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Gut Freund mit einer 1000jährigen Linde im Lehrter Jägerwinkel

Wer kann schon von sich sagen, eine Tausendjährige zur Freundin zu haben. Nun, die Bauersfrau Almuth Molsen kann das, und das schon seit ihrer Kindheit, als die alte Linde im Jägerwinkel ihres Elternhauses noch etwas jünger war. Obwohl sie seit ihrer Heirat ein paar Häuser weiter wohnt, kommt sie doch immer wieder zu ihrem Lieblingsplatz zurück, um ein wenig im Schatten des alten Baumes zu verweilen, der zu den rund 150 ausgewiesenen Naturdenkmalen in der Region Hannover zählt. Auf den ersten Blick sieht man es der alten Thielinde nicht an, , von der die Heimatforscher sagen, dass sie schon über tausend Jahre alt sei: “300 Jahre kommt sie, ebenso lange steht sie, und wieder 300 Jahre geht sie“, heißt es im Volksmund. Und da die Tausendjährigen unter den Linden gar nicht so selten sind, könnten die Naturschützer mit ihrer Schätzung wohl Recht haben.
Für ihr Alter ist die Thielinde noch recht munter. Das zeigen die vielen jungen Zweige an den alten Ästen. Aber sie wird auch gute gehegt und gepflegt, bestätigt Landwirt Heinrich Nöhre, auf dessen Grund und Boden sie steht. Früher, so erzählt er, spielte er mit seinen Geschwistern und anderen Kindern in den drei teilweise hohlen Stämmen verstecken. Auch die Hühner bevorzugten die hohlen Stämme, um dort Nester zu bauen und Eier zu legen. Doch heute ist es nur noch den Vögeln erlaubt, sich im Geäst der verbliebenen zwei Stämmen häuslich einzurichten.
Wie der Name besagt, war hier einst eine Thingstätte, an der sich die Bewohner der umliegenden Höfe versammelten, um Gericht zu halten oder um ein fröhliches Fest zu feiern. Für Almuth Molsen ist der alte Baum wie ein Almanach- er weckt Erinnerungen an eine unbeschwerte Kindheit und romantische Jungmädchenträume. Sie fühlt sich ebenso wie Bruder Heinrich mit der Thielinde schicksalhaft verbunden. Und wenn der Wind in der Baumkrone raschelt, meint man, er erzählt von alten Zeiten, erinnert an den Stammvater der Molsens, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts von Haverlah bei Ringelheim ins Dorf kam und in der Ahnenreihe als der Ältere bezeichnet wird.
Wer mag die Thielinde gepflanzt haben ? Was hat sich unter ihrem Blätterdach zugetragen ? Menschen, die vor Wölfen Schutz suchten - Minnesänger, die in ihrem Schatten von Liebe sangen - Landsknechte, die marodierend durch die Straßen zogen und alle paar Jahre das Pfarrhaus aufs Neue verwüsteten ? Aber auch von den Preußen, die nach der Kapitulation der Königs von Hannover im Sommer Anno 1866 im Schatten der Thielinde biwakierten, weiß der alte Baum so manches Pikantes zu berichten. Damals musste die Gemeinde täglich 60 Thaler für Brot, Speck und Kartoffeln für die Besatzer aufbringen. Und so nebenbei verrät sie auch ein offenes Geheimnis: Hofbesitzer Heinrich Nöhre hat inzwischen den Stammsitz seiner Väter im Jägerwinkel verlassen und sich Ehefrau Christa am Lehrter Eichenweg – im ehemaligen Sassehaus – einen Altersruhesitz eingerichtet.Sohn Harm Heinrich hat dort jetzt die Zügel fest in der Hand.
Doch sie hat noch viel mehr zu erzählen, die Tausendjährige. Wer vorbei kommt, sollte dem Beispiel von Almuth Molsen folgen und ihr ruhig einmal in einer Minute der Besinnung zuhören. Es ist keine verlorene Zeit.
Lothar Rolf Luhm

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2 Kommentare

Ein schöner Bericht.
Versetzt einen wirklich viele Jahre zurück. Großes Lob.
Gruß Kurt B.

Eine kleine aber feine Heimatgeschichte. Bitte mehr von dieser Art.
Grüße aus Sehnde.

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