WAS IST EIN SUPERSTAR?
Teneriffa. Schaltet man heutzutage die Glotze an, so sieht man sich unrettbar Superstars, VIPs, Celebreties und Weltstars auf Klick und Zap ausgeliefert. Da denke ich so vor mich hin, dass meine Familie und ich wahrscheinlich die einzigen verbliebenen Exemplare des „homo normalo“ sind. Alle anderen „Normalos“ müssen wohl ausgestorben oder in jene aufdringlichen Edelexemplare „travestiert“ worden sein. Doch das ist nur der erste Eindruck – und der täuscht bekanntlich. Nach wenigen Sekunden wird klar, dass es sich bei den gezeigten Exemplaren eher um provinzielle Möchtegern-Sternchen ohne Leuchtkraft handelt, deren Namen, obwohl sie sich unnötiger- und peinlicherweise bis auf die Haut „outen“, über kurz oder lang keiner mehr kennt. Also nennen wir sie logischerweise einfach „Einweg-Geilies“ oder „Ex-und Hopp-Nieten“.
Andererseits gibt es auf dieser (noch) schönen Erdkugel Menschen, die man getrost als „Star“ oder gar „Superstar“ bezeichnen kann. Es ist allerdings eine rare Spezies, die man erst bei genauerem Hinsehen erkennt – also nicht „zap und weg!“ Glücklicherweise kann ich einen solchen echten Weltstar zu meinen Freunden zählen, und weil ihn keiner von Euch kennt, stelle ich ihn jetzt hier vor.
Eddie Alpuerto Mahinay wurde am 14. Mai 1938 in einem Dorf in der Provinz Negros Oriental in den Philippinen geboren. Wie viele seiner Landsleute begann er, das Singen von amerikanischen Schlagern und Popmusik zu seinem Hobby zu machen. Mit 22 Jahren – man schrieb das Jahr 1960 - machte er seinen „Bachelor of Arts“ an der Foundation University in Dumaguete City und hatte inzwischen aus seinem Hobby einen Beruf als Sänger gemacht. Er gewann mit seiner flexiblen Bariton-Stimme einige wichtige Pop-Gesangswettbewerbe und gründete seine eigene Band „Cadet Combo Club“, mit der er durch das große Land zog. In der Hauptstadt Manila – ein Jahr später - engagierte ein amerikanischer Musikagent die Band zur Truppenbetreuung für zwei Monate in Okinawa, Japan und für weitere zwei Monate in Taipeh, Taiwan. Die Amerikaner zahlten gut und in harten Dollars. Deshalb konnte es sich die Band leisten, zurück zu fliegen und im eigenen armen Lande zu kleinen Gagen aufzutreten.
1963 kam durch einen privaten Kontakt ein Engagement in Bangkok, Thailand zustande. Für ein Jahr trat Eddie dort im damals berühmtesten Nachtclub Thailands, dem „Naturist Club“ auf. Besitzer des Clubs war eine der Ehefrauen des damaligen Premierministers Sarit Thanarat, in dessen Palast Eddie und Band ebenfalls aufspielten. 1964 folgte ein einjähriges Engagement in Hong Kong, wo die Band durch TV und Radio-Auftritte populärer als die Beatles wurde. Große Hotels wie das „Sheraton“ waren Arbeitgeber für Eddie und seinen „Cadet Combo Club“.
In 1965 war es wieder ein Amerikanischer Musikagent, der Eddie aus Hong Kong nach Saigon, Vietnam wegengagierte. Dort sollte Eddie zusammen mit seiner Frau, die ebenfalls Sängerin war, bis 1971 für die amerikanischen Truppen im ganzen Land singen. Die Lebensgefahr war hoch und wurde durch ungewöhnlich hohe Bezahlung seitens der US Armee kompensiert. Was die beiden Sänger dort in den Kriegswirren erlebten füllt ein ganzes Buch, das noch zu schreiben wäre.
An dieser Stelle wird es Zeit, dass ich zumindest eins von Eddies unzähligen Abenteuern zum Besten gebe. Denn Eddie war sterbenskrank inmitten des südvietnamesischen Kriegsgebietes. Eddie hatte eine akute Blinddarmentzündung und unglaubliche Schmerzen im Bauchraum. Er war nach seinem Auftritt des Nachts allein unterwegs und schleppte sich mit letzter Kraft zum deutschen Hospitalschiff „Helgoland“, das so genannte „weiße Schiff der Hoffnung“. Als er dort total verkrümmt vor Schmerzen eintrat und um Hilfe flehte, wurde er eiskalt abgewiesen, denn man hielt ihn für einen Kommunisten. Eddie, der im Gegensatz zu dem Vietkong ein perfektes Englisch sprach, flehte um ärztlichen Beistand. Jedoch die Angst der Deutschen war größer als ihre Hilfsbereitschaft, stärker als ihre Menschenkenntnis, und ihr hippokratischer Eid galt nicht für Alle, besonders nicht für Eddie, den Vietkong. Er schleppte sich mitten in der Nacht zu Fuß weiter nach Saigon-City hinein. Eine amerikanische Militär-Polizeistreife las ihn auf, und erkannte ihn sofort, den "Eddie from the Philippines". Er wurde sofort in ein Militärkrankenhaus zu einer Notoperation des bereits geplatzten Apendix eingeliefert. Das war knapp, dank des Deutschen Roten Kreuzes!
Insgesamt sechs Jahre unterhielten Eddie und seine Frau die amerikanischen G.Is. in Vietnam bevor sie 1970 in ihre Heimat als Stars mit unendlich vielen Dollars heimkehrten. Doch nach kurzer Pause unterzeichneten sie einen zweijährigen Vertrag für eine Konzerttournee durch Malaysia, Singapur und Indonesien. Bei einem Auftritt in Djakarta wurden sie von Imelda Marcos, der philippinischen Präsidentengattin anlässlich ihres Staatsbesuches persönlich empfangen.
Ab 1978 tourte Eddie mit Frau und Band durch Westeuropa. Man wählte Spanien als Lebensmittelpunkt und Haupteinnahmequelle wegen des stark wachsenden Tourismus. Auftritte in Österreich, der Schweiz und Italien standen auf dem Tourkalender. Und immer wieder die spanischen Großstädte und Touristenzentren. 1986 starb Eddies Frau in Madrid und dieser schwere Schicksalsschlag hatte auch musikalische Konsequenzen, denn nun musste Eddie wieder alleine singen. Schon bald löste er die Band auf und zog schließlich im Jahre 1989 nach Teneriffa.
Opa Eddie lebt heute noch glücklich und zufrieden mit seiner zweiten Frau auf unserer Sonneninsel. Ab und zu taucht er in dem einen oder anderen Club auf, um mit seiner warmen
Baritonstimme und seinem unendlichen Repertoire drei Generationen gleichzeitig zu erfreuen.
Eddie, ein Mensch wie Du und ich, kennt keine Starallüren, gibt sich stets klein und bescheiden, doch seine Professionalität lässt alle „Möchtegern-Sternchen“ erbarmungslos verblassen und gibt „Hype-Eintagsfliegen“ der verdienten Lächerlichkeit preis. Ich bin froh, einen echten Superstar als Freund zu haben. Danke Eddie: RAVE ON!
Siehe auch: http://www.drk.de/pressemeldungen/archiv/2009/08/2...
orchester ist auch cool - hauptsache keine technoschmarrn!