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MENE-OeKUMENE - oder: „Wenn wir uns einig sind, haben wir alle in der Hand!“ Teil 4 + 5

  • Einen Sommer-Ferien-Pass auf die Beine zu stellen ging in Fürstenau nur gemeinsam - Hier war es ein Sonderzug, den Kinder anmalen durften
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MENE-OeKUMENE

- oder:

„Wenn wir uns einig sind, haben wir alle in der Hand!“

Teil 4 + 5

Teil 4: - 1977 - 1980

Einer sachlichen Vernunft folgend, verkleinert sich „meine“ Kirchengemeinde um 50%, jede andere Lösung wäre „Quatsch“ gewesen. Meine Stelle wird damit „überflüssig“, nicht mehr haltbar. Ich bekomme die Einladung eines jungen Kollegen, der nach seinem Anerkennungsjahr mit seiner Frau zusammen eine gemeinsame Stelle antreten möchte, ich schaue mir die Stelle im Bersenbrücker Land an. Ein kleines Städtchen, 6000 Einwohner, mitten im Nichts gelegen, aber mit wirklich besten Infrastrukturen für meine Vorstellung von der Arbeit als Religionspädagoge und Diakon. - „Wohin willst Du?“ fragte mich mein Kollege Pastor, „da ist der Himmel ja noch schwärzer als über Loccum, da brauchen wir ja Leuchtschrift, um Dir eine lesbare Postkarte zu schicken!“ - So ähnlich hörte ich es auch dann, wenn ich Bekannten in Hannover sagte, wo ich nun tätig sei.
Und dann kam der Umzug 1977. Wir zwei hatten die knuffige Wohnung des jungen Vorgängers übernehmen können. Der Möbelwagen war kaum um die Ecke gebogen, klingelte es auch schon an der Wohnungstür, der Posaunenchor und der Kirchenchor und der Kirchenvorstand, und so weiter... das war uns bis dahin nicht bekannt, so eine Begrüßung. Nett, aber das war nicht wegen Diakon oder so, das machte man in dem Städtchen in ähnlichen Zusammensetzungen damals noch bei jedem der zuzog, er wurde von denen, die zu ihm gehören würden, begrüßt... ABER DANN, „ich dachte, mich laust der Affe“ Meine Frau wurde von einigen Damen zur Seite genommen und um mich herum scharten sich auch einige der anwesenden Herren und wir bekamen unsere Taufe. Damit wir uns gleich von Anfang an in dem Ort zurecht finden sollten, wir kannten ihn bis dahin nur von einem Kurzbesuch. „Also wissen Sie, der Schlachter rechts vor dem „Hohen Tor“, das ist der evangelische, und der Bäcker in der Hinteren Kirchstraße, das ist der Evangelische, und...“ und als ich dann ganz nebenbei wissen wollte „Wie ist denn das hier mit der Müllabfuhr geregelt!“ erntete ich erstmal einen quergestreiften Blick aus der Männerrunde. Nebenbei erfuhren wir noch, dass es jedes Jahr „zu Fronleichnam“ eine herrliche Gaudi sei, den Pilgerweg der Katholischen mit zwei drei Güllewagen abzufahren und zu parfümieren. Hahaha, es sollte mich zum Lachen bringen. Zu meiner Amtseinführung erschien eine wirklich zahlreiche evangelische Gemeinde. Der evangelische Stadtdirektor genauso, wie die Rektorin der evangelischen Grundschule und der Vorstand des evangelischen Krankenhauses... Ich stellte mich bei der Stadtverwaltung vor und wollte den Bürgermeister sprechen, „aber Sie sind doch ein evangelischer Diakon, oder? Da gehen sie mal zum Stadtdirektor!“ - Ich meldete mich beim Priester der großen katholischen Gemeinde, der schob mich am Telefon schon gleich weiter zu seinem Kaplan. Und der, „hör zu, ich heiße Klaus und Du?“, er hatte den ganzen Saftladen des Städtchens nach seinen eigenen erst zwei Jahren voll verstanden und war schon am verzweifeln. „Hör zu!“ war gleich nach der Begrüßung in seiner Wohnung das Wort, „wenn wir beide uns einig sind, haben wir die ganze Stadt in der Hand!“ und dann stellte er mir das Städtchen aus seiner glasklaren ökumenischen Sicht vor: „ganz einfach: hier leben 48% Katholiken, und die wählen alle CDU und hier leben 48% Evangelen, die wählen alle SPD!“ und der Rest? „Die sind ausgetreten und wählen die FDP!“ die bald anstehende Wahl bestätigte leider seinen Durchblick vollkommen. Erst nach diesem Besuch beim Kaplan, rief der Bürgermeister von sich aus an, ob wir uns nicht auch einmal kennen lernen wollten – und er zeigte mir seine kleine Stadt. - Nach einem halben Jahr hatten wir den Stadtjugendring mit fast 30 Vereinen und Verbänden neu gegründet, bekamen erstmals alle städtischen Jugendmittel in diesen Jugendring gelenkt, erfanden den sechs-wöchigen Kinderferienpass, so dass selbst das Fernsehn schon beim zweiten Mal auftauchte und staunte, zusammen mit den örtlichen Schulen erfanden wir ein anschließenden Senioren-Pass im 14tägigen Wechsel fand in unseren Gemeindehäusern der Jugendtanz statt und weil sich Gruppenarbeit bei den Katholen besser organisieren ließ, fanden die Gruppen dort ihre Heimat und die Wochenend-Teestube bei den Evangelen...
Und mitten drin ein Wehrmutstropfen. Meine Frau hatte eine Stelle in ihrem Beruf im evangelischen Krankenhaus antreten können. Krankenhaus? 17 Betten, ausschließlich belegt von den drei evangelischen Ärzten am Ort – das katholische Krankenhaus auch nicht viel größer, genauso organisiert. Mitten in der Probezeit muss meine Frau zu einem Arzt, wegen einer infektiösen Erkrankung. Welchen Arzt? Nein, nicht zu einem ihrer indirekten Arbeitgeber. „Ich muss Sie aber als arbeitsunfähig schreiben, sie dürfen damit nicht an die Krankenbetten!“ und wo liegt das Problem? „Nun, sie wissen doch, dass sie in dem EVANGELISCHEN Krankenhaus arbeiten und ich gehöre nicht dazu!“ na und?! „Das wird Probleme geben!“ - Das wollte ich nun genauer wissen und überbringe stellvertretend die Krankmeldung dem evangelischen Krankenhaus persönlich. Ein Blick der Sekretärin auf den Stempel des Arztes, „Wo war ihre Frau? [Minipause!] das wird ein Nachspiel haben!“ welches? „das werden sie schon rechtzeitig merken!“ Schon am nächsten Tag brachte der Briefträger ein Einschreiben mit der fristlosen Kündigung! - erst danach erfuhren wir, dass es solche Geschichten in dem Städtchen schon mehrmals gegeben hatte. Selbst einem Pastoren hatte man das Leben bitter gemacht, weil er es wagte im Notfall der Nacht den diensthabenden Arzt zu seinem Kleinkind zu holen, und dieser Arzt war katholisch und damit der Pastor keine drei Monate mehr am Ort. - Ich selber wusste nicht einmal, dass ich über all die Jahre vorher, eine Katholikin als meine Hausärztin gewählt hatte, das erfuhr ich erst beim Erzählen der Geschichte in „meinem“ kleinen Dorf bei Hannover! - Nun aber erst recht. Euch werde ich zeigen, was gelebte Ökumene ist... Der Kaplan und ich, wir haben es geschafft! Schon Ende 1979 erhielt ich den Ruf meines alten Kirchenkreises, zurück zu kommen, man brauchte mich für eine der ersten Regionalstellen. Nach so kurzer Zeit, etwas mehr 24 Monate, und dann fast an den alten Arbeitsplatz zurück, ist das gut? Das war keine leichte Entscheidung, denn es gab auch noch so viel zu tun im Bersenbrücker Städtchen. Und dann kam doch der Abschied. Der vorgesehene Saal reichte nicht aus. Man hatte nicht mit den Katholiken gerechnet. Das Abschiedsgeschenk vom Kaplan war das Spiel „Risiko“ - wir hatten es geschafft – ohne es zu merken! -- Keine Sorge: Den Ort werde ich nicht nennen, die Menschen dort erkennen sich schnell genug wieder - gelle?

Teil 5:

Und nun wieder in der Region Hannover. Ökumene heißt nicht Einheitsbrei und alle mache das selbe. Ökumene heißt für mich, sich gegenseitig an den genau richtigen Punkten ergänzen und stärken. Die Urlaube im katholischen Südtirol waren immer auch Erfrischung für die Seele. Oder der nun schon wiederholte Urlaub in Regen, als Gäste bei einem Ruhestandspriester und der Haushälterin, sie sind von uns sehr wichtig geworden.
Wenn ich jetzt erlebe, wie den katholischen Gemeinden im Bistum durch Kirchenschließungen uä. der Garaus gemacht wird, werde ich so gut es machbar ist das von meiner Position notwendige tun und meinen Geschwistern dabei helfen, dass diese extrem doofe(!) Idee nicht umgesetzt wird. Wer einer Familie die Wohnung nimmt, kann doch wohl nicht wirklich guten Willens sein. Und wenn ich selber auch nicht zu der Familie gehöre, es sind schließlich meine Nachbarn! - Die Teilnahme an den Katholikentagen ist für mich genauso selbstverständlich, wie ich die katholischen Christen meines Dienstbezirkes sehr gerne dazu eingeladen hatte, beim Eröffnungsabend des letzten Kirchentages in Hannover deutlich sichtbar mitzuwirken. Und dass das Brot am (nur) scheinbar evangelischen Stand von einem katholischen Bäckermeister kreiert sein könnte, interessierte keinen die Bohne, es schmeckte lecker. Dass die Evangelische Jugend für eine geraume Zeit mal von einem jungen Erwachsenen der katholischen Gemeinde vertreten wurde, hat keiner wirklich wissen wollen, er machte seine Arbeit spitzenmäßig und hat zur Sache mehr beigetragen, als hätten wir keinen für die Delegation benennen können! - Das ist meine oekumenische Einstellung. Ich brauche (nicht nur) die katholische Kirche mit ihren Besonder- und Eigenheiten, weil in ihr Menschen ein Zuhause finden, die sonst heimatlos wären. Ich brauche keine Einheitskirche, die wird es niemals wirklich geben. Was wir brauchen ist eine geschwisterliche Einigkeit in der Verschiedenheit. – Genauso wie es auch keine Einheitsfamilien geben wird. Auch die Idee der Kommunalreformen hatte überall gezeigt, dass es keine Einheitsorte geben kann, wir brauchen die kleinen Heimeligkeiten, die Heimaten, in denen wir uns fetzen und feiern können, weil wir uns mit unseren Eigenarten am besten aus der Nähe kennen!
Exkurs: Ein Ureinwohner in Hannover-Linden fährt noch heute nach Hannover, wenn mit der Straßenbahn eben mal vom „Lindener Markt“ über die Leine huppt!

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  • 14 Nothelfer in einem Kirchlein bei Terenten (Südtirol) - Ich lernte über die Nothelfer und (sonstigen) Heiligen mehr
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ÖkumeneOekumeneHassKirchenStreit

3 Kommentare

Erst habe ich ja noch geschmunzelt über Deine Geschichte über die Ökumene in dem kleinen Städtchen, ein Schmunzeln, das, je weiter ich las, umso mehr gefror.
In unserer Gemeinde "leben" wir die Ökumene: Eine der aktivsten Damen ist Katholikin (habe ich nur mal so nebenbei und zufällig erfahren), eine der Damen, die Krimis aus der Bibel gelesen haben auch (http://www.myheimat.de/burgdorf/beitrag/79396/krim...), ebenso wie eine der Sängerinnen in unserem Kirchenchor. Und wen interessiert das wirklich? Niemanden ... warum auch?

Gruß

Detlev

@ Detlev, meinen Text habe ich in 5 Teilen verpackt und dieser Teil aus "Ende der 70er" ist wirklich ein Härtefall, allerdings damals in der "Gegend" keine Seltenheit, weil es in dem Gebiet noch wirklich langwirkende Folgen des OSnabrücker Friedens gab(!). Zu meiner Kirchengemeinde gehörte auch ein Dorf, 15km vom Kirchturm entfernt, dort lebte ein einziger evangelischer Christ und er formulierte selber "ich bin hier einsam, weil ich nicht katholisch bin" genau das Gegenteil ein reinrassig evangelisches Dorf, dort war man quer durch die Dorf-Hierarchien stolz darauf, dass es noch immer keinen Katholiken dort gab.
UND NICHT VERGESSEN: nach grad mal etwas mehr als zwei Jahren hatten der Kaplan und ich zusammen mit den Jugendlichen und den Jugendverbänden dort die Sache auf den Kopf gestellt.
Man musste nur dickfellig genug sein und sich einig sein. Einer allein hätte nichts, gar nichts bewirkt, da wären wir weiterhin gegeneinander ausgespielt worden von den "eigenen Leuten"

So wie Du es beschreibst, das ist das, was ich einer christlichen Gemeinschaft gemäß ansehe und seit 1980 auch wieder erlebe. Doch vergessen wir auch nicht. der Weg aus der Gleichgültigkeit (nach dem II.Weltkrieg) bis heute war nicht selbstverständlich. Und es gibt sowohl bei den Protestanten, wie auch bei den Katholiken seltsame Ultras, die noch immer irgendwo im Mittelalter hängengeblieben sind und ihre kleinen Machtspiele ausprobieren.
Christel grüßt

  • M. B. am 10.03.2009 um 12:01

Danke für deinen Fünf-Teiler. Es war wirklich auch spannend zu lesen.
Glaube soll befreien und nicht ängstigen und gar trennen. Du hast es deutlich aufgezeigt, wie durch Vorleben und vorallem auch durch gute Jugendarbeit die alten Geister vertrieben werden können. Eine wirklich mutmachende, wahre!, Geschichte!
lG Margit

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