WELTREISE 2013 – TEIL 42 – OSAKA (TAG 1) – KAISERSTADT KYōTO
95 Tage an Bord liegen hinter uns, als wir am Morgen des 24. März das an der japanischen Inlandsee gelegene Osaka erreichen. Weil hier der fünfte und letzte Abschnitt der Weltreise beginnt, kommen und gehen Passagiere. Proviant, Wasser und Treibstoff werden gefasst, Abwasser und Müll entsorgt. Deshalb haben wir drei Liegetage Zeit, die Mitte Japans zu erkunden.
Meine Frau und ich werden von einem japanischen Ehepaar aus Kobe und seiner Englisch sprechenden Nachbarin, die als Dolmetscherin fungiert, erwartet. Als Touristen hatten wir das Ehepaar anlässlich seines kurzen Trips durch Europa (Japaner machen immer nur Kurzurlaub) im schönen Sevilla kennen gelernt. Wir sind gespannt.
Auf dem Pier des Tempozan Terminals spielt eine Big Band und kleine Cheerleaders schwingen die kurzen krummen Beine. Das nächste Riesenrad winkt schon herüber. Wir stehen an der Reling und entdecken unsere Verabredung in der wartenden Menge.
Nach einer herzlichen Begrüßung mit vielen höflichen Verbeugungen gehen wir gemeinsam zum nahe gelegenen S-Bahnhof und fahren mit dem Zug durch end- und gesichtslose Vorstädte. Ganz Japan erscheint uns als eine einzige Stadt aus der nur am fernen Horizont grüne Hügel hervorragen. Tatsächlich zählt man 337 Einwohner pro km² (Deutschland 226). Nach mehr als einer Stunde erreichen wir den riesigen Hauptbahnhof der alten Kaiserstadt Kyōto (Weltkulturerbe), wo ein reserviertes Taxi auf uns wartet. Es ist Sonntag, Kirschblüte und schönes Wetter. Ganz Japan ist auf den Beinen – und wir mittendrin.
Kyōto bietet dem Besucher hunderte von Sehenswürdigkeiten aus seiner 1.500 Jahre umfassenden Geschichte. Wo soll man da anfangen und aufhören? Wir verlassen uns auf unsere japanischen Freunde, die uns zunächst zum Fushimi Inari-Taisha Schrein führen, dessen heiliges Gelände einen ganzen Hügel einnimmt. Am Fuße des Hügels befinden sich unzählige Geschäfte in denen man Souvenirs kaufen und sogar Geisha-Kostüme für den Schrein-Besuch leihen kann. Auch Yatsuhashi, eine Süßigkeit aus Kyōto, wird hier angeboten (Reispapier mit Geschmack). Durch das Gedränge erreichen wir das Eingangstor (Torii) und das Hauptgebäude. Weiter den Hügel hinauf führt eine Allee aus Tausenden von scharlachroten Torii, welche alle Spenden von Personen, Familien oder Unternehmen sind. Auf der Spitze des Hügels befindet sich dann das Allerheiligste, ein Spiegel, der öffentlich einsehbar ist. Wir kosten das heilige Bergwasser, das aus hölzernen Schöpfkellen aus Brunnen getrunken wird.
Weiter geht’s zum nächsten Shintō-Schrein, dem Heian-Jingū. Er wurde zu Ehren des Kaisers Kammu im Jahr 1895 errichtet. 1.100 Jahre nach der Gründung von Kyōto. Architektonisch ist er eine Reproduktion im Maßstab 2/3 des Kaiserpalastes. Das 24,2 m hohe Torii (Tor) ist mit seinem 33,9 m langen Bogen das zweitgrößte in Japan. Hier haben wir das Glück, eine traditionell gekleidete Shinto-Hochzeitsgesellschaft anzutreffen.
Dann fahren wir zum Kaiserpalast Kyōto Gosho, durch den uns die sonntäglichen Menschenmassen schieben. Der aus Holz gebaute Palast brannte in seiner langen Geschichte fünf Mal ab. Das Hauptgebäude auf dem Palastgelände umfasst u.a. die Halle für Staatszeremonien, die Kaiserhalle mit Thron, den Hofraum sowie eine Anzahl von Residenzen für die Kaiserin, hochrangige Aristokraten und Regierungsbeamte. Alle Räume sind spartanisch eingerichtet und durch Schiebetüren getrennt. Der gepflegte Park, der Palastgraben, die hohen Wehrmauern, und die Architektur des hölzernen Palastes beeindrucken uns weit mehr als seine fast leeren Räume.
Höhepunkt und Abschluss unserer Tour durch Kyōto ist der Kinkaku-ji (Goldener Pavillon), ein buddhistischer Tempel im Nordwesten der Stadt. Wieder durchlaufen wir einen wunderschönen Park bis zu einem Teich, an dem ein Tempel steht, dessen Obergeschosse völlig mit Blattgold überzogen sind. Mit der Sonneneinstrahlung leuchtet das Gold hell an den Wänden der Konstruktion und spiegelt sich im davorliegenden Teich. Das Gebäude fügt sich kontrastfrei und fließend in das natürliche Umfeld ein, um eine harmonische Beziehung zwischen Natur und Mensch widerzuspiegeln. Die gesamte Architektur vereint unterschiedliche japanische Stile und ist gleichzeitig von chinesischen Bauelementen beeinflusst. Der fragil erscheinende Pavillon besteht im Wesentlichen aus drei Geschossen unterschiedlichen Stils, umringt von Rundbalkonen. Gekrönt ist der Bau mit einem goldenen, sagenumwobenen Vogel aus der chinesischen Mythologie. Es fällt dem Betrachter schwer, den Blick abzuwenden.
Inzwischen ist es schon später Nachmittag geworden. Wir alle sind physisch erschöpft und mit Impressionen überladen. Im total überfüllten Zug, in dem man nicht umfallen kann, geht’s zurück nach Osaka, wo wir uns von unseren japanischen Freunden dankbar verabschieden. Eine Einladung, die Nacht in deren Haus in Kobe zu verbringen, nehmen wir nicht an, denn jetzt brauchen wir Abstand, Ruhe und Erholung in unserer bequemen Kabine an Bord. Den kleinen Glück bringenden Zettel, den uns unsere Freunde zum Abschied überreichen, werden wir wir Morgen gebrauchen können, wenn wir als japanische Analphabeten auf eigene Faust versuchen werden, Osaka zu erobern.
Toller Bericht mit interessanten Einblicken.