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Die Mudzborgh im Fadenkreuz von grausamen Fehden

Je mehr ich mich in die Geschichte der Mudzborgh (Misburg) vertiefe, stelle ich fest wie wichtig sie für die Entwicklung unseres Landes gewesen ist. Die heutige Hauptstadt Hannover in Niedersachsen hat sich zu einer prächtigen Metropole entwickelt, doch die Gründung und ihre Stellung als Königsstadt der Welfen, verdankt Hannover dem heutigen Stadtteil Misburg. Juan Carlos Blanco Varela (Zeremonienmeister der Bruderschaft der Mudzborgh) und Wolfgang Illmer (Gran Canciller der Bruderschaft der Mudzborgh) berichten begeistert weiter.
Wir verlassen das Mittelalter und betreten mit viel Hoffnung die Epoche der „Neuen Zeit", die mit dem 15. Jahrhundert begann.

Das 15. Jahrhundert war von ständigen und grausamen Kämpfen bestimmt, die immer durch Landansprüche und Macht entstanden sind. Fürsten, Bischöfe und Städte verwickelten sich in gewaltigen Fehden, die den Menschen viel Leid brachten. Die Fürsten wollten die absolute Macht über das Land und den Städten erreichen, die Städte wehrten sich verzweifelt dagegen.

Der Abschied vom Mittelalter bescherte nur rauchende Dörfer und flüchtende Menschen. Ab 1444 gab es mehrere Fehden, doch die schlimmste war die Hildesheimer Stiftsfehde die zwischen dem Adel vom Stift Hildesheim, mit Unterstützung von Herzog Erich von Calenberg, gegen den Bischof von Hildesheim der durch Herzog Heinrich von Lüneburg unterstützt würde.

Das 15. Jahrhundert war sehr explosiv, es gab viele Probleme. Die Mächtigen wollten immer mächtiger werden oder ihre Macht noch vertiefen und alles auf Kosten der einfachen Leute. Die Menschen wurden in grausamen Kriegen verwickelt, mehrere Generationen kannten nur Krieg, Blut und verbrannte Erde, sie wurden im Krieg geboren und sind während des Krieges gestorben. Die Zukunft von Generationen wurden auf grausamer Art vernichtet.

Misburg wurde dank der Festung Mudzborgh und den Landwehren fast vom Krieg verschont. Viele Menschen aus den umliegenden Dörfern sind mit ihrem Hab und Gut zur Mudzborgh gekommen um Schutz zu finden. Viele dieser verlassenen Dörfer sind dann Wüstungen geblieben. Die Menschen waren dank der Mudzborgh in Sicherheit. Wie gesagt, dank der Mudzborgh war das Leben in unserem Heimatort Misburg, bedingt durch die Festung und die Landwehren, erträglich, während das überwiegende Land zwischen 1519-1523 durch vernichtende Kämpfe am Rande des völligen Chaos stand. Unzählige Dörfer wurden total vernichtet und völlig verwüstet. Ganz schlimm war es bei uns in der Nähe am Leinetal, die Bauern waren die Leidtragenden und nahmen ihr gesamtes Hab und Gut und siedelten sich erstmals in den Nachbarorten an, mit dem Gedanken sich somit besser wehren zu können.

Durch den Krieg sind viele Krankheiten ausgebrochen, viele Dörfer sind auch deswegen verlassen worden, die Menschen die damals sehr abergläubig waren, sind in die verlassenen Dörfern nicht wieder zurückgekehrt, diese Orte sind heute noch Wüstungen und tauchen nur als Flurnamen auf.

Wir werden nur über die Hildesheimer Stiftsfehde (1519-1523) berichten, da es die grausamste aller Fehden gewesen ist. Sie begann aber bereits im Jahr 1444 mit kleinen Auseinandersetzungen von Territorialkonflikten. Diese Konflikte entwickelten sich im Jahr 1519 zu einem ständigen Krieg. Die Hildesheimer Stiftsfehde hat die Rolle der Mudzborgh für die Zukunft schwer beeinflusst. Am Ende des Krieges wurde zum ersten Mal Artillerie eingesetzt, Kanonen waren die modernen Waffen. Der Krieg wurde jetzt nicht mehr mit den Rittern ausgetragen, sondern es wurde mit Kanonen geschossen. Dafür war die Mudzborgh nicht ausgerichtet. Es war das Ende der Epoche der Burgen und Festungen. Die Neue Zeit (1500-1820) begann mit viel Artilleriefeuer der modernen Waffen und Kanonen.

Die Hildesheimer Stiftsfehde bedeutete das Ende der Mudzborgh nach mehr als 500 Jahren Dienst. Sie musste sich den neuen und modernen Waffen beugen.

Im August 1444 setzte sich der Herzog Wilhelm gegen die Übergriffe des Grafen von Wunstorf zur Wehr, der alle Holzfuhren, die nach Hannover zum Markt wollten, plündern ließ. Es folgten die Auseinandersetzungen 1467 und 1485, darüber wurde in der Lüneburger Chronik berichtet. In Folge der erneuten welfischen Erbteilung, war Calenberg ab 1495 endlich ein eigenes Fürstentum innerhalb des Gesamtherzogstum Braunschweig-Lüneburg. Das war in der Zeit von Erich I. von Calenberg. Er regierte bis1540 von Nienburg/Weser bis Hannoversch-Münden. Diese Erbteilung gefiel dem Bischof von Hildesheim nicht, da sie gegen die Interessen des Bistums gerichtet war.

In dem Gebiet um Misburg war es viel ruhiger, die Menschen konnten ihren Alltag, dank der Mudzborgh in Sicherheit verrichten, die Kriege fanden erstmal außerhalb statt. Durch die Mudzborgh, den Landwehren und die im Jahr 1350 gebaute Ohlenborg in dem Mudzborgher Holte (Misburger Wald, Jagen 67), stand sie als Landwehr und Zollstelle zur Mudzborgh. Damit verfügte das Gebiet über eine optimale Verteidigung. Die bei der Stiftsfehde eingesetzen kleinen Truppenverbände, hatten zur damaligen Zeit viel Respekt vor den Abwehrmöglichkeiten der Festung Mudzborgh.

Nach längerer Kriegszeit, kam Hungersnot, die auch viele Krankheiten verursachte, die Mudzborgher blieben hier nicht verschont. In dem Pontifikat von Johannes IV. von Sachsen und Lüneburg (1503-1527), der 45. Bischof von Hildesheim, verschärfte sich der Anspruch in diesem Territorialkonflikt. Im Jahr 1513 verlangte Bischof Johann IV. von den von Saldern das Stiftshaus Lutter zurück, gleichzeitig kündigte der Bischof Hans von Salder die Burg zu Bockenem auf. Es ging 1518 weiter mit vielen kleinen Fehden durchs Land bis Ende Juli. Burghard von Saldern revoltierte gegen den Bischof und somit begann der Hauptteil der Hildesheimer Stiftsfehde. Es ging schlimm weiter, ehe sich Erich von Calenberg versah, griff der Bischof von Hildesheim das Land zwischen Deister und Leine energisch an.

Es war für die Dörfer und Menschen grauenvoll, in der Gehrdener Chronik wurde wie folgt berichtet:

„Gräulich wütete der Bischof im Lande. Die Dörfer hin und wieder standen in vollen Feuer, die armen Leute schrien und heulten und es war groß Jammern an allen Orten!"

(Siehe auch Chronik Misburg 2012, dort wird auf Seite 57 darüber berichtet)

Wie entstand das Fürstentum Calenberg?:

Das Fürstentum Calenberg, entstand mit der Teilung des Herzogtum Braunschweig-Lüneburg. Als Erbteilung bekam Erich I. das Land zwischen Deister und Leine, das Territorium langte bis an die Weser (bei Hameln) weit über das Deistergebirge hinaus. Diese Erbteilungen entsprachen nicht dem Erstgeburtsrecht der Welfen, dadurch führte dieses zu einer großen Zersplitterung der welfischen Besitzungen. In der Zeit des jüngeren Sohnes von Erich I., Erich II., wurde das Fürstentum auch Calenberg-Göttingen genannt. Als Antonius Corvinus von Erich II. als Landessuperintendent eingesetzt wurde, führte er die Reformation im Fürstentum ein. Aber Erich II. der von seiner Mutter evangelisch erzogen wurde, trat im Jahr 1547 zum Katholizismus über.

In der heutigen Zeit wird die Bezeichnung Calenberger Land meist nur noch für das Gebiet Hannover und Deister verwendet. Doch dieses Land, galt danach als Kernland des späteren Kurfürstentum Hannover und es wurde auch als Kernland Hannovers genannt. Im Jahr 1692 wurde Ernst August mit der Vergabe der Kurwürde belohnt, das führte, das im Jahr 1814, ein Jahr vor der endgültigen Schlacht in Waterloo gegen Napoleon, Hannover Königreich wurde.

Da die Hildesheimer Stiftsfehde nicht mehr ein von Rittern ausgefochtender Konflikt war, sondern mit modernen Artilleriewaffen ausgetragen wurde, waren die Burgen für die Verteidigung des Landes nicht mehr so wichtig, sie spielten für die Verteidigung des Landes keine Rolle mehr. Die Mudzborgh war nicht mehr zeitgemäß, die Verteidigung des Landes übernahmen die Städte. Die Festungen des Mittelalters verloren demnach ihre Bedeutung. Außerdem wurde ihre Unterhaltung sehr teuer. Viele Burgen auch die Mudzborgh, wurden verlassen. Im Jahr 1523 wurde der Krieg mit der Niederlage des Bischofs von Hildesheim, beendet.

Ein Jahr nach der Hildesheimer Stiftsfehde begann der Bauernkrieg. Der spielte in unserem Gebiet keine große Rolle. Eine große Erfindung der Zeit blieb durch den Krieg erstmals bei uns unerkannt, spielte aber später eine große Rolle in der Reformation. Es war die Erfindung der Drucktechnik (Gutenberg). Mit dieser Technik wurde Martin Luthers Kirchenkritik rasch bekannt und die Reformation, die erst durch die Herrscher von politischen Interessen geprägt war, konnte in unserem Gebiet schnell Einzug gelangen. Nicht nur die politischen, sondern auch die kirchlichen Protagonisten unterstützten die Reformation. Im Calenberger Land war es der Westfale Antonius Corvinus (auch in der Jakobi-Kirche zu Kirchrode). Im Territorium Lüneburg-Celle war es der aus Schwaben stammende Urbanus Rhegius der uns die Reformationslehre Martin Luthers brachte.

Die Mudzborgh wurde verlassen, nur ein Junker mit seiner Familie wurde als Verwalter der Burg und den Ländereien vom Herzog eingesetzt.

Durch die Reformation gab es auch in Misburg eine Glaubensveränderung. Als der Generalsuperintendent Antonius Corvinus im Jahr 1548 das Kirchenspiel in Kirchrode besuchte, wurde in Misburg der lutherische Glauben eingeführt. Aus religiösen Gründen siedelten sich viele neue Bürger in Misburg an (es gab damals viele Glaubensverfolgungen).

Die Mudzborgh ehemals eine stolze und imposante Festung, war seit 1525 wüst und leer. Bis auf die Familie des Junkers (wahrscheinlich ein Verwandter der von Alten). Sie bewohnten im 16. Jahrhundert einen kleinen Trakt der Festung, sonst gab es keine weiteren Bewohner. Die Mudzborgh zerviel langsam zu einer Ruine.

Was war mit der Bruderschaft der Mudzborgh passiert? Seit dem Jahr 1525 wissen wir nichts mehr über sie, sie waren spurlos verschwunden, wir können leider nur Vermutungen anstellen. Wahrscheinlich haben sie sich auf den Weg nach Santiago de Compostela begeben. Es könnte sein das sie in der Apostelstadt Santiago untergekommen sind, oder an einem anderen Pilgerort auf dem „Camino" sich niedergelassen und dort weiter im Dienst des Heiligen Apostel Jakobus tätig waren. Es gibt auch Vermutungen, dass sie weggezogen sind, als die Reformation von Martin Luther kam, da Martin Luther nicht nur gegen den Ablass gewesen ist, er verteufelte auch die Pilgerschaften als ein Geschäft. Vielleicht hatte er recht, aber viele Pilger waren wegen des Spirituellen unterwegs. Wir wissen, dass die Jakobikirche in Hannover die Reformation einführte und danach alle Pilger, die auf der Teilstrecke Celle Hannover pilgerten, direkt von Misburg, Anderten, Kirchrode zur Marktkirche Hannover geführt wurden ohne die Jakobikirche in Kirchrode zu betreten.

Ohne die Mudzborgh war Misburg ein ganz einfaches Dorf, aber sie hatte viel Land, das total brach lag. Der Herzog hatte keinen Nutzen davon, so wurde der Junker mit der Veräußerung der Ländereien für den Ackerbetrieb beauftragt. Viele neue Siedler, die wegen der damaligen religiösen Konflikte sich in Misburg niedergelassen hatten benötigten Ackerland und der Herzog machte daraus ein lukratives Geschäft für sich. Er stellte seine Ländereien (etwa 300 Morgen Land) als Meierrecht zu Verfügung und verteilte es auf drei Vollmeier und 7 neue Kötner. Sie brauchten auch viel Steinmaterial aus der Mudzborgh, um die Höfe (Meier und Kötnerstellen) auszubauen. Das ging aus einen Schreiben des Herzog Erich II. im Jahr 1574 an die Stadt Hannover hervor, indem er berichtete, dass die Ländereien der Mudzborgh bereits von 3 Vollmeiern und 7 Kötner beackert werden. Die Mudzborgh wurde regelrecht ausgeschlachtet, da es in der Nähe keinen Steinbruch gab. Die wertvollen Steine der Burg wurden für die Fundamente der neuen Hofstellen benutzt. Den Rest der Steine lagerte man auf einen freien Platz in Misburg. Dieser Platz hat heute noch den Flurnamen „Steinbruchsfeld". Auch der letzte Junker und seine Familie verließen Misburg.

Nach den Einzug der neuen Bauern, erhob sich der Rang des Dorfes Misburg, das mit drei Vollmeiern besetzt war, im Vergleich zum Nachbardorf Anderten das damals über 50 Bauernhöfe verfügte, besaß auch nur drei Vollmeier. Das geht aus der Musterrolle des Jahres 1585 hervor.

Mächtige Familien siedelten sich in unserem Dorf an, dass seit 1593 den heutigen Namen „Misburg" erhielt.

Im Jahr 1588 verließ aus religiösen Gründen die mächtige Familie Knauer die Stadt Melk in Österreich. Sie siedelten sich in unserem Gebiet an. Ein Teil der Familie nach Kirchrode und ein Teil nach Misburg. Als die Familie Knauer nach Misburg kam, standen noch Ruinen der Mudzborgh. Kurz danach kam auch der Meisterkoch Frantz de Rontzier nach Misburg, als Dank dafür das er als Mundkoch der Prinzessin Dorothea von Lothringen am Fürstlichen Hof tätig gewesen ist. Auf seine Bitte hin soll der Herzog, Gatte von Dorothea von Lothringen, den Posten des Försters vergeben haben. Gleichzeitig einen Hof, der sich dort befand wo heute der Seitenstichkanal verläuft mit 30 Morgen Land. Er wurde von allen Steuern befreit, deshalb hieß sein Hof „Freihof". Meister Rontzier war auch für das Abkassieren aller sonstigen Steuern in Misburg zuständig.

Anfang des 17. Jahrhunderts entwickelte sich Misburg zu einem Dorf mit etwa 120 Familien. Aber dann kam im Jahr 1618 als Folge der Religionskämpfe der grausamste Krieg, der 30- jährige Krieg (1618-1648). Dieser Krieg warf das Deutsche Reich und somit auch das Dorf Misburg fast ins Mittelalter zurück.

Im nächsten Bericht Teil 20, erzählen wir über die schrecklichen Folgen des 30-jährigen Kriegs und den Einzug vom „Schwarzen Tod", die Pest, in Hannover!

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1 Kommentar

Wieder ein sehr spannender Bericht, ich freue mich schon auf die nächsten Folgen.
VG, Romi

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