Dai neie Pastur, dat Ungezeifer und das Plagiat.
In dem Myheimat-Beitrag "Onkel Franz, dai Pastur un dat Ungezeifer" hatte ich über die Wahl des Pastors Rosendorf berichtet (siehe https://www.myheimat.de/lahstedt/gedanken/onkel-fr... ).
Hier folgt noch einmal die Anekdote, wie sie Franz Burgdorff sen. (*1909 †1994) in Ostfälisch-Groß Lafferschem Platt überliefert hat. (Anmerkung: Die Buchstabenfolge ai wird wie ein langes nasales aa (ah) gesprochen):
Dai neie Pastur un dat Ungezeifer
In Gruden Laffer messten se wer en Pastur hem'm. Dai ule was plötzlich weggestarb'n. Hai was en orndlichen Seelsorger ewest, verstund von der Landwirtschaft wat, wei uk von der Hailkunde. Rat wusste hai fast immer.
Nün wolln dai Lafferschen uk möglichst sä ainen wer hem'm.
Unverzag'n Chrischan härr en weitlöftigen Verwandten, dai was in Barbecke Jungpastur. Hai sedde sick mit dene in Verbindung.
Sai verafrieden sick up ainen festen Dag. Von Wolsche woll e'ne täfäde awhalen. Dat gung uk aines Dages an.
Wei se den Wolschen Fühsesteg hinder sick härr'n kammen se in de Reiheneiderung.
"Was sehe ich denn da?. Das sind ja Weinbergschnecken!", seggt dai Pastur Rosendorf. "Dat is doch Ungezeifer°, seggt Chrischan, "da kann man doch nix midde anstellen."
"Aber Herr Unverzagt," seggt dai Pastur", "was meinen Sie wohl, welch herrliches Essen davon meine Frau zuzubereiten versteht. Ich sage Ihnen, das ist eine Delikatesse". - Chrischan schiddle mit en Koppe un sä garnix.
Dai Pastur stelle sick bei 'n Gemaineütschuss vur un hailt seine Antrittspreddigt. Alles gung güt. Balle wurd hai annestellt.
Dat hai sä hille in säner gruden Gemaine anestellt wurd, daruber wundere hai sick. Tä Scheierdings Hairich sä hai deshalb nah ner Teid "Wie mag es wohl gekommen sein, dass ich solch ein Glück hatte, als noch so junger Mensch hier in dieses große Dorf zu kommen? Ich glaube es kommt daher, dass ich zu den Leuten gleich solch engen Kontakt gepflegt habe."
"Nee," sä Hairich Scheierding, "dat kann ick Sai vertellen Herr Pastur. Datt hätt Sai alliene Chrischan Unverzage tä verdanken. Dai hat in der entscheidenden Sitzung eseggt: "Dissene mött wei niehmen, dai fritt üsch dat ganze Ungezeifer weg!"
Der Wahrheitsgehalt dieser Anekdote ist nicht überliefert. Tatsache ist aber, dass es diesen Pastor Rosendorf gegeben hat (*1815 †1886). Er war von 1871 bis 1886 Pastor in Groß Lafferde. Seine Frau Luise konnte vorzüglich kochen. Sie hat u.a. das weltberühmte Kochbuch der Henriette Davidis (Titel: Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche) nach deren Tod in der 25. bis 31. Auflage (1882 bis 1891) fortgeführt.
Nun kommt der Clou:
In dem Büchlein von Langen-Müller, "Die besten Simplicissimus-Witze (ISBN 3-7844-1508-3) aus dem Jahre 1973 ist auf Seite 131 folgendes abgedruckt:
Empfehlende Eigenschaft
Ein Pfarrer bewirbt sich um eine Stelle. Er macht den üblichen Besuch bei den Bauern. In dem Garten des einen findet er essbare Schnecken. Er macht den Bauern darauf aufmerksam und wundert sich sehr, als er sieht, dass die Leute die Tiere nicht zu würdigen verstehen.
Am Sonntag wird er einstimmig gewählt. Beim Hinausgehen tritt der Bauer auf ihn zu: "Herr Pfarrer, dat hew ick makt." "Wieso, lieber Freund?" "Je nu, ick hew de andern vertellt, See freten uns all dat Untüg (Ungeziefer) up!"
Jetzt darf spekuliert werden: Wurde in dieser Sache fremdes geistiges Eigentum benuntzt?
Franz Burgdorf hat seine Anekdote 1973 in seinem Büchlein "Vorwiegend heiter" veröffentlicht, genau in dem Jahre, als das oben zitierte Werk erschien. Besteht hier ein Zusammenhang? Die Simplicissimus-Witze sind ursprünglich in der Satirezeitschrift "Simplicissimus" (gegründet 1896) erschienen. Leider konnte ich bei meinen Recherchen nicht feststellen, wer der Verfasser von "Empfehlende Eigenschaft" war und in welcher Ausgabe des Simplicissimus der Witz erstmals abgedruckt wurde. Vielleicht kann da jemand helfen.
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Wie schön, dass unsere Dialekte noch nicht tot sind! Da ist es dann auch ziemlich egal, woher lustige Geschichten ursprünglich stammen, denn sie sind offensichtlich weit verbreitet und damit volkstümlich geworden. Dazu passt dann der Dialekt ganz besonders!