Kirmestraditionen
Die Kirchweihfeste der Gemeinden sind in diesem Jahr bereits mehr oder weniger erfolgreich beendet. Wie die meisten Dinge so haben auch die Kirchweihfeste einen Wandel erlebt. Noch vor einigen Jahren fanden die Tanzabende in den Sälen der örtlichen Gaststätten statt - heute sind es meistens Zelte und Discoabende. Die traditionellen Kirchweihfeste begannen zum Teil mit dem "Ausgraben" der Kirmes und dem aufstellen eines Kirmesbaums. Gefeiert wurde von Samstag- bis Montagabend. Gemeinsam mit den Musikanten zog man am Kirmesmontag im Dorf von Haus zu Haus. Hierbei wurde auf jedem Hof ein Lied gespielt und die Besitzer spendierten Eier und Schnaps. Vierzehn Tage nach Ende der Kirmes trug man die diesjährige Kirchweih zu Grabe.
In vielen Gemeinden gerieten die Kirchweihtraditionen in Vergessenheit und man feierte den modernen Zeiten entsprechend. Zur Zeit erleben wir jedoch, das die Besucherzahlen der Feste rückläufig sind und vielfach aus Kostengründen das Fest bereits am Sonntagabend ausklingt.
In dem Heft "Hessenspiegel" vom 22. August 1925 habe ich auf den Seiten 456 - 458 die nachstehende Beschreibung eines Kirchweihfestes in der Gemeinde Bieber (heute Main-Kinzig-Kreis) gefunden:...Kerbsamstag - ...Die Glocke der nahen Kirche verkündet die Mittagsstunde. Erst gehts zur Zehntscheune; an der vier Wochen vorher das "Kerbleibchen", eine ausgestopfte Puppe, als Vorbote der "Kerb" angebracht worden ist. Heute wird nämlich der "Kerbbaum" herumgetragen. Endlich kommen zwei Burschen mit einer großen Fichte. Vor dem Hause des "Kerbmädchen" machen die Burschen mit dem "Kerbbaum" zuerst halt. Das "Kerbmädchen" befestigt einen Blumenstrauß als "Kerbstrauß" an der Spitze des Baumes. An einen Ast bindet sie dann noch ein nagelneuesTaschentuch. Mit dem "Kerbbaum" geht es weiter von Haus zu Haus, wo auch jedes andere Mädchen oder die Hausfrau ein Taschentuch bereithält. So vergehen mehrere Stunden, und immer mehr Taschentücher schmücken die Fichte. Nun geht`s mit dem "Kerbbaum" in die Wirtschaft, dieselbe, in der am anderen Tage "Kerb" gehalten wird. Gegen acht Uhr versammelt man sich wieder vor der Zehntscheune. Von der Kerbwirtschaft her kommt Musik, und im Zuge bringen nun die "Kerbburschen" den mit Taschentüchern gezierten "Kerbbaum" auf den freien Platz vor der "Zehntscheune". Nun wird der "Kerbbaum" an einen langen, dicken Stamm genagelt. Viele Männer und Burschen sind mit Leitern da. Der Stamm mit der befestigten Fichte wird hochgehoben, gestützt und in die Erde verkeilt. Die Erwachsenen ziehen dann zum Wirtshaus, wo ein guter Trunk und fröhliche Musik sie noch lange zusammen halten.
Kerbsonntag - Der Nachmittagsgottesdienst und mit ihm die kirchliche Feier des Kirchweihfestes sind soeben zu Ende. Das "Kerbmädchen" wird nun von den "Kerbburschen" zu Hause abgeholt. Es überreicht einem "Kerbburschen" einen Bundkuchen mit einer Flasche Wein in der Mitte. Der Kuchen ist noch mit einem Blumenkranz geschmückt. Nachdem die Burschen sich bei den Eltern des Mädchens an Kaffee und Kuchen gelabt haben, wird auf deren Wohl noch eine Flasche Wein getrunken. Vor der Haustüre stellt dann der eine Bursche die "Kerbbraut " den Umstehenden vor und läßt sie nebst Eltern hochleben. Nun geht es, in einer genau festgelegten Reihenfolge der neben und hintereinandergehenden "Kerbburschen" , unter den Klängen der Musik zum "Kerbbaum". Von hier aus zieht die ganze Gemeinde, angeführt von den "Kerbburschen" zur Kerbwirtschaft. Hier wird das Tanzvergnügen durch drei Solotänze des "Kerbmädchens" mit dem vorher dazu bestimmten "Kerbburschen" eröffnet. So herrscht ein fröhlich munteres Treiben den ganzen Nachmittag bis gegen 2 Uhr morgens. Die Musikanten ziehen nun von Haus zu Haus, um den schon in tiefem Schlafe Ruhenden noch ein Ständchen zu bringen. Dafür wird ihnen vom Fenster aus noch manch Trinkgeld zugeworfen.
Kerbmontag - Heute ist der "Kerbmarkt" und am Abend finden sich jung und alt nochmals zu fröhlichem Tanze zusammen.
Kerbdienstag - Den Schluß der "Kerb" bilden am Dienstag die "Kerbnarren", die als "Bremer Stadtmusikanten" im Dorfe umherziehen. Am Abend wird dann auch das Wahrzeichen der "Kerb", der "Kerbbaum" umgelegt.
Soweit die Schilderung von Herrn M. Will über die Kerb.
Wenn wir alle einmal überlegen, so erinnern wir uns sicher noch an Kirmestraditionen in unseren Gemeinden - oder etwa nicht ? Vielleicht kann man die eine oder andere Tradition wieder beleben und damit auch dem Kirchweihfest (es ist ja eigentlich ein kirchliches Fest !!) zu neuem Leben verhelfen.
Kirmes wird doch da und dort noch gefeiert, oder?