nicht sogar Mittäter!
Noch deutlicher als hier hatte Lenin diese Gedanken schon in einem am 1.11. 1914 im "Sozial-Demokrat" erschienenen Artikel ("Der Krieg und die russische Sozialdemokratie") zum Ausdruck gebracht:
"In Wirklichkeit hat aber diese Bourgeoisie (nämlich die englische und französische HR) für ihre Milliarden schon seit langem die Truppen des russischen Zarismus, der reaktionärsten und barbarischsten Monarchie Europas, zum Überfall auf Deutschland gedungen und bereitgestellt. In Wirklichkeit ist das Ziel, für das die englische und französische Bourgeoisie kämpft, die Eroberung der deutschen Kolonien und die Ruinierung der konkurrierenden Nation, die sich durch raschere
ökonomische Entwicklung auszeichnet."
Was hier zum Vorschein kommt, ist die Tatsache, daß Rußland selber Opfer gewesen ist, ja geopfert wurde durch die Sasonow-Iswolski-Clique, durch englisch-französische Marionetten! In der Tat waren in der Vorkreigszeit riesige Kapitalmengen, insbesondere aus Frankreich, in Rußland investiert worden, woraus eine totale Abhängigkeit von Frankreich und England resultierte. Im "Russischen Orangebuch von 1914" findet sich auf Seite 143 ein Telegramm Sasonows an seinen Vorgänger im Amt des Außenministers, den damaligen russischen Botschafter in Paris Iswolski, vom 31. 7. 1914, in dem diese Abhängigkeit klar zutage tritt:
"Es ist notwendig, daß unsere Hauptgläubiger, d.h. die französischen Banken, nach Möglichkeit ihre Forderungen auf Zahlungen aufschieben und uns dadurch Zeit lassen, unsere Valuta gegen auf dem Markte fehlende ausländische umzutauschen. Auf Bitte des Finanzministers bitte ich Sie, sich der Einwirkung der französischen Regierung auf die Bankkreise im entsprechenden Sinne zu versichern.
Bisher erschienen:
http://www.myheimat.de/marburg/kultur/belgische-ak...
Sagenhafter Beitrag !!
Chapeau !