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125 Jahre Kaiser-Wilhelm-Turm auf Spiegelslust – Erinnerungen Teil 4: Die Einweihungsfeier des Kaiser-Wilhelm-Turms am 2. September 1890

  • Einladungskarte zur Einweihungsfeier des Kaiser-Wilhelm-Turms in Marburg am 2. September 1890
  • hochgeladen von Karl-Heinz Gimbel

Im Jahr 1890 fanden die Arbeiten am lange ersehnten Aussichtsturm auf Spiegelslust ihren Abschluss. Vor mehr als zwanzig Jahren hatten Marburger Bürger begonnen, den Aussichtsturm auf dem beliebten Aussichtsplatz Spiegelslust zu planen. Ein Comité war 1872 gegründet worden und die Sammlung von Spenden erfolgte. Ein mächtiger, massiver Turm wurde erstellt. Fast fertig, war er 1876 zusammengebrochen. Nach zehnjähriger Unterbrechung hatte 1886 ein neues Comité die begonnene Arbeit wieder aufgenommen.

Und nun nahte die Fertigstellung. Sie sollte mit einem großen Einweihungsfest gefeiert werden. Es wurde das größte Fest, welches die Marburger Bürger in ihrer Stadt im 19. Jahrhundert erleben sollten.

Mit den Feiern verbunden wurde die Erinnerung an den Sieg 1870 bei Sedan über Frankreich. Jährlich war am 2. September der Sedantag nationaler Feiertag. Und 1890 war Jubiläumstag zu diesem national erhebenden Ereignis. Zugleich sollte der Turm auf den Namen des verehrten und 1888 verstorbenen Kaisers Wilhelm I. geweiht werden. Mehr an patriotischen Gefühlen konnte in das lang erwartete Ereignis der Turmeinweihung nicht hineingelegt werden. Ganz Marburg war in Aufbruchstimmung. Es herrschte eine kaum zu steigernde große Euphorie in der gesamten Stadt. Die Bürgerschaft der Stadt war von nationalem Pathos erfüllt.

Die Oberhessische Zeitung, das Marburger Zeitungsblatt, das ansonsten auf lokale Ereignisse nur im Innenteil in ein bis zwei Spalten einging, widmete der Einweihungsfeier am 2. September die gesamte Titelseite. Zusätzlich brachte man an mehreren Tagen Seiten füllende Berichte. Dem heutigen Leser ist dadurch ein unmittelbarer Eindruck erhalten vom Ablauf der Feier, die bereits am Vortag begann und bis in die Nacht des folgenden Tages dauerte.

Traditionell begann die Sedanfeier am Vorabend auf der „Cappler Höhe“ unter Singen von Vaterlandsliedern. Gleichzeitig veranstaltete der „Bürger- und Nordverein“ eine Beleuchtung des Turmes auf Spiegelslust. Diese begann abends um 9 Uhr und wurde durch Böllerschüsse von Spiegelslust angekündigt.

Am 2. September starteten die Feierlichkeiten bereits morgens 6 Uhr mit dem Hornsignal Reveille durch das Musikorchesters des Gymnasiums. Zu dem Weckruf läuteten die Glocken. Danach waren Schulfeiern in allen Schulen angesetzt und eine Kranzniederlegung auf dem Friedhof.

Die Aufstellung des Festzuges erfolgte auf der Ketzerbach unter der Leitung des Turnlehrers Schneider wie folgt:

1. Mädchenschulen:
a) Bürgermädchenschulen unter Führung ihrer Lehrer und Lehrerinnen,
b) Höhere Töchterschule,
c) Freischule,
d) Israelitische Schule,
e) Katholische Schule
2. Knabenschulen,
3. Realgymnasium,
4. Gymnasium,
5. Universität,
6. Vereine und
7. Bürgerschaft.
Den Schluss bildeten die städtischen und staatlichen Behörden.

Der Festzug startete um 2 Uhr unter Vortritt der Musik und Singen einiger Vaterlandslieder von der Ketzerbach durch die Bahnhofstraße und Krummbogenweg zum Turmplatz. Der Beginn der Feier wurde durch Hochziehen der Fahne bekannt gegeben. Daraufhin läuteten alle Glocken der Stadt. Dies war mit den Kirchenvorständen vereinbart worden.

Die Feier - unter Teilnahme des Königlichen Regierungs-Präsidenten nahm folgenden Verlauf:

Zu Beginn spielte Musik und es wurde von allen „Lobet den Herrn“ gesungen. Es folgte:
a) Übergabe des Turms an die Stadt von dem Erbauer, Herrn Weißhaupt, an den Vorsitzenden des Turmbau-Ausschusses und Vertreter der Stadt, Herrn Oberbürgermeister Schüler,
b) Rede des Herrn Oberbürgermeisters,
c) Lied: „Heil dir im Siegerkranz“,
d) Weihrede des Herrn Pastor Bernhard,
e) Lied: „Nun danket alle Gott“,
f) Rede des Vertreters der Kriegervereine Herrn Vizebürgermeister Geh. Med.-Rat Schmidt-Rimpler,
g) Lied: „Deutschland, Deutschland über Alles“.

Zum Abschluss der Feier begab sich die Versammlung unter dem Gesange des Liedes: „Die Wacht am Rhein“ zum Erfrischungstrunk. Ein allgemeines Volksfest fand statt mit Jugendspielen, Conzert etc. bis abends 7 Uhr. Hiernach Rückzug in die Stadt und Festkommers der einzelnen Vereine im Saalbau und Café Quentin.

Viele Lokalpatrioten wurden zum Schreiben von Gedichten animiert. Einige der meist langen Gedichte wurde in der Zeitung veröffentlicht. Hier zwei Strophen eines der veröffentlichten Gedichte:

Kaiser Wilhelmturm

Nun steht er doch der neue Turm
Und blickt stolz in die Lande;
Er trotzt dem Wetter und dem Sturm
Und macht uns keine Schande.

Er ist aus gutem Stein gebaut
und steht auf festem Grunde;
von seiner Zinne trunken schaut
das Auge in die Runde ...

Schon in den beiden ersten Strophen des langen Gedichts bemerkt der Wissende (das waren damals alle Marburger Bürger), dass immer noch die Erinnerung an den ersten Turm allgegenwärtig war. Der erste Turm war - fast fertig - bei einem Orkan zusammengefallen und hatte Schande und Spott gebracht.

In den folgenden Jahrzehnten wurde der Turm zur beliebtesten Ausflugsstätte Marburgs.

  • Einladungskarte zur Einweihungsfeier des Kaiser-Wilhelm-Turms in Marburg am 2. September 1890
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  • Titelseite der Oberhessischen Zeitung anlässlich der Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Turms
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