Neustraße 20 - Die ehemalige jüdische Schule in Linz am Rhein
Die Jüdische Schule in Linz am Rhein in der Neustraße 20.
1725 wurde das Haus von einem jüdischen Ehepaar käuflich erworben. Der Mann war Vorsteher der jüdischen Gemeinde. Damit wurde zum 1. Mal in Linz ein jüd. Ehepaar, ohne Gegenwehr der christl. Mehrheit, Eigentümer eines Anwesens.
Ab 1824 durften jüd. Kinder auch an christl. Schulen unterrichtet werden. Die fortschrittlichen Juden schickten ihre Kinder auf die christlichen Schulen.
1841 ging dann das Haus in Eigentum der jüd. Gemeinde, die es durch Kauf erwarb. Es wurde fortan als Gemeindehaus genutzt. Hier entwickelte sich dann das jüd. Gemeindezentrum. Die Betstube befand sich im Obergeschoss, auch die Kinder wurden dort unterrichtet.
1844 wurde der Lehrer Moses Heilbronn eingestellt. Die Jüd. Lehrer mussten auch den Kantordienst versehen.
1851 wurde die neue Synagoge eingeweiht, die auf einem Teil des Gartens des Gemeindehauses erbaut wurde.
1881 wurde die jüd. Privatschule in eine öffentliche Schule umgewandelt. 1887 erhielten die jüd. Kinder einen Schulraum im Obergeschoss des Rathauses.
1890 wurde der Lehrer David Würzburger ins Amt eingeführt. 20 Jahre leitete er die jüd. Schule und unterrichtete auch am Progymnasium.
1911 wurde der Unterricht vom Rathaus in die Privatwohnung des Lehrers Würzburger verlegt, da nur noch 5 Kinder unterrichtet wurden.
Der Lehrer David Würzburger….
….wurde am 17.04.1890 vereidigt und in sein Amt als Lehrer der öffentlichen jüdischen Elementarschule in Linz am Rhein eingeführt.
20 Jahre stand er der jüdischen Schule vor. Er unterrichtete auch am Progymnasium und war Kultusbeamter der Linzer Synagogengemeinde.
Zeitweise war er Vorsitzender des Linzer-Männer-Gesang-Vereins. 1908 legte er dieses Amt nieder. Die jüdischen Lehrer waren auch Kantoren ihrer Gemeinde und gehörten immer als aktive Mitglieder dem Verein an.
1910 wurden in der jüdischen Elementarschule, die sich damals schon im Obergeschoss des Alten Rathauses befand, nur noch fünf schulpflichtige Kinder unterrichtet. Um eine Auflösung der Schule zu verhindern, wurde von der jüdischen Gemeinde folgender Vertrag mit der Stadt Linz geschlossen: „die jüdische Gemeinde ist bereit, 500 Mark für den Bestand der jüdischen Volksschule aufzubringen. In der jüdischen Schule findet Halbtagsunterricht statt. Lehrer Würzburger übernimmt 8 Stunden Fortbildungsunterricht. Das Unterrichtslokal wird vom Rathaus in die Privatwohnung von Lehrer Würzburger verlegt. Der Turnunterricht wird mit der evangelischen Schule organisiert.“
Ein Revisionsbericht aus dem Jahr 1911 beschreibt die Arbeitsbedingungen des Lehrers David Würzburger wie folgt: „Zu den 16 Wochenstunden in der israelitischen Volksschule mußte der Lehrer 8 Stunden in der städtischen Fortbildungsschule unterrichten und zwar von Montag bis Donnerstag abends von 18 bis 20 Uhr. Der Unterricht in der Volksschule fand von Sonntag bis Freitag jeweils vormittags statt. Auf dem Stundenplan standen 3 Stunden Religion, 5 Stunden Deutsch, 3 Stunden Rechnen, 3 Stunden Realien, 1 Stunde Gesang und 1 Stunde Zeichnen.“
Oberschulinspektor Pfarrer Brandt äußerte sich zum Schulalltag: „Am Unterricht in einem Zimmer der Lehrerwohnung nehmen gegenwärtig 4 Kinder teil, 2 Mädchen im 1. Schuljahr, 1 Knabe in der Mittelstufe und 1 Knabe in der Oberstufe……Das Bewußtsein, auf einem verlorenen Posten zu stehen und in dem Verkehr mit so wenigen, aus dürftigen Verhältnissen kommenden Kindern für sich und seine Arbeit nur eine recht spärlich fließende Quelle geistiger Anregung zu finden, hatte ihn doch nicht hindern können, seine kraft einzusetzen und sein pädagogisches Können zur Entfaltung zu bringen…….Alles in Allem ist anzuerkennen, daß er sich der wenigen Kinder treulich angenommen hat.“
1925 kamen nur noch zwei schulpflichtige Kinder zum Unterricht in die Wohnung des Lehrers. Da gab David Würzburger auf und ging nach 40 Dienstjahren, davon 35 Jahre in Linz, in Pension. Das war das Aus der seit 1883 bestehenden öffentlichen jüdischen Elementarschule und sie wurde aufgelöst.
Nach seine Pensionierung wirkte er weiter als Religionslehrer an den Linzer Schulen, und er war weiterhin Kultusbeamter seiner Gemeinde, ebenso zuletzt Leiter der Berufsschule.
Am 31.03.1930 wurde er in einer würdigenden Feierstunde aus dem Schuldienst entlassen.
Am 26.04.1930 verstarb er 66jährig in Offenbach. Unter großer Anteilnahme der Linzer Bevölkerung wurde er auf dem jüdischen Friedhof in Linz am Rhein bestattet.
Bis 1938 wurden die jüd. Kinder in den öffentl. Schulen in Linz unterrichtet.
Das Gemeindehaus wurde 1923 total renoviert und das Fachwerk freigelegt. Eine Linzer Familie mietete einen Teil des Gemeindehauses von der jüd. Gemeinde. Sie übernahm auch die Pflege der benachbarten Synagoge.
1936 verkaufte die jüd. Gemeinde das Haus weil sie es finanziell nicht mehr halten konnte. Zu viele Mitglieder der Gemeinde waren abgewandert wegen der fortschreitenden Entrechtung durch das NS-Regime.
Sehr interessante und wechselhafte Geschichte des Hauses und "seiner" Menschen, die du sehr gut dargestellt hast!