Kleines Fest - Das Ende einer großen Liebe?
Seit mehr als einer Generation gehört es gefühlt nach dem Neujahrstag zu der nächsten, wichtigen Mitteilung – in den ersten Jahren per Zeitung, lange schon per ankündigender Email: Der Vorverkauf der Karten für das „Kleine Fest im Großen Garten“ beginnt. Anfänglich stand man dafür noch in Herrenhausen an der Kasse an – mit Erfolg oder auch ohne. Dann wurde das digitale Bewerbungsverfahren eingeführt und auch hier änderte sich eines nicht: Es gab immer mehr Interessierte als Karten. Es war also immer eine Art Lotteriespiel, aber genau das gehört schon zum Spiel. Gefühlt beginnt oder begann schon der Gedanke an einen schönen Abend. Und zu diesem Spiel gehört auch: Dieses Mal sind wir nicht dabei. Aber aufgeben heißt das noch lange nicht, denn es gibt noch eine Chance. Diese Chance ist nicht ohne Reiz. Sie hat schon Freundschaften geschaffen, Naschgemeinschaften, Erinnerungsaustausch – drei Stunden auf einem Gartenstuhl oder auf der Kühltasche in lange Schlange „anstehen“ für die restlichen Karten, die an der Abendkasse ausgegeben werden. Und hoffentlich nicht der Mensch sein, vor dem genau die Kasse geschlossen wird.
Dann kamen zwei Jahre Corona und es gab eine Notlösung – eine gute Notlösung im Garten-Theater. So konnte man wenigstens ein wenig das Kleine-Fest-Feeling im Bauch haben.
Und 2022? Alles wieder da – Karten-Roulette, tagelange Wetterbeobachtung, Picknick-Vorbereitung, warten auf den Einlass. Aber eines ist anders: Es droht das Ende dieser Kleine-Fest-Kultur, die genau die Menschen wollen. Ein Grummeln ist also nach den Androhungen von Veränderungen und auch ein wenig Wehmut im Bauch, als der Einlass eröffnet wird.
Vergessen ist das jedoch mit dem ersten Schritt durch das Tor, mit dem Vorzeigen der Eintrittskarte, mit dem ersten Blick auf den Mann mit Zylinder, mit dem Programm in der Hand und mit dem Tanz der Stelzenfrauen auf dem Rasen.
Und es ist wie ein nach Hause kommen, wenn überall Menschen sitzen oder liegen und die Gerüche nach allem nur denkbaren Essbaren durch die Rasen ziehen. Spätestens beim kleinen Frans ist das erste Familienfoto fällig. Und dann klingt eine bekannte Stimme: Matthias Brodowy. Er war nicht immer dabei, aber wenn er nicht dabei war, fehlte etwas. Nachdem er mit wohl gesetzten Worten das Mikrophon eingeweiht hatte, erklangen noch die unterschiedlichsten Sprachen mit der Begrüßung verschiedener Künstler:innen. Dann kam er: Der Mann mit dem Zylinder und es war schon festlich, befreiend, freudig, aufregend.
Und die nächste, wichtige Entscheidung war nach Blick in das Programm, nach Diskussion schon gefallen: Was sehen wir uns an? Ja, man kann nicht alles sehen. Ja, man verpasst etwas. Aber auch das weiß man, auch das gehört zu genau diesem Erlebnis, zu diesem besonderen Abend, eben zum Kleinen Fest. Übrigens immer mal wieder woanders nachgemacht – aber nicht erreicht! Wir haben uns entschieden, bis auf eine Ausnahme neue Künstler:innen zu besuchen.
Der Mann mit dem Zylinder hat sein Glas erhoben und das Fest geht los. Da sehen wir sie aus der Ferne: Die Ameisen. Viele Jahre waren sie immer mal wieder dabei mit ihrer eigenen „Sprache“, mit ihrem „Haiawaschnacket“ (wie auch immer man diesen Ausruf wohl schreiben mag. Wir warten nicht auf sie, hoffen sie im Laufe des Abends noch zu treffen und machen uns auf zum ersten Programm-Punkt. Es ist voll. Nicht alle bekommen einen Sitzplatz. Aber man ist ja vorbereitet. Man weiß ja, Sitzgelegenheit sollte man im Gepäck haben – nicht nur Käse, Würstchen und Wasser und Wein.
Wir sind begeistert von allen Programmpunkten, die wir uns ausgesucht haben. Nicht immer sind es Menschentrauben, die sich als Zuschauer treffen, weil eben wie immer neue Künstler:innen dabei sind. Es ist genau so ein Genuss, Neues zu erleben oder bekanntes Wiederzusehen. Ohne Eis-Ali wäre wohl das Fest so wenig denkbar, wie für viele ein Abend ohne einen Kaffee oder die Begegnungen im Vorbeigehen. Ach ja, wie haben sie bis zur großen Verabschiedung nicht wieder getroffen – die Ameisen.
Wir haben natürlich Regenausrüstung dabei. Wir haben sie nicht gebraucht. Und nun , nachdem mit hörbar belegter Stimme der Mann mit dem Zylinder alle Künstler:innen nach zwei Jahren fast-Abstinenz verabschiedet hat, nun wird es vom Himmel feucht. Aber wir verweigern nun die Regenkleidung und genießen das neue, leise, tolle Feuerwerk.
So genau SO wollen wir es haben! So wie dieser Abend, nein, wie das ganze Paket „Kleines Fest“ gelaufen, immer gelaufen ist. Man muss ein Konzept immer in Frage stellen, aber nur dann, wenn es nötig ist.
Wir haben es ihm selbst gesagt, dem Mann, der gefühlt immer und überall vorbeischaute: Er soll weiter machen, wenigstens beratend. Und wir haben es immer wieder von anderen Besuchern gehört: Warum fragt man nicht die große, begeisterte Fan-Gemeinde und die anderen, sehr wichtigen Menschen mit viel Erfahrung – die Künstler:innen?
Wir lassen diesen Gedanken fallen, als natürlich Künstler:innen und auch der Mann mit dem Zylinder (Danke!) es sich nicht nehmen lassen, auch am Ausgang zu stehen und den letzten Gruß des Abends zuzuwinken. Und dann ist sie da – eine der Ameisen. Mit „Haiawaschnacket“ und in der Hoffnung das es nun kein Abschied vom Kleinen Fest war gehen wir durch den Regen in die Nacht.
Wir waren gestern dort und es ist einfach schön.
Ein leichtes Feeling wie einst auf der EXPO2000.
Hannover braucht das kleine Fest!