Laudatio auf eine Rauschenberger Hausschlachtung
Laudatio auf eine Rauschenberger Hausschlachtung
Eine Gedicht über eine schöne Kindheitserinnerung
Ist ein roher Schinken köstlich fein,
darf er nur in Salzlake gebadet sein....
So denke ich voll Wehmut zurück
an Zeiten ohne Gewürzmischung und Wurstfabrik.
Von drei Hauptpersonen erzählt mein Gedicht,
doch vergessen sind die zahlreichen Helfer nicht.
Von denen sei nur meine Mutter Lisbeth genannt,
unermüdlich im Einsatz mit fleißiger Hand.
Da war der Hannes, mein Vater und Bauer
und Herr Trusheim, der Tierarzt und Fleischbeschauer.
Die Hauptperson bei dem Schlachtegeschehen,
war Hausmetzger Andres, ohne den tat es nicht gehen.
Damals, in meiner Kindheit, da war
die Hausschlachtung für mich ein Highlight im Jahr.
Was war ich froh, wenn ich vernommen:
„Der Metzger Andres wird in den Ferien kommen.“
Da konnte ich ständig schauen und hören
und kein Schulbesuch konnte dabei mich stören.
Lang ist es her, dass dieses Team
mich tat in seinen Banne ziehn.
Kennedy hatte sich noch nicht zum Berliner ernannt,
die waren bei uns nur als Kräppel bekannt.
Und der schnellste Mensch auf Erden,
tat damals Armin Harry werden.
Die Beatles spielten noch im Starclub für Geld
und die Kubakrise bedrohte die Welt.
Doch jetzt zurück zur Schlachtaktion,
ich schreib‘s euch gern, ganz ohne Lohn.
Das Töten vom Schwein, das tat ich vermeiden,
aus der Ferne beäugte ich auch das Aufschneiden.
Blutrühren und Därmesäubern bekam ich zwar mit,
doch dieser Teil der Schlachtung war nicht mein Favorit.
Erst als das Schwein da hing so geteilt
und endlich Herr Trusheim kam angeeilt,
da bezog ich als Beobachter meine Position.
Da sitzen die drei Herren ja schon....
Der Fleischbeschauer schreitet jetzt zur Tat,
wozu er sein Mikroskop mitgebracht hat.
Die Lieblingsplätze der Trichinen er inspiziert,
ob das geschlachtete Schwein ist vielleicht infiltriert.
Hurra – Herr Trusheim hat nichts gefunden:
„Lasst euch die Sau nur tüchtig munden.
Komm, Hannes, eine Flasche Wein,
dieser Anlass muss gefeiert sein.“
Tut Weingenuss die Zunge laben,
dann will die Nase auch was haben.
Bei Zigarrenrauch, weiß jedermann,
steigt die Gemütlichkeit noch an.
Mich schickt man los auf flotten Sohlen,
in der Wohnstube muss ich die Zigarrenkiste holen.
Mir selbst, mir ist schon länger klar,
jetzt kommt die Prozedur wie jedes Jahr.
Ich weiß es jetzt schon ganz genau:
Es kommt ein Gedicht auf diese Sau.
„Ein Bleistift und ein Zeichenblatt!“
Diesen Wunsch der Tierarzt hat.
Als Multitalent tritt er jetzt auf
und der Abend, der nimmt seinen Lauf.
„Ein Schwein, das darf man nicht verzehren,
ohne vorher es zu ehren!“
Der Bleistift malt mal dick mal fein
und kunstvoll entsteht auf dem Papier ein Schwein.
Das hält der Maler in die Runde
und dann ertönt aus seinem Munde,
ein Gedicht, das reimt genau
und handelt von der armen Sau.
Die man heute nicht aus Jux und Spaß
geopfert hat dem Mensch zum Fraß.
Hausmetzger Andres, ungehemmt,
entwickelt jetzt auch sein Talent.
Seine Geschichten sind es und seine Lieder,
die höre ich jedes Jahr gern wieder.
Germanen auf Bärenhäuten und die Wacht am Rhein,
das packt er alles da hinein.
Aufbruch jetzt? Der Hannes sagt: „Nein!
Zuerst gibt es mal neuen Wein.“
So wird diskutiert, was gerade gefällt,
über dies und das, über Gott und die Welt.
Die Zeit, die ist schon fortgerannt,
und Handys sind noch unbekannt.
Was dann passiert, geschieht ganz leicht,
wenn der Tierarzt wird nicht gleich erreicht,
weil er zu lange nicht daheim
und nicht beim Telefon kann sein.
Durch den Zigarrenrauch, da kann
man kaum sehen den armen Bauersmann,
der aufgeregt zum Tierarzt spricht:
„Mein Pferd, das fohlt mir richtig nicht.“
Da drängt noch jemand über die Schwelle:
„Ich brauche sie heute noch sofort auf der Stelle.
Sie müssen bei uns die Kuh noch besamen!“
Aber der Tierarzt zeigt erst Erbarmen
nachdem alle noch einmal ein paar Zeilen gehört
und somit das Schwein ist ausführlich geehrt.
Ich freue mich, ja, das war genau
der richtige Todestag für die arme Sau.
Am nächsten Tag wird sie zerlegt
und während Metzger Andres sägt,
beilt und schneidet ich bestaune
seine Handwerkskunst und seine gute Laune.
So lerne ich für mein ganzes Leben,
dass Senf und Ketchup es braucht nicht zu geben,
wenn Fleisch und Wurst sind ein Qualitätsgenuss
und man ihre Minderwertigkeit nicht überdecken muss.
Fleisch und Gewürze abwiegen beim Schlachten?
Das tut wahre Handwerkskunst verachten.
Hausmeister Andres‘ Erfahrung bestimmt,
wieviel Wurschtekraut er nimmt.
Braten und Kotlett warten auf die Truhe,
unter die Emsigkeit mischt sich endlich Ruhe.
Nur Vater Hannes, der bewacht
- manchmal noch bis zur späten Nacht -
den Kessel, damit die Kochwurst wird gut,
während die rote Wurst schon auf den Stangen ruht.
Jetzt läutet er die letzte Runde ein,
ein besonderer Genuss soll die Wurstsuppe sein.
Auch das Wurstfett wird besser, wird beim Kochen
eine schwarze Blase geopfert, indem sie zerstochen.
So sitzen dann alle abends am Tisch,
Wurstsuppe und Wellfleisch sind ganz frisch,
loben Andres, das Schwein und den Lieben Gott
und die ganze Mannschaft, die wieder ganz flott.
Und beim Fettspalter-Schnaps, da sitze ich da
und freue mich schon wieder auf das nächste Jahr.