Nur wenige alte Bauernhäuser erzählen von den Dörfern in Hannovers Süden
Etwas abseits und verborgen liegt an der Reichelmstraße 5 in Döhren ein Schmuckstück, eines der schönsten Häuser im Stadtteil. Es ist ein altes Fachwerkgebäude – das letzte in Döhren - , ein Relikt aus einer Zeit, als der Ort noch ein Bauerndorf an der Leine weit vor den Toren der Stadt war. Wie Döhren haben die heutigen Stadtteile (Wülferode einmal ausgenommen) nach der Eingemeindung ihr dörfliches Gesicht verloren. Oft sind nur noch an einigen Ecken Zeugen der ehemaligen Bauern erhalten geblieben. Nur wenige Eigentümer hegen und pflegen die historische Bausubstanz. Oftmals haben Bagger und Fallbirne dem Fachwerk aus Großvaters Zeiten ein Ende bereitet.
Vor fast 27 Jahren verfasste ich einen Text zu den alten Bauernhäusern im Stadtgebiet. Diesen Text stelle ich jetzt hier – nach und nach im Rahmen einer kleinen Mini-Serie - auf myHeimat vor. Im ersten Teil geht es um das südliche Stadtgebiet. Ob noch alle 1992 genannten Bauernhäuser vorhanden sind, habe ich nicht kontrolliert. Der damalige Text soll weitgehend in der ursprünglichen Fassung erscheinen. Schön wäre es indes, wenn MyHeimatler aus Hannover vielleicht einmal vor ihrer Haustür nachschauten und aktuelle Informationen und Ergänzungen dann als Kommentar zu diesem Bericht veröffentlichen würden.
Unerbittlich nagt der Zahn der Zeit in Döhren an den überkommenden Strukturen des mehr als 1000jährigen Ortes. Die großen Höfe wie die der Familien Abelmann und Peters oder das Gasthaus Pieper gibt es schon lange nicht mehr. Erst in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts – zu einer Zeit, als man schon mehr Interesse an der eigenen Geschichte hätte erwarten dürfen – wurden zwei der letzten Bauernhäuser niedergerissen. Der ehemalige Vierständerbau an der Ecke Wiehbergstraße / Am Lindenhofe wurde jahrelang durch eine Brachfläche ersetzt, bis dann ein Wohnhaus gebaut wurde. Das hübsche Haus Kracke neben der Leinebrücke an der Frobösestraße musste einem Häuschen des Stadtentwässerungsamtes weichen. Auf das Bauwerk an der Reichelmstraße aber haben nun die Denkmalpfleger ihr wachsames Auge geworfen. Es steht auf der Liste der Baudenkmale.
Um 1800 errichteten die Zimmerleute das geschichtsträchtige Wohngebäude. Damals war es Bestandteil einer größeren Hofanlage. Der Bau der Reichelmstraße veränderte die Situation nachhaltig. War das Haus ursprünglich giebelständig zur Straße Am Lindenhofe Orientiert, so hat sich heute die Nordseite zur Hauptfassade gemausert. In der Denkmaltopograhie von Hannover wird geradezu geschwärmt: „Der hervorragende Zustand des Gebäudes einschließlich der erhaltenen Sprossenfester gibt dem Bau neben der wichtigen historischen Bedeutung seinen besonderen Rang innerhalb der Döhrener Architektur“, heißt es darin.
Erinnerungen an die bäuerliche Vergangenheit weckte auch die Gastwirtschaft Wichmann an der Hildesheimer Straße 230. Wo lange Zeit gutbetuchte Gäste vornehm speisten, wurde 1885 das Vieh gefüttert. Denn ursprünglich war das Gebäude der Stall eines kleinen Aussiedlerhofes an der Hildesheimer Chaussee außerhalb des eigentlichen Dorfes.
An dieser Stelle muss nun doch ein Sprung in die Gegenwart erfolgen. Auch die Gastwirtschaft Wichmann stand unter Denkmalschutz. Als dann bekannt wurde, dass der letzte Gastwirt den Betrieb aufgeben wollte und einen Käufer für das Grundstück suchte (übrigens, auf myHeimat wurde darüber als erstes berichtet, erst viel später wachten auch die professionellen Journalisten auf und schrieben in den Zeitungen darüber), kam heraus, das zwischenzeitlich die Denkmaleigenschaft aberkannt worden war. Dem Bezirksrat Döhren-Wülfel gelang es zwar, eine Erhaltungssatzung zu initiieren. Doch muss danach nur die Anmutung erhalten bleiben. Die Folge: Zwischenzeitlich steht nur noch die Ost- und Nordfassade, das eigentliche Gebäude wurde abgerissen.
Im benachbarten Wülfel sind die alten Bauernhäuser den Industrieansiedlungen zum Opfer gefallen. Fabriken verdrängten die Gehöfte zwischen Wiehbergstraße, Stiegelmeyerstraße, Pieperstraße und Am Mittelfeld. Schon aus Berichten um 1910 geht hervor, dass „die großen Höfe mit den niedersächsischen Bauernhäusern“ durch die Industrialisierung verschwunden sind und die städtische Bebauung um sich greife. Nur ein bereits stark verändertes Gebäude des vormaligen Hofes Küken markiert die Lage des 1234 erstmals urkundlich erwähnten Dorfes. Der Bezirksrat regte schon in den 80ger Jahren des vorigen Jahrhunderts an, das Haus unter Denkmalschutz zu stellen, die Idee wurde aber abgelehnt. „Zu stark verändert“, lautete die Begründung.
Gemeinsam mit Döhren und Wülfel wurde im Jahr 1907 Kirchrode in die damalige Provinzhauptstadt Hannover eingemeindet. Trotzdem gab es bis in die 30ger Jahres des 20. Jahrhunderts hier noch viele landwirtschaftliche Betriebe. Bis 1927 konnte sich Kirchrode sogar rühmen, den ältesten Vierständerbau aus dem Kreis der einstigen Landkreis-Dörfer in seinen Grenzen zu besitzen. Es war der Halbmeierhof Knauer an der Tiergartenstraße 132, die damals noch Sehnder Straße hieß. Das einem Brand zum Opfer gefallene Haus soll 1614 erbaut worden sein.
Von der Kaiser-Wilhelm-Straße bis zur Jöhrenstraße und entlang der Brabeckstraße sowie rund um den Hillen mit der Pfarrkirche St. Jacobi erstreckte sich das alte Dorf Kirchrode. Der Ortskern ist durch viele Neubauten zwar in seinem Charakter verändert, eine Handvoll bäuerliche Architektur ist jedoch übrig geblieben. Ein besonders guterhaltenes ehemaliges Wohnwirtschaftsgebäude steht an der Brabeckstraße 6. Der zur Straße hin gelegene Wirtschaftsteil kündet im Torsturz vom Geburtsdatum des Vierständerhauses. Schon 1824 zog hier eine Bauernfamilie ein. In der Neuzeit schlugen Ordnungshüter ihr Domizil in dem Gebäude auf. Das Bauernhaus wurde als Polizeirevier genutzt.
Zwei weitere Fachwerkgebäude von einstigen Bauerngehöften gehörten dann zum Altenheim und Krankenhaus Bethesta. „Beide Gebäude sind neben ihrer historischen Bedeutung für das Alten- und Pflegeheim insbesondere für die Ortsgeschichte des Dorfes Kirchrode wichtige Zeugnisse“, wird in der hannoverschen Denkmaltopograhie die Aufnahme der beiden Wohnhäuser in die Liste der Baudenkmale begründet. Das einzige Kirchröder Bauernhaus aus Backsteinen steht an der westlichen Dorfgrenze am Wulfspark. Nachdem die alten Nebengebäude vor einigen Jahren abgebrochen wurden, bildet der um 1890 errichtete Bau nun den Kern einer neuen Wohnanlage. Daneben lässt noch eine Reihe älterer Gebäude, etwa das Fachwerkhaus Tiergartenstraße 100, das kleine Häuschen Wasserkampstraße 6 und die Gaststätte „Zum Kronprinzen“ das Herz heimatkundlich Interessierter höher schlagen. Die Ehre, ein Baudenkmal zu sein, wurde diesen Bauwerken aber nicht zugesprochen.
Bemerode und Wülferode sind erst im Zuge der Gebietsreform 1974 stadthannöversch geworden. Anders als die unter Kaiser Wilhelm eingemeindeten Orte haben die beiden Stadtteile ihr dörfliches Bild zu einem Teil bewahren können. Die alten Dorfkerne von Bemerode und Wülferode gelten daher als denkmalpflegerisches Interessengebiet. Besondere historische Bedeutung kommt vor allem Wülferode zu. Hier hat die Neubauentwicklung erst relativ spät eingesetzt. Die 1404 in Urkunden erstmals genannte Siedlung am Osthang des Kronsberges besitzt deshalb den wohl geschlossensten und am besten erhaltenen Dorfbereich in Hannover. Um die kleine Fachwerkkapelle gruppieren sich hier bäuerliche Wohn- und Wirtschaftsgebäude, die alle aus dem 18. Und frühen 19. Jahrhundert stammen.
Das älteste Gebäude Wülferodes ist die ehemalige Brinksitzerstelle am Wülferoder Platz 5. Bereits 1744 wuchs hier ein Vierständerbaus als Wirtschaftsteil empor. Der Wohnteil datiert von 1797. Uralt ist auch die Scheune auf dem benachbarten Halbmeierhof. 1812 errichteten Zimmerleute das Fachwerk. Inzwischen wird aber kein Heu mehr darin gelagert, die Scheune dient heute als Wohnhaus. Noch älter ist die große Fachwerkscheune am Wülferoder Platz 1 Sie stammt aus dem Jahr 1775 und ist mit der seitlichen Längsteinfahrt typisch für Wülferode.
In Bemerode machte sich die Nähe der Landeshauptstadt stärker bemerkbar. Die alten Bauernhäuser wurden von anderen Bauten zurückgedrängt. Trotzdem gibt es rund um die Brabeckstraße noch eine ganze Reihe geschichtsträchtiger Bausubstanz, wie etwa die zwei alten Scheunen auf dem Rittergut 1 sowie die im Laufe der Zeit veränderten Gebäude eines Halbmeierhofen, der Ende des 19. Jahrhunderts zum zweiten Rittergut wurde.
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