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UNGEDULD - Eine Geschichte, die sich so hätte zutragen können

Ungeduld

Das Stimmengewirr klang wie das Summen eines Bienenschwarms, es schwoll an und ab. Der Theatervorhang war noch geschlossen. Der korpulente Mann, der mitten in der ersten Sitzreihe saß, beugte sich zu einer Frau hinüber, die rechts von ihm saß. „Müssten die nicht schon längst angefangen haben? Jedes Mal das Gleiche …“
„Nun sei doch nicht schon wieder so ungeduldig, Ernst. Die werden schon anfangen.“
Der Mann wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Sein gerötetes Gesicht verfärbte sich noch mehr. „Was heißt hier ungeduldig? Ich kann doch wohl Pünktlichkeit verlangen. Das erwartet man von mir in meinem Geschäft auch.“
Die Frau rückte etwas von dem Mann ab. Ihr Blick richtete sich nach vorne. „Lass mich einfach in Ruhe. Es wird schon gleich losgehen.“
„Was soll das denn jetzt? Ich kann doch wohl erwarten, dass man sich hier an die angegebenen Zeiten hält. Wäre ja noch schöner …“ Seine Stimme hob sich.
Der Mann neben ihm wendete ihm den Kopf zu. „Hören Sie. Können Sie sich nicht etwas ruhiger verhalten. Das Stück wird schon beginnen.“ Er richtete sich etwas auf. Sein Sakko spannte sich unter seinen Schultern. Er fuhr sich mit einer Hand über seine dunkelblonden Haare.
Der Dicke kreischte fast. „Was ist los! Was wollen Sie denn? Was mischen Sie sich überhaupt hier ein?“
Der Mann im Sakko riss die Augen auf. „Hören Sie! Bitte nicht in diesem Ton. Was glauben Sie denn, wer Sie sind?“
„Wer ich bin? Das werden Sie gleich sehen Sie … äh … Fatzke!“
Der Sakkoträger blieb ruhig. „Ich habe wohl nicht richtig gehört. Sie sind so nett und nehmen das Gesagte sofort zurück.“
„Zurück nehmen?! Dann hätte ich es nicht sagen brauchen.“ Die Schweinsäuglein des Dicken blitzten.
Aus den hinteren Reihen kamen Rufe. „Ruhe!“, „Still da vorn!“
Zwei Saalordner in grauen Anzügen kamen von der rechten Seite auf den Dicken zu.
„Wenn Sie nicht Ruhe halten, muss ich Sie des Saales verweisen.“ Der hünenhafte Ordner stützte beide Arme in die Hüften und schaute auf den Krakeeler hinunter.
„Was willst Du?! Ich glaube es geht los? Du kannst Dir gleich ein paar Schläge abholen!“
Das Gesicht des Dicken nahm eine violette Gesichtsfarbe an.
Ohne ein weiteres Wort packten die beiden Ordner den Mann unter beiden Armen und schleppten ihn aus dem Saal heraus. Zurück blieb nur das Taschentuch.
Die Begleiterin des Dicken sank in ihrem Stuhl zusammen. „Oh Gott. Das war jetzt zu viel. Jetzt lasse ich mich wirklich scheiden …“
Der Mann in dem hellen Sakko reichte ihr die Hand. „Das trifft sich ja … Darf ich mich vorstellen: Senftleben, Horst Senftleben. Hier meine Karte. Ich bin Anwalt. Spezialisiert auf Scheidungen. Meine Kanzleizeiten finden sie hinten auf der Karte.“
Der Vorhang der Bühne öffnete sich.

© R. Güllich

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6 Kommentare

Hallo Fred, freut mich, wenn Dir die Geschichte gefällt. Sonntags schreiben klappt leider nicht immer...

Schreibe dann Rainer, wenn Dir danach ist. Denn der Gedanke diesen Momentes kommt nie wieder.
Gruß Fred

Das ist so wahr, was Du da schreibst...

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