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Eine kleine Zeitreise
50 Jahre Esso-Walter

Wir hatten gerade Muttertag und Vatertag, den wir wie in jedem Jahr vor der Jettenhöhle im Hainholz feiernd verbracht hatten, hinter uns gelassen, als ein alter Mann aus unserem Dorf mal wieder zu meiner Großmutter in den Laden kam. Sie verkaufte Mehl, Zucker, Kaffee, Käse und Kittelschürzen und er holte sich jedes Mal ein Stück Kautabak.
Manchmal half ich ihr beim Einsortieren von Konserven oder beim Abwiegen von Schlachtege-würzen. Die beiden unterhielten sich über den neusten Dorfklatsch, der mich nicht wirklich interessierte. Dann horchte ich auf!
„Du bist doch sonst immer mit deinem Moped gekommen. Wieso heute nicht?“
„Ach, das olle Ding fährt nicht mehr.“
„Nanu, was ist passiert?“
„Ich habe bisher immer jede Woche einmal für fünf Mark getankt und meine Quickly ist immer gut gefahren. Jetzt plötzlich ist sie mitten im Dorf einfach so stehengeblieben und hat sich nicht mehr gerührt. Ich habe versucht, sie anzuschieben. Aber das hat nicht funktioniert und da habe ich sie gleich auf die Müllkippe gebracht. Was soll ich mit einem Moped, das nicht fährt?“
Ich kombinierte haarscharf: das Moped war nicht kaputt. Der Alte hatte nicht bedacht, dass der Preis für Benzin gestiegen war. Das heißt: er bekam weniger Benzin für fünf Mark als zuvor. Das einzige Manko, was dieses Moped hatte, war ein leerer Tank.
Ich ließ alles liegen und stehen, schwang mich auf mein schnelles Fahrrad und sauste zur Müll-kippe. Ein Blick in den Tank bestätigte meine Annahme. Ich versteckte mein Fahrrad unter einer Brücke und schob das Moped zu einem Schulfreund, der bereits eine NSU Quickly von seinem Großvater „geerbt“ hatte. Hin und wieder waren wir mit dem Ding heimlich über die Wiesen gefahren und nun hatte ich auch eins. Wir füllten den Tank und traten in die Pedale. Schon nach wenigen Tritten sprang der Motor an. Mein Freund holte „sein“ Moped hervor und schon folgte eine wilde Jagd über die Feldwege.
Ein paar Tage später, der Sprit war mal wieder alle, nahm ich all meinen Mut zusammen und fuhr über den Berg zur Tankstelle von Esso-Walter.
Walter Grüneberg hatte Mitte der 1960er Jahre im Eichholz in Herzberg eine Esso-Tankstelle übernommen. Diese hatte sich schnell zu einem Treffpunkt entwickelt. Damals machten sogar Film- und Fernsehstars wie z. B. Peer Augustinski oder Heinz Ehrhard dort halt, um auf dem Weg in den Harz-Urlaub ihre Autos aufzutanken. Ich war oft mit meinem Vater dort gewesen. Nun war ich – also die nächste Generation – an der Reihe.
Ein wenig mulmig war mir schon, als ich an der Zweitaktsäule meinen Tank befüllte. Schließlich hatte ich weder Führerschein noch eine Versicherung abgeschlossen. Beim Bezahlen im Kassen-raum blickte mich Walter freundlich an.
„Mach dir keine Sorgen. Ich werde dich nicht verraten. Dein Vater und ich sind früher auch heimlich mit der alten 98er Mars über die Wiesen gebrettert. Fahr dir nur nicht den Hals ab. Den ersten Sprit deines Lebens schenke ich dir heute. Nun hau ab und lass dich nicht erwischen!“
Mit schlotternden Knien trat ich den Heimweg an. Tja, das war meine erste aktive Berührung mit Esso-Walter Ende Mai 1974.
Seitdem bin ich unzählige Male dort gewesen. Walter hatte die erste Autowaschanlage, in dem ich mein erstes Auto, einen grünen Opel Kadett, waschen ließ. Wie oft habe ich meine Motorräder mit dem Dampfstrahler bei Esso-Wal-ter gereinigt?
Später zog ich den Norden Deutschlands, eröffnete meine ers-te Schmerztherapie-Praxis, stu-dierte in Ostasien und wer weiß noch wo alles. Aber immer, wenn ich wieder mal in heimatlichen Ge-filden unterwegs war, kuckte ich bei Esso-Walter rein.
Jörg Peters & Lars Fröhlich 1993 übernahm das Ehepaar Fröh-lich die Firma, die inzwischen in Classic-Tankstelle umbenannt wurde, samt Auto- und Motor-radwerkstatt und modernisierte den Laden von Grund auf.
Ich hielt ihnen die Treue. Noch heute – ich bin vor vielen Jahren wieder in den Harz zurück-gezogen – bin ich zwei oder drei Mal in der Woche dort, um meinen unvergleichlich schmack-haften Kakao zu trinken, meine Tanks zu füllen, meine Motorräder warten zulassen oder meine Autos zu waschen.
Ich danke Walter, seiner leider schon verstorbenen Frau, dem Ehepaar Fröhlich und den unge-zählten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die gefühlt ewig andauernde freundliche Be-dienung. Früher traf mach sich bei Esso-Walter, heute bei der „fröhlichen“ Tanke.

Jörch Peters ut Lutterbarch

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