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4. 11. 1813: Kosaken befreien Marburg

Marburg war 1806 - wie ganz Hessen-Kassel -unter französische Besatzung gekommen. Und das trotz eines bestehenden Bündnisses Kurfürst Wilhelms I. mit Napoleon. Dieser pferchte Hessen und Westfalen zusammen in ein künstliches "Königreich Westfalen" mit Hauptstadt Kassel ein, welches er seinem kleinen Bruder Jerome Buonaparte schenkte. Dieser regierte fortan als "König Lustick", das Land als riesigen Selbstbedienungsladen aussaugend. Widerstand wurde von der allgegenwärtigen Geheimpolizei im Keim erstickt.

Als dann Anfang 1813 in Rußland Napoleons Stern zu sinken begann und die verbündeten Russisch-Preußischen Truppen in Deutschland eindrangen, keimte auch in Marburg die Hoffnung auf baldige Befreiung. Wie Kürschner in seiner Geschichte Marburgs berichtet, verbreitete sich schon im Frühjahr 1813 in der Stadt das Gerücht, Kosaken seien im Anmarsch. Da begaben sich die Marburger - Groß und Klein - in Scharen zum Elisabether-Thor, um die kaiserlich-russischen Truppen zu begrüßen. Doch es war nur ein Gerücht.

Am 28. 9. 1813, 3 Wochen vor der Völkerschlacht bei Leipzig, unternahm General Graf Alexander Tschernytschew einen kühnen Versuch, die Hauptstadt Kassel zu nehmen und Jerome zu verjagen. Am 29. 9. fiel der Kommandeur der Isum- schen Reiter, Jegor Iwanowitsch Bedriaga, tollkühn und mit geschwungenem Säbel ein französisches Caree angreifend durch 2 Kopfschüsse. Sein Grabmal befindet sich noch heute auf dem alten Friedhof in Melsungen. Tschernytschew schickte mehrere Parlamentäre in die Stadt und als die ankamen, brach ein Volksaufstand los: "Hoch lebe Kaiser Alexander von Rußland!" riefen die Kasseläner und zwangen den französischen Stadtkommandanten, die Kapitulation zu unterzeichnen. Kosaken zogen in Kassel ein. (siehe: Zeitschr. des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde Nr. 89, 99, 100).

Nach der Leipziger Schlacht (16. - 19. 10. 1813) sahen sich dann die "westphälischen Behörden" gezwungen, auch aus Marburg den Abschied zu nehmen.

Im Bestand 12a des königlich Preußischen Staatsarchivs in Marburg findet sich ein Dokument (Nr. 1111 Kriegslasten), das die Wende besiegelt. Ich habe es dem Artikel beigelegt. Seine Umschrift lautet:

Abschrift
Avant Garde Marburg den 4ten Nov. 1813
Des 8ten Armee-Corps
No. 3

Mein Herr General-Secretair!

In Gemäsheit höherer Befehle fordere ich Sie auf, so schleunig als möglich die Käyserlich Russische Lieferung zu besorgen.
Diese Arbeit, welche ihrer Wichtigkeit wegen mit der größten Schnelligkeit zu betreiben ist, darf nicht einem Individuum allein übertragen werden, sondern ich authorisiere Sie, dieselbe im Wege der Entreprise und auf Rechnung des öffentlichen Fonds bewerkstelligen zu lassen.

Der Russisch Käyserliche General-
Major
/unterz:/ Yusefowitsch

Dieses Schreiben von Excellentz Yusefowitsch spricht Bände: Die Truppen, die da ankamen, waren arme abgerissene zerlumpte Gestalten- Ihre Bewaffnung bestand zum Teil nur aus Lanzen und Reflexbögen (dies erzählen die Bilder von Ludwig Sigismund Ruhl im Kasseler Stadtmuseum. Sie zeigen Reiter in gelben langen Mänteln und mit spitzen Hüten). Unter den Montierungs-Röcken, die nicht gewaschen werden durften, hatten sie keine Hemden und waren deshalb mit Hautkrankheiten übersät. Infektionen, Verletzungen und Unterernährung plagten sie.Sehr viele kamen sofort in das im Marburger Schloß befindliche Armee-Lazarett. Zu recht mahnte Yusefowitsch also zur Eile. Doch auch die Disziplin hatte in den schweren Kämpfen gelitten und sie holten sich was sie brauchen konnten einfach aus den Häusern heraus. Vereinzelt kam es auch zu Mißhandlungen.

Daß es sich trotzdem um eine Befreiung handelte, kann man an den Zeremonien ablesen, die bei solchen Gelegenheiten abgewartet zu werden pflegen: Der Chef der westphälischen Geheimpolizei in Marburg, v. Wolff, wurde bei seiner "Abreise" von den Marburgern mit einem Hagel von Steinen verabschiedet und die Franzosenfreunde holte man aus ihren Häusern und zwang sie, einen steinernen Hessenlöwen "unter dem Schwanz zu küssen".

Wird fortgesetzt.

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7 Kommentare

Habe den Artikel mit großem Interesse leider erst jetzt gelesen. Hat sich gelohnt, ihn solange aufzubewahren. Danke.

Danke Dir, Karl-Heinz. Es kommt noch eine Fortsetzung, in der ich darlegen werde, wieviel Kosaken in Marburg begraben liegen.

Die Kasseläner sind doch ziemliche Opportunisten...
Erst haben sie sich dem Rheinbund angeschlossen und Wilhelmshöhe in Napoleonshöhe umbenannt.
Dann haben sie dem Zaren Alexander zugejubelt und waren auf einmal auf den Okkupanten Jerome sauer.
Dann haben sie Wilhelms I. Kutsche in die Stadt gezogen.
Und in der Gegenwart sind sie sich nicht blöd genug, eine Ausstellung für "König Lustik" zu machen.
Peinlich peinlich. Ich hoffe, sie jubeln auch mal den Preußen zu, die ihnen die Industrialisierung beschert haben.

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