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Als die Schweden plündernd ins Dorf kamen

Als die Schweden plündernd ins Dorf kamen
Ein verwitterter Grabstein bringt es an den Tag / Jürgen Rust war als Voigt und Altermann im Großen Freien hoch geachtet

Jahrhunderte alte Grabsteine sind oftmals eine in Stein gemeißelte Ortschronik, wie jener verwitterte, der seit 1960 in die Kirchenwand der alten Nicolauskirche eingemauert ist. Einst schmückte der rund 330 Jahre alte Stein die Grabstätte von Jürgen Rust, die sich im Schatten der Nicolauskirche auf dem alten Friedhof befand. Nach rund 500 Jahren wurde der Gottesacker am 1.Januar 1858 geschlossen. Er musste der Dorferneuerung weichen und Platz machen für neue Hofstellen und die heutige Osterstraße, über die derzeit pausenlos Autos rollen. Mit der Einebnung verschwanden auch die Grabsteine. Sie wurden verbaut, zerschlagen oder irgendwo abgelegt, bis auf einige wenige, zu denen auch das eindrucksvolle Monument des Untervoigts Jürgen Rust gehört, der ab 1617 auch Altermann der Kirchengemeinde war.

Mit etwas Geduld lassen sich Hieroglyphen auf dem Granitblock entziffern, die kundtun, dass „All hie liegt begraben, Jürgen Rust, welcher in Anno 1587 in diese Welt geboren. In seinem 19. Jahr hat er sich zum ersten Mahl in den Standt der Heiligen Ehe begeben. A.O. 1617 ist er dieser Kirchen Altermann worden und dasselbige Amt verwaltet 48 Jahr. A.O. 1637 ist er dieses Orts Untervagt worden und dasselbige verwaltet 27 Jahr. A. O. 1664 den 18. Octobris ist er in Gott seligen Schaffens seines Alters 77 Jahr ...attey an 25 Capittel - Ey, frommer und getreuer Knecht, Du bist über wenige Getreuen gewesen. Ich will Dich über viele setzen. Gehe ein zu Deines Herren Freude.“
Geht man dieser Inschrift nach, kommt man zum Vollmeierhof an der Osterstraße Nr. 11, einem ehemaligen Lehnsbesitz deren von Ruthenberg, der bereits seit 1540 zum Familienbesitz der Familie Rust gehört. Hier hat vermutlich der Anno 1664 Verstorbene ebenso wie sein Vater, der hochgeschätzte Bartoldt Rust, das Licht der Welt erblickt. Der Bauernhof fiel Anno 1884 einem Feuer zum Opfer. Doch die Rustens verzagten nicht. Sie errichteten 1887 ein neues Haus aus solidem Stein, in dem heute die Familie Rust ihren verdienten Feierabend genießt.
Ein farbenprächtiger Stammbaum schmückt die Diele des einstigen Bauernhauses und eine bebilderte Chronik gibt Auskunft von der Geschichte des Hofes, in die uns der jetzige Hofbesitzer Jürgen Rust einen Einblick gewährte. Kötner und Reihenstellenbesitzer namens Rust gehörten bereits ab 1350 unter Hans von Schwiechelt zum „gud lerthe“. Als die Ländereien später in die Obhut der Adelsfamilie von Ruthenberg kamen, ist bereits von Jürgen Rust die Rede, der als Lehnsmann im Großen Freien großes Ansehen genoss. Abschriften von Urkunden und Auszüge aus Kirchenbüchern lassen erkennen, dass sowohl Bartoldt Rust als auch sein Sohn Jürgen unendlich viel für die Fortentwicklung des Dorfes Lehrte getan haben. Im Mittelpunkt stand allerdings stets der eigene Besitz, der aus zwei verschiedenen Lehnshöfen entstanden ist und seit Jahrhunderten im Brandkataster unter der Hofnummer 11 an der heutigen Osterstraße Nr. 11 geführt wird.
Wie der Grabstein verkündet, war Jürgen Rust nicht nur Altermann der Kirchengemeinde, sondern sorgte auch ab 1637 als Untervoigt in der Gemeinde für Recht und Ordnung. Besonders gefordert war er um 1641/42, als die Schweden aus dem Sarstedter Lager nach Lehrte kamen, plünderten und Menschen schikanierten. Vor allem auf den beliebten Küster Christoph Lange hatten sie es abgesehen. Jürgen Rust, so ist es verbrieft, war es zu verdanken, dass Kirche und Bauernhöfe erhalten blieben.1648 nach Friedensschluss war es sein Verdienst, dass gerechte örtliche Besitzverhältnisse geschaffen und eine Neuordnung über Lehnware, Weinkaufgeld, Hofzins und Dienstgeld zum ehemaligen bischöflichen Grundherrn geklärt wurden. Verständlich, dass noch Jahrzehnte nach seinem Tod mit großer Hochachtung vom „alten Voigt“ gesprochen wurde, der im Oktober 1664 von Pastor Klinkerfuß zur letzten Ruhe geleitet worden war.

Heute erinnert nur noch die Hofstelle Nr. 11 an die einst so einflussreiche Sippe. Tochter Ulrike ist nach Berlin „ausgewandert“ und seine Söhne Dirk und Björn haben andere Berufsziele, so dass der letzte Rust namens Jürgen sich bereits vor gut zehn Jahren entschloss, das Ackern. Sähen und Pflügen aufzugeben, die Ländereien zu verpachten und die landwirtschaftlichen Räume in gewerblich umzuwandeln. Übrig geblieben ist ein zufriedener Rentner und eine schöne Fassade, die nicht nur der Osterstraße zur Zierde gereicht.
Lothar Rolf Luhm

Anmerkung: Inschrift des Grabsteins ist wörtlich übersetzt. Daher auch im Text : Nicht Altarmann, sondern Altermann, was in etwa Dorfältester bedeutet.
Inschrift des Grabsteins,
der unmittelbar am Kircheneingang eingemauert ist. So gut es ging wurden die „Runen“ entziffert:

All hie liegt begraben, Jürgen Rust welcher in Anno 1587 in diese Welt geboren. In seinen 19. Jahr hat er sich zum ersten Mahl in den Standt der Heiligen Ehe begeben.
A.O. 1617 ist er dieser Kirchen Alterman worden und dasselbige Amt verwaltet48 Jahr.
A.O.1637 ist er dieses Orts Untervagt worden und dasselbige verwaltet 27 Jahr.
A.O.1664 sen 18.Octobris ist er in Gott seligen Schaffens seines Alters 77 Jahr.
.attey an 25 Capittel Ey Du frommer und getreuer Knecht , Du bist über wenige Getreuen gewesen. Ich will Dich über viele setzen.
Gehe ein zu Deines Herren Freude.

4 Kommentare

Da stimme ich Günther sehr zu.
Habe vor einigen Tagen die Nikolauskirche besucht
und nun lese ich die Inschrift hier. Wenn man davor
steht, ist es doch etwas schwierig. Danke dafür

Der Text heißt richtig: "Mattey an 25. Capittel" (also Matthäus 25, 21 oder 23).

Tolle Geschichte der Familie Rust. Wenn ich mal wieder in LEhrte bin, werde ich mir den Stein auch mal genau ansehen

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