Kunstbetrachtung: Der Lübecker St.-Laurentius-Altar
Das St.-Annen-Museum bietet durch seine umfangreiche Sammlung einen Überblick über die kirchliche Kunst des Mittelalters vom 13. bis 16. Jahrhundert. Durch die 28 Altäre mit lokalem Bezug stellt das Museum insbesondere die sakrale Kunst als Zeugnis der facettenreichen Lübecker Kulturgeschichte heraus.
Zu den beachtenswerten Schnitzaltären der Sammlung gehört der St.-Laurentius-Altar von 1522, ein Doppelflügelaltar aus der Burgkirche, der in seinem Bildprogramm eine Heiligenlegende noch ganz in der Tradition der katholischen Kirche schildert.
Der aus Eiche gefertigte und vergoldete Altarschrein aus dem Burgkloster soll einst der Bruderschaft der Brauersknechte gehört haben. Eine Inschrift von 1782 gibt auf den Rahmenleisten der Außenflügel einen Hinweis darauf, doch das Bildprogramm dieses Altaraufsatzes stellt keinen Bezug zum Handwerk der Brauer her.
Auf der Sonntagsseite des Doppelflügelaltars geht es um das Leben des heiligen Laurentius, wie es von dem Dominikaner Jacobus de Voragine um 1264 in der „Legenda aurea“ (Goldene Legende), in einem weit verbreiteten geistlichen Volksbuch des Mittelalters, in erzählerischer Form beschrieben wurde.
Die Legende in Kurzform: 258 wurde Papst Sixtus II. durch Kaiser Valerian festgenommen und enthauptet. Auf dem Weg zur Hinrichtungstätte hatte zuvor der Diakon Laurentius vom Papst den Auftrag erhalten, den gesamten Kirchenschatz unter den Armen auszuteilen. Laurentius verteilte die Güter der Kirche, wurde festgenommen und zum Tode verurteilt.
Durch die Qualität der Schnitzarbeit weist der Lübecker Laurentiusaltar auf einen erfahrenen Meister hin, der die Szenen genau zusammenstellte und durch perspektivische Einschränkungen eine räumliche Wirkung erzielte.
März 2016, Helmut Kuzina