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"Zugang führte durch ein Torhaus..."

In der Nähe von Langenstein befindet sich der Hof Netz, über dessen Geschichte ich heute berichten möchte.

Auf halber Strecke von Kirchhain nach Stadtallendorf liegt Hof Netz, eingebettet zwischen Main-Weser-Bahn und der stark befahrenen B 454. Als ich mit meinem Auto auf den Hof fuhr, wurde ich neugierig von zwei Hunden empfangen. Neben einem Eichertraktor stand der heute 87-jährige Hofbesitzer Ludwig Dönges und reichte mir freundlich lächelnd die Hand. Herr Dönges zeigte mir gerne das Anwesen und erzählte von seiner Familie und dem Leben und Arbeiten auf dem Hof. So erfuhr ich, dass sein Großvater das Anwesen erwarb, er selbst bereits mit elf Jahren mit der Sense Gras mähte und bis 1972 zwei Pferde bei der Feldarbeit eingesetzt wurden.

Am 03. November 1891 erwarb Kaspar Dönges den Hof mit Grundbesitz von Ernst Klie. Die Geschichte dieses Hofes geht weit zurück und Herr Dr. Alfred Schneider, Amöneburg, hat sie ausführlich dokumentiert. In den "Amöneburger Blättern" des Jahres 1997 berichtet Herr Dr. Schneider dass "...die heutige Hofstelle bereits zwischen 750 - 779 als 'Nezzaha' in den Schenkungsregistern des Klosters Fulda erwähnt wurde...".

Nachfolgende Besitzer sind in Herrn Dr. Schneiders Veröffentlichung aufgeführt:
- im Jahre 1577 der Marburger Rentmeister Johann Saalfeld
- im Jahre 1605 der hessische Rat Johannes Magnus (d.h. 'Groß')
- im Jahre 1628 der hessisch-darmstädtische Amtmann und Rentmeister Andreas von Gall (dessen Familie es bis zum Jahre 1816 besaß)
- am 13. April 1816 die Freiherren von Fürstenberg in Herdringen (bei Hüsten/Westfalen)
- am 08. März 1836 der Großherzogliche Oberforstmeister Friedrich von Dörnberg zu Dittershausen und Hausen sowie der Königlich-preußische Oberforstmeister Karl Wilhelm von Dörnberg zu Herzberg
- am 16. September 1879 der Landwirt Johannes Weber und dessen Ehefrau Helene
- am 19. Februar 1884 Joseph Wieber aus Niederklein
- am 14. Mai 1887 Moses Stern aus Niederklein
- am 02. August 1889 Ernst Klie aus Kassel-Wehlheiden.

Aus den 'Amöneburger Blättern' erfahren wir auch Wissenswertes über die Gebäude:
"...Auf den Marburger Rentmeister Johann Saalfeld ... könnte auch die Errichtung des Anwesens zurückgehen, das wohl um 1560/70 entstand. ...Über das Aussehen und die Ausdehnung des Anwesens erfahren wir dann erstmals im Jahre 1751 genauere Einzelheiten, als Dorf und Gemarkung Langenstein vermessen und in einer Karte verzeichnet wurden. Danach war das Herrenhaus gleich einer hochmittelalterlichen Turmhügelbefestigung allseitig von einem breiten Wassergraben umgeben, über den zur Hofseite hin eine Brücke führte. Letztere bestand aus der Mühle und den Hofgebäuden. ...Auf der Hofstelle standen weitere 3 Gebäude, deren Funktion jedoch nicht aus der Karte hervorgeht. Der Zugang in den Hof führte durch ein im Süden errichtetes Torhaus, in dem sich nach der angeführten Bildskizze von 1728 eine Wohnung befand.
...Am 17. Juni 1836 wird das Anwesen von Osten her beschrieben, ausgehend von der Scheune:
- Scheuer mit 2 Schaafställen
- vier Schweineställe
- Pferdestall an der Mühle
- Rindviehstall an der Mühle
- Mühle
- Schlagmühle
- zerfallene Mahlmühle
- gangbare Mahlmühle
- Brennerei
- Schmiede
- Backofen
- Wohnhaus mit 2. und 3. Etage - Kammer rechts der Hausthüre, Küche, Nebenkammer an der Küche, Hausgang unten, unteren Stube, Grünen Stube und Cabinett, Gelbe Stube nebst Cabinett, Reservistenstube, blaue Stübchen, Marmorstube, Saal, Stube nach dem Hofe rechts, hintere blaue Stübchen, Speicher. ..."

Nur eine Seite weiter beschreibt Herr Dr. Schneider weitere Änderungen:
" ...Im Umfeld des Hofes brachte der Bau der Main-Weser-Bahn 1850/51 Veränderungen mit sich, die eine Beseitigung des Mühlteiches und die Verlegung des Zulaufgrabens nach sich zogen; auch westlich und nordwestlich des Hofes wurden neue Gräben gezogen bzw. ältere begradigt. ...Die Hofstelle bestand jetzt aus dem Herrenhaus mit umgebenden Wassergraben, dem Mühlengebäude mit Stallungen, einer Scheune und dem Backhaus. ..."

Zur Zeit des Erwerbs durch Herrn Kaspar Dönges bestand Hof Netz lt. dem Brandkataster von 1879 aus folgenden Gebäuden: Wohnhaus mit Mühle und Stallung, eine Scheune mit Stall, ein Backhaus mit Stall. Zu diesem Zeitpunkt war das Herrenhaus bereits abgebrochen.

Heute ist nur schwerlich an den Bodenerhebungen zu erkennen, dass hier mehr Gebäude standen und das Gelände ein Wallgraben umgab. Für den Betrachter ist es auch schwer vorstellbar, dass der zwischen der Hofstelle und der Main-Weser-Bahn still vor sich hin plätschernde 'Netzebach' einmal eine oberschlägige Mühle angetrieben hat.

Die alte Straße von Kirchhain nach Stadtallendorf ist heute ein Radweg und führt direkt an Hof Netz vorbei, parallel zur B 454. Sollten Sie hier einmal unterwegs sein, so machen Sie hier Rast und suchen das Gespräch mit Herrn Dönges. Es lohnt sich.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein schönes, schnee- und auch frostfreies Osterfest und Danke auf diesem Wege Herrn Dönges für seine freundlichen Auskünfte.

  • Bildskizze über den "Netz-Hoff" aus dem Jahre 1728. (Quelle: "Amöneburger Blätter", Heft 2, 1997 von Herrn Dr. Schneider)
  • hochgeladen von Hans-Christoph Nahrgang
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  • Ansicht des früheren Herrenhausen von Südwesten her. (Quelle: "Amöneburger Blätter", Heft 3, 1997 von Herrn Dr. Schneider)
  • hochgeladen von Hans-Christoph Nahrgang
  • Bild 11 / 11

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5 Kommentare

Danke für diesen interessanten Bericht, auch ich wünsche eine schöne Osterzeit

Grüße aus Seelze
Dieter

Danke für diesen tollen Bericht! Da fährt man fast täglich vorbei und beachtet den Hof kaum.... Jetzt sehe ich Hof Netz mit anderen Augen!

Sehr gut recherchiert und beschrieben. Die eine oder andere Ahnengeschichte hätte den Bericht etwas auflockern können.

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