Radpilgerweg Lübeck - Hamburg als Alternative
Alternative Lübeck - Krummesse - Sandesneben - Rahlstedt - Wandsbek - Hamburg
Der heute bevorzugte Pilgerweg verläuft von Lübeck über Reinfeld - Bad Oldesloe - Nütschau - Grabau - Hamburg-Poppenbüttel nach Hamburg. Er ist für die Fußwallfahrer gedacht. Eine ursprünglich als Handels- und Pilgerweg benutzte Alternative ging von Lübeck aus südwärts über Krummesse, Bliesdorf, Kastorf, Labenz, Sandesneben, wo noch heute aus der dänischen Zeit das Zollhaus an der Grenze zum Herzogtum Lauenburg steht, Lütjensee, Siek, Stapelfeld, Alt-Rahlstedt, Wandsbek nach Hamburg. Die Chaussee zwischen den Hansestädten Hamburg und Lübeck wurde 1842/43 über Wandsbek, Bargteheide nach Lübeck gebaut. Noch heute kann man Meilensteine aus Bornholmer Granit mit dem Monogramm des dänischen Königs C(hristina) R(ex) der VIII. an der Chaussee finden. Diese alternative Strecke führt durch reizvolle Geestlandschaften. Die Geest (von niederdeutsch gest = trocken, unfruchtbar) bezeichnet eine Landschaft, die aus sandigen Ablagerungen aus der Elster- und Saaleeiszeit vor 300 000 bis 100 000 Jahren besteht. Diese Route, an der auch kulturell wertvolle Baudenkmäler zu sehen sind, ist insbesondere für Radpilger geeignet, die auf kürzestem Weg Hamburg erreichen wollen.
Wegbeschreibung 67 km
Schwierigkeitsgrad: überwiegend Flachetappe, z. T. hügelig
Der Radpilger verlässt nach dem Besuch des Doms über das Ende der Mühlenstraße die Altstadt von Lübeck. Die Fahrt über die Mühlenbrücke zwischen Mühlen-Teich und Krähen-Teich, wo bis ins 19. Jahrhundert das Mühlentor stand, entspricht dem historischen Pilgerweg, der sich dann über die Kronsforder Allee fortsetzt. Aber dem heutigen Radpilger wird empfohlen, zunächst wie der Fußpilger auf dem dem Geninger Ufer am Trave-Kanal entlang zu fahren. Auch er muss dann die Brücke bei Moisling überqueren und biegt unmittelbar hinter der Brücke nach Süden ab und bleibt auf der westlichen Seite des Elbe-Lübeck-Kanals bis Krummesse (1). Das schmucke Dorf mit seiner gotischen Backsteinkirche inmitten eines freundlich gestalteten Friedhofs lädt zum Verweilen ein.
Die wenig befahrene Straße bis Bliesdorf hat zunächst keinen Radweg, aber dann wird die Kreisstraße über Kastorf, Labenz, Sandesneben (2) bis Lütjensee, die noch heute streckenweise Alte Poststraße heißt, von einem gut ausgebauten Radweg begleitet. Bei Lütjensee wird die hügelige „Stormarnsche Schweiz“ mit ihren drei Seen Lütjensee, Großensee und Mönchsteich berührt. Von Lütjensee Richtung Siek empfiehlt sich, den Radweg 17/19 bis Sieker Berg zu nehmen und dann wieder der „Alten Landstraße“ über Siek (3) zu folgen. Wenige 100 m hinter der schönen Braaker Mühle im Ortsteil Fleichgaffel wird sie Natursteinpflasterstraße (s. Bild).
Nach der Unterführung unter der Autobahn erhält die Bundesstraße 435, die hier auch den Namen Sieker Landstraße und später Rahlstedter Straße führt, wieder einen Radweg. Dann erreicht der Radpilger schon den Hamburger Stadtteil Rahlstedt. Hier lohnt sich ein kurzer Abstecher zur idyllisch im Grünen gelegenen Feldsteinkirche von Alt-Rahlstedt (4), eine ursprüngliche Jacobikirche, an der unmittelbar die Wandse vorbeifliesst. Die zugemauerte Pforte auf der Nordseite der Kirche diente wohl dem Holen des Taufwassers aus der Wandse. Ab hier oder dem Liliencron-Park sollte der Radwanderweg, die „Freizeitroute 3“ gewählt werden, die 12 km an der Wandse entlang durch die heutigen Stadtteile Tonndorf und Wandsbek (5) bis zur Außenalster führt. An der Wandse, die ursprünglich mehr Wasser führte, wurden seit dem 14. Jahrhundert sechs Mühlen betrieben, die zum Gut Wandsbek gehörten. Auf die Mühlen gehen die Mühlenteiche wie z. B. der Holzmühlenteich zurück. Beim Krankenhaus Eilbek geht die Wandse in den Eilbekkanal über, der sich zum Kuhmühlenteich weitet. Hier liegt auf der rechten Seite die sehenswerte neugotische Kirche St. Gertrud (6). Nach dem letzten Stück Fahrt am Mundsburgkanal trifft der Radpilger am „Alster Schwanenwik“ auf den Pilgerweg der Fußpilger. Von dort ist es nicht mehr weit in die Innenstadt von Hamburg mit der Hauptkirche St. Jacobi und dem dortigen Pilgerzentrum.
Sehenswertes entlang der Strecke
1 Krummesse
Der Name Krummesse leitet sich ab vom slawischen kromese/krozemir, was so viel bedeutet wie „draußen sein Leben führen“. Der Ort weist eine 800jährige Geschichte auf, er wird erstmals in einer Urkunde des Bischofs von Ratzeburg 1194 erwähnt. Die 1230 aus Backsteinen erbaute Johanniskirche ist eine der wenigen zweischiffigen Kirchen in Schleswig-Holstein. An den dreijochigen Hallenbau ist ein langgestreckter, rechteckiger Chor angegliedert. Die Kirche übt in ihrer Feingliedrigkeit einen besonderen Zauber auf den Besucher aus. Dieser wird erhöht durch die Kreuzigungsgruppe im Chorbogen zwischen Langhaus und Chor. Die Kirche weist Reste von Wandmalerei aus dem 13. Jahrhundert auf, an der nördlichen Ostwand Maria und Johannes den Täufer, an den südlichen Ostwand das Jüngste Gericht. Der barocke Altaraufsatz aus dem Jahr 1717 stammt aus einer Lübecker Schule.
2 Sandesneben
Sandesneben wurde als Zanzegnewe 1230 im Ratzeburger Zehntregister erstmals erwähnt. 1314 wurde die im gotischen Stil gebaute Marienkirche von Bischof Marquardt von Ratzeburg eingeweiht. Der ostholsteinsche Raum wurde von der ehemaligen Bischofsstadt Ratzeburg geprägt. Die mehrmals umgebaute Kirche erhebt sich auf einem markanten Hügel im Zentrum des Ortes. Den gotischen Charakter der Kirche kann man sehr gut am Seitenportal erkennen. Der ursprüngliche Altar war der Jungfrau Maria und dem Apostel Jacobus geweiht. Im Kircheninnern findet sich ein interessanter steinerner Taufsteinfuß aus dem beginnenden 15. Jahrhundert. Er trägt gemeißelte Bilder mit Jagdszenen, wilde Jäger im Kampf mit dämonischen Untieren. Sie stellen das die Taufe umgebende Böse als gegenseitige Jagd dar, um es zu demaskieren und abzuwehren.
Ein gotischer Abendmahlskelch aus der Ursprungszeit der Kirche befindet sich heute im St.-Annen-Museum in Lübeck.
3 Siek
Die Friedenskirche in Siek wurde im 13. Jahrhundert als Backsteinkirche errichtet. Nach einem Brand durch Blitzschlag wurde sie 1883 im vergrößerten Stil und mit einem neugotischen Turm wieder aufgebaut. Eine alte Tauffünte wurde gerettet. Der große Kirchplatz, ein aufgelassener Friedhof, lädt zum Verweilen ein.
Etwas weiter trifft der Pilger bei Fleischgaffel auf eine gut erhaltene Windmühle.
4 Alt-Rahlstedt
Das urkundlich 1248 zum ersten Mal erwähnte Alt-Rahlstedt besitzt eine Feldsteinkirche aus dem 13. Jahrhundert. Sie ist eine der ältesten Kirchen im norddeutschen Raum und weist sehenswerte Kunstwerke auf. Besonders hervorzuheben ist das Triumphkreuz aus dem 14. Jahrhundert im Torbogen zwischen Längsschiff und Chor sowie zwei Apostelfiguren vom ehemaligen Altar aus dem 15. Jahrhundert, die heute die Nordwand des Chorraumes zieren: Petrus und Jakobus. Wahrscheinlich war die Kirche am Jakobspilgerweg dem heiligen Jakobus als Patron geweiht. Brautpaare wählen sie gern als Hochzeitskirche.
5 Wandsbek
Wandsbek war eine ehemals selbstständige Stadt. Sie geht auf einen Gutshof zurück, der im 18. Jahrhundert zum Schloss umgebaut, 1861 aber abgerissen wurde. Die heutige Christuskirche von 1953-1955 steht an der Stelle einer älteren evangelischen Kirche von 1634. Nicht weit von ihr entfernt steht die 1904-05 erbaute neoromanische katholische Kirche, die dem Heiligen Josef geweiht ist. Sie besitzt ein fränkisches Kreuz aus der Zeit um 1600 über dem Altar und eine schöne böhmische Marien-Statue von 1520 im Südquerhaus.
Der historische Friedhof von 1623 birgt das Grab des Dichters Matthias Claudius, der uns das schöne Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“ hinterlassen hat. Matthias Claudius, der bedeutendste Bürger der Stadt, lebte fast 45 Jahre in Wandsbek. Auf dem Friedhof blieb ferner ein sehenswertes klassizistisches Mausoleum von 1791 erhalten, das als Grabkapelle für den Unternehmer Heinrich Carl von Schimmelmann errichtet wurde. Wandsbek weist zudem nahe der Wandse einen jüdischen Friedhof mit alten Grabsteinen auf. Seit 1675 wurden hier mehr als 1240 Grabstätten für Juden aus Wandsbek und darüber hinaus angelegt. Er steht unter Denkmalschutz.
An den historischen Gedenkstätten und Sehenswürdigkeiten führt der 1898 eröffnete „Historische Rundgang“ mit 36 Stationen vorbei. (Quelle: Michael Pommerening: Wandsbek. Ein historischer Rundgang. 2. erweitertete und vollständig überarbeitete Aufl. Hamburg: Mühlenbek-Verl. 2013).
6 St. Gertrud
Der hohe spitze Turm der 1881-1885 am Kuhmühlenteich auf der Uhlenhorst erbauten Gertrudenkirche fällt bereits vom weitem ins Auge. Der Architekt Johannes Otzen (1839-1911) zählte zu den einflussreichsten und gefragtesten Kirchenbaumeistern seiner Zeit. Von ihm stammen auch weitere neugotische Kirchen in Altona, Kiel, Leipzig und Berlin. Mit dem Bau der Kirche St. Gertrud verfolgte er ein besonders ehrgeiziges Ziel. Für die Fassade ließ er 460 verschiedene Backsteinziegel verwenden, die die Maurer vor erhebliche Herausforderungen stellten. Der Grundriss der Kirche ist kreuzförmig angelegt. Die neugotische Originalausstattung: Altar, Kanzel, Taufstein und Gestühl blieben im Zweiten Weltkrieg erhalten, so dass der Besucher den von Otzen erstrebten Gesamteindruck erfahren kann. Nur die im Krieg zerstörten Fenster wurden durch den Hamburger Künstler Hanno Edelmann neu entworfen.
s. auch den Beitrag:
http://www.myheimat.de/luebeck/kultur/zweiter-alte...
Ultreia, lieber Manfred. Inzwischen wurde Dein bemerkenswerter Beitrag weiter gelesen und ich habe mir nochmals die schönen Fotos angeschaut. Das Bild der Kirche mit dem benachbarten Haus in Sandesneben gefällt mir besonder gut!
Herzlich grüße ich Dich, Kirsten