Die Bilmer Hochzeitskapelle gibt Rätsel auf
Bodenfliesen von der Loire und ein Harmonium aus Amerika
Von Lothar Rolf Luhm
Sie ist über 400 Jahre alt, doch kein Riss zeigt sich in ihrem Gemäuer, obwohl pausenlos Fahrzeuge aller Art auf der Kreisstraße zwischen Ilten und Wassel an ihr vorüber donnern: Die schmucke aus Feldsteinen im gotischen Stil erbaute Bilmer Kapelle. Sie gehört zur Mutterkirche in Ilten und wird im Umkreis des Dorfes auch scherzhaft als Hochzeitskapelle bezeichnet. Es vergeht kein Monat , in dem nicht Hochzeitpaare aus den umliegenden Dörfern und Städten Pastor Christophers bitten, dort heiraten zu dürfen. Manchmal bringen sie auch ihren eigenen Pfarrer mit, erzählt Landwirt und Kapellenvorsteher Herbert Bartels (72), der verschmitzt lächelnd erwähnt, dass die Karpelle seit Generationen nicht nur den Bilmern ein Rätsel aufgibt.
Da ist einmal der Fußboden des unter Denkmalschutz stehenden Gotteshauses, dessen Fliesen in ihrer changierenden Farbgestaltung keine der anderen gleicht. Immer wieder wird erzählt, dass die Fliesen in der Hugenottenzeit im 17. Jahrhundert aus einem Schloss an der Loire nach Bilm gelangten. Und dann gibt es noch ein kleines Harmonium aus dunkelbraunem Nussbaumholz, von dem man nicht genau weiß, wer es gestiftet hat. Fest steht, dass das auch heute noch intakte Instrument vor etwa 150 Jahren per Schiff aus Amerika ins Dorf kam.
An dem Alter der Kapelle des heute etwa 750 Einwohner zählenden Dorfes besteht kein Zweifel, wie Rechnungen aus dem Jahre 1569 beweisen. Des weiteren heißt es in einer Urkunde aus dem Jahr 1578: „
In dissem iar is ock de klocke in der Capelle ummegote Hefft gekostet X guld.“
Die Glocke, die auch heute noch im Turm hängt, hat folgende Inschrift : „Christofer Hortenbarch Me fecit Anno DMI 1578 Richert Olers Engelke Engelken“ . Dieses besagt, dass Hortenbarch der Glockengießer sowie Olers und Engelken Kapellenvorsteher in Bilm waren.
Dass Taufen und Begräbnisse in der Kapelle stattfanden, besagt ein anderes Schriftstück, in dem es heißt : Am 21.8. 1730 hat Carl v. Lüpke ein Kind in der Kapelle zu Bilm „beyzustehen“ begehrt, wofür er 9 Gulden geben musste. 1736 hat derselbe mit Genehmigung des Superintendenten und gegen Verauslagung von 4 Thlr. sein kleines Töchterlein in der Karpelle beerdigen dürfen. Weiter wird berichtet, dass Anno 1794 der Pferdeknecht namens Konerding des Müllers Boedecker vom Blitz getroffen wurde und restlos verbrannte. Seine Asche soll unter der Treppe in der Kapelle begraben sein.
Kapellenvorsteher Bartels ist stolz auf „seine kleine Kapelle“, obwohl sie ihm auch schon schlaflose Nächte bereitet hat. Vor allem ist es die Turmuhr, die ihm Sorgen bereitet. Wenn die mal wieder stehen bleibt, meint er aus Erfahrung, dann läuten bei ihm alle Glocken – dann beginnen in seinem Haus die Telefondrähte zu glühen. Doch das soll sich demnächst ändern. lrl
Wenn der Küster das Kurbeln vergisst...
Der mehrfach von Wind und Wetter gerupfte Wetterhahn auf der Kapelle hat 1992 ein goldenes Gewand bekommen und die alte Turmuhr ebensolche Zeiger. Zum Preis von 1000 Goldmark hatte die Kapellengemeinde 1879 die Uhr gekauft, nach dem die erste um 1770 ihren Geist aufgegeben hatte. Das Königliche Kirchenkonsistorium hatte man vorher nicht befragt, was später wegen der Kostenteilung einigen Ärger machte. Doch der Hildesheimer Uhrenfabrikant Beyer hat damals gute Arbeit geleistet, denn das Uhrwerk schnurrt auch heute noch genauso exakt wir vor hundert Jahren. Doch wehe, man vergisst, es allwöchentlich per Handkurbel aufzuziehen, wie es in der Vergangenheit mehrfach geschah, bevor Hendrik Depenau aus Ilten das Küsteramt übernahm. Dann bleiben die Zeiger stehen und auch der sonst weithin übers Dorf schallende Glockenschlag verstummt. Und bei Kapellenvorsteher Bartels klingelte dann pausenlos das Telefon. Dann kletterte er selbst auf den Kapellenboden, um die Turmuhr anzukurbeln und die Zeiger mit dem Glockenschlag wieder in Einklang zu bringen. Das war stets ärgerlich und zeitaufwendig, meint er rückblickend. Jetzt will er dem Kapellenvorstand vorschlagen, dem manuellen Uhrwerk ein automatisches vorzuschalten. Der Küster wäre ihm bestimmt dankbar, zumal das Geld in der Kapellenkasse für eine solche Maßnahme ausreichen dürfte. lrl
Erneut ein sehr informativer Bericht von Dir geschrieben,
einfach gut zu lesen und es wird mir nicht langweilig dabei.
Die Kirche ist mir auch bekannt, Verwandte gaben sich dort
das "Ja-Wort".