Hohe Teilnehmerzahl bei der Heuchelheimer Stolpersteinverlegung überraschte
Am Samstagmorgen 9,00 Uhr wurde mit dem Verlegen der Stolpersteine in Heuchelheim, am Haus Bachstraße 23 begonnen. Bürgermeister Steinz begrüßte alle, die sich für diesen Tag, an dieser Stelle eingetroffen haben, um an die dunkle Zeit in der Geschichte Heuchelheims zu erinnern. Darunter auch Familie Süßkind aus Israel und einige Zeitzeugen. Nach der Begrüßung wurde das Mikro an den Künstler Gunter Demning überreicht. Dieser berichtete über seine Arbeit und die Erfahrungen, die er in den 20 Jahren seiner Erinnerungsarbeit gemacht hat. Warum Steine zum Gedenken? Nun, kaum ein Hausbesitzer ist mit dem Anbringen einer Gedenkplatte an der Hausfassade einverstanden. Hausbesitzer haben immer noch Angst vor Beschuldigungen und Vorwürfen, obwohl viele die Häuser gar nicht direkt aus jüdischen Besitz übernommen haben. Die kleinen Steine mit der Messingplatte haben noch einen Vorteil. Um zu lesen, was darauf geschrieben ist, beugt man sich nach unten, und verneigt sich so vor den Opfern. Man bemerkt das Alter der Menschen und bekommt anders als im normalen Schulunterricht ein Bild von den Menschen, von den Schicksalen die sich hinter den Namen verbergen. Das Mikro wurde weitergereicht und die Geschichte der Familie Ludwig Schönberg dargelegt. Der jüdische Metzger und Viehhändler lebte dort mit seiner Frau Rosa und seinem Sohn Herbert. Man erzählte wie Ludwig Schönberg neben dem Judenstern, den man ja tragen musste, auch sein eisernes Kreuz 1. Klasse trug, in der Hoffnung es würde ihn und seine Familie beschützen. Man erzählte, dass Rosa Schönberg bei den Kindern in der Straße beliebt war. Man nannte sie auch Tante Rosa. Es wurde berichtet, wie es war, als in der Pogromnacht die Metzgerei verwüstet und die Möbel aus den Fenstern der Wohnung auf die Straße und in den Bach geworfen wurde. Man erzählte, wie die Familie nicht mehr einkaufen gehen konnte, wie keiner mehr mit ihnen Geschäfte machte. Man erzählte, das es Menschen gab, die für sie einkauften, die mit ihnen redeten und die sich damit selbst in Gefahr brachten. Man berichtete, dass unter den Angreifern in der Pogromnacht Heuchelheimer waren, dass Heuchelheimer Heuchelheimer verpfiffen. Es wurde deutlich wie sehr sich das Leben der jüdischen Familie veränderte. Eine Zeitzeugin lies berichten, wie es war, als Tante Rosa 1942 mit einem Sack über der Schulter und zwei Koffer in den Händen den Weg über die Brücke ging, Richtung Rathausplatz.Wie sie von ihren Eltern weggeschickt wurde, als sie fragte was mit Tante Rosa passiert, wo sie hingeht. Sie beschrieb, wie sich Tante Rosa noch einmal umdrehte und zum Abschied winkte. Die Zeitzeugin war damals ein kleines Kind und doch konnte sich die Frau gut erinnern, an ihre Tante Rosa. Als sie mit zitternden Händen und sichtbar gerührt die gelben Rosen vor die Steine legte, bedankte sie sich, dass sie das noch erleben durfte. Sie bedankte sich, dass so viele junge Menschen an der Aktion Stolpersteine teilgenommen haben. Sie bedankte sich, dass nun Tante Rosa und ihre Familie nicht mehr vergessen werden wird. Die Familie Schönberg wurde in Treblinka ermordet. Ludwig Schönberg 61 Jahre - Rosa Schönberg 52 Jahr und Herbert Schönberg wurde 21 Jahre alt.
In den Gesichtern der Teilnehmer konnte man die Traurigkeit sehen, die Betroffenheit und die Stille wich langsam leisen Gesprächen auf dem Weg zum nächsten Verlegeplatz in der Kinzenbacher Straße. Das alte Haus der Familie Sally Süßkind steht nicht mehr. Dort ist nun ein gepflegter Garten. Eine Mappe mit alten Bildern zeigten die Familie und Ihr Haus, indem sie bis zur Zeit des Nationalsozialismus glücklich lebten. Sally und Jenny Süßkind hatten einen Landhandel und züchteten Rinder. Sie sind die Vorfahren der aus Israel angereisten Familie Süßkind.
Der Sohn von Sally und Jenny Süßkind, Karl Siegfried Süßkind ging in Heuchelheim zur Schule, studierte dann in Giessen Medizin. Er ging erst in die Schweiz und pomovierte dort bevor ihm und seiner Frau Traudel die Ausreise nach Israel gelang. Die Geschichte der Familie wurde von Familie Süßkind in englisch vorgetragen und von einer jungen Frau, die sichtlich mit den aufkommenden Gefühlen zu kämpfen hatte ins deutsche übersetzt. Karl Süßkind ist als Einzigem seiner Familie die Flucht nach Israel gelungen. Seine Eltern und die Schwiegermutter starben in Sobibor. Schulkinder der Wilhelm Leuschner Schule erzählten die Geschichte einer Freundschaft zwischen einem jüdischen und einem deutschen Kind. Eine Geschichte die genau in diesem Haus hätte geschehen sein können. Karl Süßkind war gut befreundet mit Otto Bepler. Die Freunde verloren sich. Karl wurde Kinderarzt in Israel und Otto Bürgermeister in Heuchelheim. Seinen Freund Karl hat er nie vergessen. Familie Süßkind bedankte sich bei den Kindern mit einer Medaille bei den Kindern, denn die Kinder erzählten die Geschichte auch in Englisch, was beeindruckte. Weiter ging es zum Haus Gießener Straße 73. Hier wurden die Steine für Meier Süßkind, seine Frau Irene Süßkind und die beiden Töchter Paula und Hedwig Süßkind verlegt. Auch diese Familie lebte vom Viehhandel. Über einen Urgroßvater war die Familie mit der Familie Sally Süßkind verwand. Diese Information war der Familie Süßkind aus Israel wohl neu. Familie Meier Süßkind wurde erst nach Gießen zwangsumgesiedelt. Tochter Hedwig flüchtete in die Niederlande, fand aber trotzdem den Tod in Auschwitz. Irene Süßkind verstarb noch in Gießen an einem Tumor. Meier, seine Tochter Paula und ihr Ehemann wurden 1942 deportiert und ermordet. Auch hier wurde von der Familie berichtet. Es wurde berichtet, wie die Mädchen als Kinder am Zaun standen. Familie Süßkind aus Israel legte auch hier die Rosen nieder. Frau Süßkind bedankte sich noch einmal mit ergreifenden Worten bei allen, die für diesen Tag gearbeitet haben. Sie sagte, dass wir alle Menschen sind. Das wir alle auf eine gemeinsame Geschichte sehen, nur aus unterschiedlichen Sichtwinkeln. Dass wir gemeinsam aus dem Vergangenen lernen können. Sie zeigte auf die Zuhörer und sprach. Heute stehen wir Juden und Christen-Israeli und Deutsche gemeinsam in einem Kreis. Nicht die einen da und die anderen da, sondern gemeinsam. Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit, die uns traurig und betroffen macht. Dies ist aber unsere gemeinsame Zukunft, auf die wir hoffen können. Eine Zukunft des gemeinsamen Gedenkens und der Gemeinamen Hoffnung. Diese Worte gingen allen unter die Haut. Da waren keine Vorwürfe. Da war Dankbarkeit und Freundschaft in diesen Worten. Nachdem man kurzzeitig schweigend da stand, sagte Herr Süßkind locker auf zum Nächsten Stein. Wieder gab es Gespräche auf dem Weg zur Wilhelmstraße 43. Dort angekommen berichtete Pfarrerin Cornelia Weber über die lange verschwiegenen Opfer der Euthanasie. Bewusst hat man sich entschieden, dieser Menschen auch heute zu gedenken. In Haus Wilhelmstraße 43 lebte bis zu ihrem 8. Lebensjahr Irmgard Gernandt mit ihrer Mutter. Irmard hatte durch die lange Geburt Schädigungen des Gehirns erlitten. Das Mädchen konnte kaum laufen oder sprechen. Trotz ihrer Behinderung lachte sie gerne und summte vor sich hin. Sie war fröhlich, was ihre Pfleger wohl störte. Sie wurde von Heilanstalt zu Heilanstalt verlegt. Wenn es besuch von Mutter und Tante gab, freute sie sich sehr. Schließlich wurde der Mutter der Besuch der Tochter untersagt. Man verschwieg, wo das Mädchen hin verlegt worden war. Am 11. Juni 1941 kam Irmgard im Alter von 19 Jahren schließlich nach Hadamar, wo sie direkt getötet worden war. Der Mutter gab man ein falsches Todesdatum und auch die Angaben an was Irmgard starb waren erlogen. Eine Konfirmandin verlas am Elternhaus von Irmgard einen Brief an sie. Auch diese Worte gingen unter die Haut. Irmgard, ich würde die gerne fragen. Warst du traurig, als du von zu Hause weg musstest? Hattest du Heimweh? Hast du jemals im Garten spielen können, die Vögel singen hören und den Duft der Blumen riechen können? Wie war das, als man dir sagte das du nichts kannst und zu nichts zu gebrauchen bist? Diese Worte machten die Zuhörer deutlich nachdenklich. Nur wenige Häuser weiter, am Haus Nummer 37 wurde dann der Stein für Franz Hofmann gelegt. So nah beieinander. Auch er starb in Hadamar im Rahmen der Aktion T4. Franz Hofmann hatte keine leichte Kindheit. Sein Vater verstarb früh. Seine ältere Schwester ebenso. Franz übernahm als ältester Sohn die Aufgaben des Familienoberhauptes und unterstützte seine Mutter. Er erlernte den Beruf des Installateurs. Er war eine große Stütze für seine Familie, bis er plötzlich erkrankte. Bei ihm wurde Schizophrenie diagnostiziert. Das sollte sein Todesurteil sein. Im Alter von nur 32 Jahren wurde er vergast. Auch hier stimmen die Daten nicht. Todeszeitpunkt und Todesursache wurden frei erfunden. Seine Asche wurde genau wie die von Irmgard im Juli 1941 im stillen Kreise der Familie beigesetzt. Auch hier legte Familie Süßkind die Rosen neben die Steine. Danach ging es zum alten Rathaus. Dies ist der letzte Punkt, den alle in Heuchelheim deportierten Juden von ihrem Heimatort zu sehen bekamen. Von dort aus ging der Transport nach Polen in die Gaskammer. Niemand kam zurück. Der Sohn von Otto Bepler hielt an diesem Ort die Abschlussrede. Er erinnerte an das, was sein Vater im November 1988 bereits beim Setzen der Gedenkplatte berichtete. Dass damals bereits die flüchtenden Juden von den anderen Ländern nicht aufgenommen worden waren. Dass Boote und Schiffe versuchten ihre Fracht, Flüchtlinge irgendwo abgeben zu können. Er wies auf die Parallelen zur heutigen Flüchtlingssituation hin. Wieder sind es Boote mit Flüchtlingen, die um Aufnahme bitten. Wieder werden Menschen verfolgt und zurückgewiesen. Wieder verlassen Menschen ihre Heimat aus Angst vor Verfolgung und Tod. Wieder hat man Angst vor den wirtschaftlichen Folgen, wenn man diesen Menschen hilft. Machen wir denselben Fehler wieder oder lernen wir aus der Vergangenheit?
Lasst uns nicht wegsehen, sondern gemeinsam helfen. Zum Abschluss wurde noch ins Gemeindehause der Kirche eingeladen,wo man sich über das was in diesen drei Stunden auf einen einwirkte zu sprechen.
Bleibt zu Hoffen das viele über die verlegten Stolpersteine stolpern, nachdenken und nachfragen. Nur wenn der Name vergessen ist, vergisst man auch die Person und die Geschichte eines Schicksals nicht.
Zum Schluss habe ich für euch noch die Seite des Künstlers
http://www.stolpersteine.eu/start/
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Schön das zu lese. wenn man bedenkt das alle familienfotos, urkunden und alles was die meschen zeigte zur vernichtung freigegeben war wundert es, dass so vieles doch erhalten geblieben ist. sei es das die alten nachbarn die briefe aufgehobe haben, oder eben die kirmesburschenbilder doch nicht alle vernichtet wurden. Manch einer wollte seinen nachbarn und freund nicht vergessen und versteckte die fotos oder die negative. wer als judenfreund ausgemacht war konnte schnell selbst den weg in die vernichtung finden. Selbst einfach nicht in der partei sein war gefährlich. man kkann es sich kaum vorstellen.