Burg Steinbrück und Diener zweier Herren
„Geschichten aus der Zeit, als auf der Bierstraße noch die Kutsche hielt“, so lautet die Überschrift eines Artikels in der Peiner Allgemeinen Zeitung (PAZ) vom 09.11.2016.
Dort geht es um die Broschüre „Diener zweier Herren, Henning Böttcher“ des Autors Harry Willich, die im Buchhandel für zehn Euro erworben werden kann. Den Erlös will der Förderverein Burg Steinbrück zum Erhalt der maroden Burgruine verwenden. Das ist eine lobenswerte Initiative, hoffentlich mit großem finanziellem Erfolg.
Zum Zeitungsartikel und zur Broschüre ist einiges anzumerken:
Zunächst wird im Zeitungsartikel der Eindruck erweckt, dass es sich bei der Broschüre um ein neues Werk handelt, welches „jetzt“ veröffentlicht wurde. Richtig ist, dass es bereits im Jahre 2008 im Buchhandel erworben werden konnte.
Willich schreibt, Julius Hundeikers Roman „Alexander von Oberg“ habe ihn zum Verfassen seiner Broschüre veranlasst.
Hundeikers Buch ist ein historisch-romantisches Gemälde. So steht es auf dem Titelblatt. Modern ausgedrückt: Ein Historienroman.
Das gilt auch für Willichs Broschüre. Er selbst bezeichnet sie als Romanerzählung (Seite 1) und so muss man sie auch lesen und verstehen, denn ihr geschichtlicher Wahrheitsgehalt ist äußerst begrenzt. Das trifft sowohl auf Henning Böttcher als auch auf die übrigen Erzählungen zu. Der Zeitungsartikel führt auf eine falsche Fährte. Er suggeriert ein seriöses Geschichtswerk.
Den Protagonisten Henning Böttcher hat es tatsächlich gegeben. Laut Böttcherscher Familienchronik wurde er um 1500 geboren und starb 1575. Von der Geburt „auf dem Hof an der Saustraße“ (siehe PAZ) steht dort nichts geschrieben.
In Hundeikers Roman ist Böttcher nicht erwähnt. Soweit im Zeitungsartikel und in der Broschüre behauptet wird, er habe Seite an Seite mit Fritz von Oberg die Burg Peine verteidigt, handelt es sich um reine Spekulationen.
Die Biographie Henning Böttchers und dessen Aktivitäten in der Stiftsfehde (1519 – 1523) sind in der Böttcherschen Familienchronik nachzulesen:
• Er trug im Wesentlichen durch Aufklärungsarbeit zum Sieg der Verbündeten über Herzog Heinrich den Jüngeren in der Schlacht von Soltau am 28.06.1519 bei.
• Es gelang ihm am 14.10.1521 durch beherztes Eingreifen mit dem Vortrab eines Entsatz-Heeres, die Belagerer der Burg Peine zum Rückzug zu bewegen.
Über die im PAZ-Artikel behauptete Teilnahme Böttchers an der Schlacht von Sievershausen (23.06.1553) gibt es in der Familienchronik keine Hinweise.
Dass der Leser in eine Zeit zurückversetzt wird, in der noch Postkutschen in der Bierstraße hielten (so die PAZ), entbehrt jeder geschichtlichen Realität.
Henning Böttcher war schon 25 Jahre tot, als ab 1601 eine Fußbotenpost von Köln über Paderborn und Hildesheim nach Braunschweig betrieben wurde. Wohlgemerkt: Es handelte sich um Postboten zu Fuß. Diese Botenpost bestand bis 1661.
Erst im Jahre 1634 wurde eine Postlinie von Frankfurt nach Hamburg eingerichtet, welche auch Groß Lafferde berührte. Die eigentliche Poststation befand sich bis zum 19.07.1634 im Amtshaus in Steinbrück (siehe Heinrich Munk, 325 Jahre Post in Groß Lafferde, Sonderdruck aus Heft 8 der Postgeschichtlichen Blätter Hannover/Braunschweig). Das könnte für Groß Lafferde der Beginn des mehr oder weniger regelmäßigen Postverkehrs gewesen sein.
Auf der Trasse der heutigen Bierstraße hätten die Postwagen zu Henning Böttchers Zeiten nicht fahren können, denn es gab diese Straße noch nicht und der Fernhandelsweg führte seinerzeit vom Südwestrand des Dorfes über den Torhof nach Nordosten in Richtung Lange Wiese.
Die später am Nordrand des Dorfes angelegte Bierstraße war ursprünglich eine rein innerörtliche Verkehrsverbindung. Sie reichte in etwa von der Kreuzung Marktstraße/Zum Lafferder Busch bis zur Kreuzung An der Kättge/L472. Der Name ist erstmals im Sterberegister des Jahres 1730 (KB 5/1730) beurkundet. Drei Jahrzehnte zuvor (1701) hatte Christian Hilmar Böttcher ein Meiergut erworben. Auf dessen Hofstelle, am Nordrand der Bierstraße gelegen, errichte er nach der Übernahme des Postverwalteramtes eine Gastwirtschaft.
Schlussbemerkung:
Diener zweier Herren ist durchaus lesenswert. Man sollte die Schrift aber als romanhafte Abhandlung betrachten und nicht alles für bare Münze nehmen.
Jeder Käufer hilft der Burg Steinbrück!