myheimat.de setzt auf dieser Seite ggf. Cookies, um Ihren Besuch noch angenehmer zu gestalten. Mit der Nutzung der AMP-Seite stimmen Sie der Verwendung von notwendigen und funktionalen Cookies gemäß unserer Richtlinie zu. Sie befinden sich auf einer sogenannten AMP-Seite von myheimat.de, die für Mobilgeräte optimiert ist und möglicherweise nicht von unseren Servern, sondern direkt aus dem Zwischenspeicher von Drittanbietern, wie z.B. Google ausgeliefert wird. Bei Aufrufen aus dem Zwischenspeicher von Drittanbietern haben wir keinen Einfluss auf die Datenverarbeitung durch diese.

Weitere Informationen

Das darf nie wieder passieren, nie wieder (5): Transport ohne Wiederkehr nach Theresienstadt

Zwischen November 1941 und April 1945 wurden über 150000 Personen in das Ghetto Theresienstadt verschleppt, davon mehr als 42000 aus Deutschland. Aus Hannover waren es 499 jüdische Mitbürger, die von den Bahnhöfen Fischerhof und Möhringsberg eine Reise ohne Wiederkehr antraten.
Der erste Transport setzte sich am 23. Juli 1942 in Bewegung. Aus Anlass der 70-jährigen Wiederkehr dieses Ereignisses fand gestern um 18 Uhr eine Gedenkveranstaltung im Mosaiksaal des Neuen Rathauses statt. Ca. 150 Besucher waren einer Einladung der Stadt Hannover gefolgt.
Zunächst begrüßte Dr. Karl-Josef Kreter, Leiter des Projekts „Erinnerungskultur“, die Anwesenden und stellte die Redner in der Reihenfolge ihrer Beiträge vor:
Dr. Axel Ehlers, Geschichtslehrer an der Leibnizschule in Hannover, Dr. Vojtech Blodig, stellvertretender Leiter der Gedenkstätte Theresienstadt und last, but not least Margot Kleinberger geb. Kreuzer, letzte Überlebende (zusammen mit ihrer Schwester) des Transports vom 23. Juli 1942.
Dr. Axel Ehlers berichtete von einer Klassenfahrt nach Tschechien. Im Oktober 2010 besuchten Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Leistungsfachs „Geschichte“ zunächst den Ort Lidice. Dort begingen deutsche Truppen im 2. Weltkrieg, getarnt als Vergeltung, ein Massaker an der einheimischen Bevölkerung. Danach ging die Fahrt weiter zur Gedenkstätte Terezin (Theresienstadt). Im Kolumbarium (Urnenbeisetzungsstätte) wurde mit Erstaunen festgestellt, dass es, im Gegensatz zu anderen Städten, keine Tafel gab, die den Transport der jüdischen Mitbürger aus Hannover dokumentiert.
Kaum wieder in Hannover zurück, regten Lehrer und Schüler an, dass man dies doch nachholen könne. Gesagt, getan! Und so fährt im September 2012 eine hannoversche Rats-Delegation nach Terezin und wird eine Tafel zum Gedenken an die Opfer aus Hannover enthüllen.
Danach trat Dr. Vojtech Blodig an das Rednerpult und berichtete von den Anfängen (1780-1790) der Festungsanlage. Die kleine Festung war damals schon Strafanstalt. Im November 1941 wurde ein Ghetto für Juden eingerichtet.
In den Mittelpunkt seiner Rede stellte Blodig die Strukturen des Ghettos. Es herrschte Raumnot in den Holzbaracken (kaum isoliert, im Sommer war es unerträglich heiß, im Winter kalt), katastrophale hygienische Bedingungen (Schlange stehen vor den völlig unzureichenden und häufig verschmutzten Toiletten). Besonders die älteren Bewohner hatten sehr zu leiden. Sie bekamen Räume zumeist auf den Dachböden der Kasernen oder in den Kasematten der Festung und nur wenig zu essen. Sie konnten ja keinen Arbeitsdienst mehr leisten und waren daher nur noch „nutzlose Esser“.
Besonders schlimm war die ärztliche Versorgung, viel zu wenige Ärzte mussten teilweise bei Kerzenlicht operieren, da es oft keinen Strom gab.
Es gab zwar einige wenige Kulturprogramme, organisiert von der „Abteilung für Freizeitgestaltung“, es kamen auch ein paar Künstler der 2. Reihe in das Ghetto, aber einen florierenden Kulturbetrieb mit Musik und Theater, wie ihn die Nationalsozialisten propagierten, gab es nicht. Dr. Blodig schob diese Legende endgültig in den „Abfallkorb der Geschichte“. Die Menschen litten viel zu sehr unter den entsetzlichen Zuständen im Ghetto.
88000 Häftlinge, zumeist die älteren Lagerinsassen, deportierte man ab Herbst 1942 in die Vernichtungslager Auschwitz und Treblinka, Familien wurden dabei rücksichtslos getrennt. Nur Wenige (3,5%) entgingen dem Tod. Über 35000 Menschen starben im Ghetto Theresienstadt, 1600 allein in letzten Tagen vor und nach der Befreiung
Im 2. Teil seiner Rede referierte Blodig über neu entstandene Strukturen nach dem 2. Weltkrieg. Aus dem ehemaligen Ort des Schreckens ist eine moderne Gedenkstätte geworden. Es lohnt sich bestimmt, bei einem Urlaub in Tschechien dort einen Stopp einzulegen.
Dann betrat ein zierliches Persönchen das Rednerpult. Margot Kreuzer, verheiratete Kleinberger, berichtete von den Erlebnissen vor und nach der Deportation. An ihre Kinderzeit in Hannover erinnert sie sich nur ungern. Aufenthalt in Judenhäusern, Kaufen nur in extra ausgewiesene Läden für Juden, wo es meistens nichts gab. Ständige Beschimpfungen, wie beispielsweise „Judenpack“. Die kleine Margot begann Hannover zu hassen. Sie wollte weg aus der Stadt, in der sie so viel Leid erfuhr. Es nahte der 23 Juli 1942. An diesem Tag regnete es sehr stark. Nach unerträglichen Zuständen im Sammellager Ahlem setzte sich der Transport, vermutlich vom Bahnhof Hannover-Linden-Fischerhof (Frau Kleinberger erwähnte es nicht), in Bewegung. Der Zug kam aus Bremen und das Ziel hieß Theresienstadt. Nur mit einer Decke bekleidet und einem Blechnapf ausgestattet erreicht Margot Kreuzer mit Vater und Geschwistern den Bestimmungsort. Wie Dr. Blodig, berichtete auch Frau Kleinberger von kaum vorstellbaren Qualen, die sie dort erlitt. Ihr Schlafplatz war der nackte Boden, erst später linderte ein Strohsack die Schlafsituation. Arbeitspflicht war ab 12 Jahre. Sie erzählte von medizinischen Versuchen deutscher Pharmafabriken. Verschiedene Erreger seien in ihr Rückenmark gespritzt worden. Danach war sie eine Weile gelähmt. Mit „Ohne meinen Vater, der mich immer sehr beschützte, hätte ich das nicht überlebt“, schloss Frau Kleinberger ihren Vortrag. Im Juni 1945 kam sie, mit Vater und Geschwistern, wieder nach Hannover zurück. Heute lebt Frau Kleinberger in München, wie sie dem Berichterstatter mitteilte.
Übrigens: Frau Margot Kleinberger hat ein Buch geschrieben mit dem Titel “Transportnummer V III/387 hat überlebt“. Dieses Buch ist in vielen Buchhandlungen und im Internet zu erwerben.
Schlussbemerkung: In einer anhängenden Fotostrecke soll in loser Reihenfolge an die Deportierten des Transports vom 23. Juli 1942 gedacht werden, die in Hannover lebten und vor deren ehemaliger Wohnung ab 2007 sogenannte Stolpersteine verlegt wurden.
Die Stolpersteine für Margarethe und Max Rüdenberg , Wunstorfer Straße 16a, verlegt vor Nr. 18, wurde nicht gefunden. Zur Zeit wird dort viel bebaut (u. a. Stichweh-Leinepark). Es ist zu vermuten, dass der Stein vorübergehend eingelagert wurde. Ferner fehlt in der Bilderserie der Stolperstein von Ida Hahn, Wißmannstraße 13, die in Auschwitz ermordet wurde. Alle Angaben aus: "Stolpersteine", Projekt "Erinnerungskultur".

  • Emma Hess, frühere Wohnung: Harnischstraße 12
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 2 / 23
  • Emilie Blumenthal, Harnischstraße 3
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 3 / 23
  • Hedwig Frank, Jakobistraße 21
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 4 / 23
  • Luise Spiegel, Harnischstraße 6
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 5 / 23
  • Charlotte und Dr. Joachim Schendel, Harnischstraße 6
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 6 / 23
  • Toni und Dr. Siegfried Loewenthal, Harnischstraße 7
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 7 / 23
  • Mathilde Neuhaus, Harnischstraße 7
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 8 / 23
  • Minnie Leah Ascher, Gretchenstraße 24
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 9 / 23
  • Henriette Gottschalk, Heinrichstraße 25
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 10 / 23
  • Johanne und Moritz Seemann, Gellertstraße 3
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 11 / 23
  • Friederike Rottenstein und Dr. Heinrich Rosenthal, Wißmannstraße 11
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 12 / 23
  • Rosa und Leopold Wolf, Wißmannstraße 11
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 13 / 23
  • Fritzi und Edgar Baum, Wißmannstraße 13, deportiert ein Jahr später am 30.6.1943
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 14 / 23
  • Lina und Johanna Blumenfeld, Wißmannstraße 13
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 15 / 23
  • Henny und Eduard Eichwald, Wißmannstraße 13
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 16 / 23
  • Ida Lamm und Rahel Müller, Wißmannstraße 13
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 17 / 23
  • Frieda Sostmann, Wißmannstraße 13
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 18 / 23
  • David Wolfes, Wißmannstraße 13
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 19 / 23
  • Emmy und Ida Steinfeld, Brabeckstraße 86 (Heinemann-Hof)
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 20 / 23
  • Martha Gumpert, Wißmannstraße 11
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 21 / 23
  • Ella und Alfred Samuelsen, Wißmannstraße 11
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 22 / 23
  • Jette Salomon, Wißmannstraße 13
  • hochgeladen von Bernd Sperlich
  • Bild 23 / 23

Weitere Beiträge zu den Themen

DeportationHannover entdeckenHannoverAnno dazumalDr. Vojtech BlodigMargot KleinbergerHeimatbilderJudenLeibnizschuleGhetto Theresienstadt

9 Kommentare

Ja, Christine, wehret den Anfängen.

Der Berichterstatter ist traurig. Heute (10.01.2013) meldet die HAZ, dass Margot Kleinberger am 08. Januar in München verstorben sei und auf dem jüdischen Friedhof in Hannover-Bothfeld beigesetzt werden soll.
Immer deutlicher wird die Wichtigkeit des Projekts "Erinnerungskultur", das
die Landeshauptstadt Hannover ins Leben gerufen hat. Bald werden keine Zeitzeugen mehr leben, die Auskünfte über die grausamen Verbrechen geben können.

ja

Beteiligen Sie sich!

Hier können Sie nur eine begrenzte Anzahl an Kommentaren sehen. Auf unserer Webseite sehen Sie alle Kommentare und Ihnen stehen alle Funktionen zur Verfügung.

Zur Webseite

Themen der Woche

DamalsDamals-mein FotoarchivSolarfest 2010