WELTREISE 2013, TEIL 6: RIO DE JANEIRO, DIE BETÖRENDE
Teneriffa. Morgens um 6 Uhr stand ich schon oben auf dem Panoramadeck, um zum zweiten Male innerhalb von zehn Jahren das langsame, fast geräuschlose Hineingleiten in die malerische Guanabara-Bucht von Rio zu genießen. Der Balkon unserer Kabine befand sich zwar im 10. Stock, doch von dort aus war der Ausblick stets auf die Backbordseite des Schiffes beschränkt.
Im zarten Rosa des frühen Morgen zeichneten sich schon der Zuckerhut und die hinter der Stadt liegende Bergkette der Serra do Mar ab. Noch bevor wir den Zuckerhut erreichten, kam uns ein weißes, von der Morgensonne in Pink getauchtes Kreuzfahrtschiff entgegen. Wir passierten den Zuckerhut und unser Blick war frei bis hinüber auf die eindrucksvolle Promenade der Hochhäuser an den Stränden von Ipanema und Copacabana. Zwei Tage hatten wir nun Zeit, jene Teile dieser faszinierenden Stadt zu sehen, für die damals keine Zeit war.
Der Liegeplatz des Schiffes war derselbe wie vor 10 Jahren und der Schmutz im Hafenbecken der gleiche. Um es gleich vorweg zu nehmen, die Strassen der Stadt waren – im Gegensatz zu damals – sauber. Die Fußballweltmeisterschaft warf schon ihre Schatten voraus und Imagepflege war angesagt. Doch am Zuckerhut, den wir uns endlich „ergondeln“ wollten, klemmte die Organisation. Eine, wenn nicht sogar die größte, Touristenattraktion Rios verwehrte die Annahme von US-Dollars, Euros und sogar Mastercard. Ausschließlich brasilianische „Reales“ wurden akzeptiert. Die nahe gelegenen Bankfilialen wechselten weder US-Dollars noch Euros. Wer konnte helfen? Ganz klar, ein Taxifahrer! Also rein ins Taxi und zum Geldwechsel nach Copacabana. Dort tauschte man in einer Bar gerne unsere US-Dollars gegen Reales ein, und der Taxifahrer freute sich über unser Trinkgeld.
Doch der Vormittag war schon fast vorbei. Also noch einmal in die jetzt viel längere Touristenschlange an der Kabinenbahn zum „Pão de Açúcar“ einreihen und eine weitere halbe Stunde für den Ticketkauf verlieren. Auch die Warteschlange zur Seilbahn selbst war jetzt erheblich länger als zuvor. Dann hoben wir endlich ab. Die Seilbahn führte zunächst auf eine Zwischenstation auf einem vor gelagerten Hügel. Dort mussten wir aussteigen und einen halben Kilometer Spießrutenlauf vorbei an Andenkenläden und anderen Touristen-Nepp-Stationen absolvieren, um uns in eine erneute Warteschlange an der zweiten Teilstrecke einzureihen. Schließlich erreichten wir den Gipfel des Zuckerhutes. Insgesamt waren fast zwei Stunden vergangen. Wir ahnten schon, dass somit der erste Tag unseres Rio-Aufenthaltes gelaufen war. Doch der fantastische Ausblick auf Stadt, Bucht und Strände entschädigte uns vollends. Anfliegende Passagierflugzeuge zogen unter uns vorbei, um auf dem im Meer aufgeschütteten Airport von Rio zu landen.
Die Talfahrt mit der Seilbahn ging dann etwas schneller vonstatten, weil schon viele Besucher vor uns hinab gefahren waren. Fazit: trotz der Wartezeiten, dem hohen Eintrittsgeld, Geschiebe und Gedrängel in den Menschenmassen – den Zuckerhut sollte man sich nicht entgehen lassen (aber zuvor Reales eintauschen). Im Vergleich zum Zuckerhut ist der Blick vom „Corcovado“ (Jesusfigur), obwohl ebenfalls atemberaubend, nicht ganz so sensationell, weil man dort vom Stadtzentrum weiter entfernt steht. Auf dem Zuckerhut ist der gefühlte Abstand zur Stadt geringer.
Wir hatten den Zuckerhut geschafft und er hatte uns geschafft. Den geplanten Spaziergang durch die Altstadt verschoben wir auf den nächsten Tag. Statt dessen lauschten wir abends an Bord einer brasilianischen Band, die uns melancholische Bossa Novas und feurige Sambas präsentierte.
Unser Ziel am zweiten (halben) Tag in Rio war die moderne, wie ein Maya-Tempel aus Beton aussehende „Catedral Metropolitana“ mit einem Fassungsvermögen für 20.000 Gläubige. Der konische Bau, der erst 1979 fertig gestellt wurde, ist 96 Meter hoch und hat am Boden einen Durchmesser von 106 Metern. Wenn man eintritt, wird man sofort von dem durch 90 Meter hohe Glasmosaike einfallenden Licht vereinnahmt. Die vier riesigen Glasfenster enden in der Höhe in einem weißen Lichtkreuz, das über den Besuchern zu schweben scheint. Ein beeindruckender modernistischer Bau und ein absolutes Muss für jeden Rio-Besucher.
Fazit: Rio ist sauberer geworden. Eine atemberaubende Weltstadt, für die man mindestens eine Woche Zeit haben sollte. Bereits nachmittags legte unser Schiff ab, denn wir hatten eine weite Distanz bis Montevideo in Uruguay vor uns.
Fortsetzung folgt.
Siehe auch: http://www.myheimat.de/marburg/freizeit/weltreise-...
...und die Brille beschlägt nicht.