Menschengerippe, alte Kellergewölbe und prachtvolle Schlösser: In der Stadt Hannover wachten einst sechs Burgen
Burgen und Schlösser in der Region Hannover - Teil 2.
Ein grausiger Fund kam 1717 wieder ans Tageslicht. Als Arbeiter das Bett für den Ernst August Kanal in der Leinemasch am Großen Garten (bei Herrenhausen) schaufelten, mussten sie auch einen etwa viereckigen Hügel abtragen. Dabei machten sie eine aufregende Entdeckung. "Es funden sich Reste von alten Kellern und ein hauffen Todten Köpffe und Menschen-Gerippe in selbigen vergraben", berichtet zwei Jahre später der Hannoveraner Johann George Eckhardt in den in Leibzig erscheinenden "Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen". Die Arbeiter hatten ungewollt die Reste einer alten Burg freigelegt. Die Burg Limmer.
Mindestens fünf solcher wehrhaften Schlösser standen einst im heutigen Stadtgebiet von Hannover. Deren Aussehen ist aber entweder völlig unbekannt oder nur unvollkommen überliefert. Oft herrscht noch nicht einmal über die genaue Lage der Feste Gewissheit. Doch in Sachen Burg Limmer ist der einstige Standort relativ gesichert. Die 1717 ausgebuddelten Gemäuer - wohl Reste eines Beinhauses - gehörten zum 1187 urkundlich erwähnten "Castrum Limbere" der Grafen von Roden. Denn zwei damals aufgefundene "Urnae" konnten als mittelalterliche Kugeltöpfe aus der Zeit um 1200 identifizierte werden. Es gibt auch Vermutungen, wie die Burg einmal ausgesehen haben könnte: auf einem künstlichen, von Wassergräben geschützten Hügel erhob sich ein Wehrturm, daneben dürften Wirtschaftsgebäude gestanden haben. Mit weiteren neuen archäologischen Erkenntnissen ist aber nicht zu rechnen sein. Wo einst Conrad von Roden in der feuchten Flussniederung hauste, wurde in unserer Zeit das HSV Bad gebaut. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass trotzdem noch irgendwelche Hinweise im Boden stecken, die Wahrscheinlichkeit ist aber gering. Noch 1930 vermuteten übrigens die Historiker die Burg nahe der Dorfkirche von Limmer an der Sackmannstraße. Dort erinnert seither ein Gedenkstein an die erfolglose Belagerung des Schlosses durch den späteren Kaiser Heinrich Vl. im Dezember 1189.
Älter als die Turmhügelburg in der Leinemasch dürfte die Wallanlage Gernandesburg bei Herrenhausen sein, nach der der Stadtteil Burg benannt worden ist. Auch sie befand sich im Besitz der Herren von Roden, den mutmaßlichen Gründern der heutigen Landeshauptstadt. Um 1870 wurden die damals noch vorhandenen Erdwälle leider völlig eingeebnet. Nach alten Berichten und Karten war die Befestigung rund 95 Schritt lang, ihr länglich ovaler Wall erreichte im 19. Jahrhundert immerhin noch die Höhe von drei Metern. Eine trockene Landzunge zwischen morastigen Sümpfen verband die Wallburg mit ihrem Wirtschaftshof, aus dem der heutige Schulgarten Burg entstand. Die Gernandesburg könnte der politische Mittelpunkt im ehemaligen Kirchspiel Engelbostel, zu der auch Hannover gehörte, gewesen sein. Das jedenfalls meint der Historiker Helmut Plath. Für ihn ist die in einer Urkunde von 1007 genannte Kananburg die er für das einstige Zentrum dieser Siedlungszelle hält, identisch mit dem Bollwerk nördlich von Herrenhausen.
Noch geheimnisvoller erscheint die Garkenburg. Sie trotzte einst ihren Feinden an der Seelhorst im Stadtteil Mittelfeld. 1485 taucht sie als "Gardeckerburg" in einem Lehnsbuch der Bischöfe von Hildesheim auf. Niemand weiß, wie sie ausgesehen hat. Ein Studienrat Müller beschrieb sie 1893 als Ringwall ähnlich der Gernandesburg. Er sagte aber nicht, woher er seine Informationen erhalten hat. Möglicherweise verwechselte der Studienrat die Burganlage mit Schanzen aus dem 18. Jahrhundert.
Wenig ist über das längst verschwundene steinerne Haus der Ritter von Wettbergen bekannt. Von einer Befestigung liegen keine Nachrichten vor. Eine Wasserburg ist aber nicht auszuschließen. Der noch um 1900 stellenweise vorhandene Wassergraben beweist allerdings diese These noch nicht. Im 16. Jahrhundert wurden viele Höfe rein aus Prestigegründen mit derartigen Gräben umgeben.
Unsicherheit herrscht ebenfalls bei der Frage, worauf die Ortsbezeichnungen "Auf der Klappenburg" in Stöcken und der Name des Stadtteils "Ledeburg" zurückgehen. Die Bedeutung dieser Namen ist unbekannt. Fest steht jedoch, dass es sich bei der 1387 abgebrochenen Pinkenburg im Osten der Stadt bei um kein befestigtes Schloss gehandelt hat. Die Pinkenburg war nur eine Warte im Befestigungssystem der hannoverschen Landwehr.
Das überlieferte Wissen über die Burg Lauenrode in Hannovers Zentrum ist hingegen relativ breit. Wahrscheinlich ließ Pfalzgraf Heinrich, der älteste Sohn Heinrich des Löwen, die Feste auf dem von Leinewasser umflossenen Werder gegenüber der Altstadt errichten. Als ihr erster Inhaber erscheint dann 1215 der Graf Conrad Il. von Roden. Es handelte sich um eine Wasserburg mit Burgfried, Pallas, Kapelle, einem "Mosthus“ und einer Kemenade. 1371 wird das Schloss im Verlauf des 19jährigen Erbfolgekrieges zwischen den Herzögen Albrecht, Wenzel und Magnus von Braunschweig unter Mithilfe der hannoverschen Bürger erstürmt und wenig später von den Hannoveranern zerstört. Beim Bau des Preußag Verwaltungsgebäudes gelang es 1951, den nordöstlichen Teil des Burggrabens und Mauerreste aufzufinden. Leider hat man das Bodendenkmal nicht erhalten, sondern einfach weiter gebaut. Von den vielen Tonscherben im Graben konnten die Archäologen einige bis ins 10. und 11. Jahrhundert zurückdatieren. Deshalb wird angenommen, dass Lauenrode bereits eine frühmittelalterliche Vorgängerin besessen hat.
Gab es in der Altstadt neben dem Schloss Lauenrode noch eine weitere Burg? Die Burgstraße soll, so verrät es die von der Stadt angebrachte Legendentafel unter dem Straßenschild, nach einem befestigten Herrenhof benannt worden sein. Doch Zurückhaltung ist angebracht. Eine Wehranlage ist an dieser Stelle unbekannt. Möglicherweise besaß der genannte wohl herzogliche Hof nur einen einfachen Zaun.
Der fünften mit Sicherheit nachgewiesenen Burg verdankt ein ganzer Stadtteil seinen Namen: aus Mudzborg, was soviel wie Burg im Moor bedeutet, wurde Misburg. Die Festung bestand nicht lange. "Misborg, eine wüste Veltmark, ist vorzeyten eine Burg gewesen, dem Stift Hildesheim zugehörig", heißt es schon in einer Handschrift aus dem 15. oder 16. Jahrhundert. Urkundlich erwähnt wurde die Burg erstmals 1365. Es handelte sich um eine viereckige mit Graben umgebene Wasserburganlage auf einem Dünengelände inmitten von Sümpfen. 1947 waren noch Burgwälle vorhanden, inzwischen sind jedoch alle Spuren der einstigen Grenzfeste getilgt. Der Burgplatz wurde neu bebaut.
Eine sechste Schanze könnte an der Grenze zur Stadt Laatzen im Stadtteil Wülferode zu finden sein. Dort, wo die Landstraße von Laatzen nach Wülferode kurz vor dem Bockmerholz in Richtung Norden abbiegt, bringt auf einem Acker der Pflug immer wieder alte Tonscherben, rostige Nägel und sogar Hufeisen ans Tageslicht. Ein Luftbild lüftet das Geheimnis ein Stückchen. Schwach sind Bodenverfärbungen auf dem Foto zu erkennen, die längst verschwundene Häuser hinterlassen haben. Vor vielen hundert Jahren wohnten hier Bauern in dem Dorf Debberode, dessen Höfe sich um eine kleine Kapelle gruppierten. Seine Bewohner verließen Anfang des 15. Jahrhunderts ihre Heimat endgültig. Nur der Flurname "Deppenrode" erinnert weiterhin an die Ortschaft. Ursprünglich nannte sich die Siedlung am Hang des Kronsberges "Dethborgherode". Diese Namensform weist nun nach Ansicht von Helmut Flohr, einen Heimatforscher aus Laatzen, auf eine ehemalige Burganlage oder einen befestigten Wohnplatz hin. Der Laatzener Hobbyarchäologe stieß aber noch auf einen weiteren Fingerzeig. Auf einer Karte um 1700 heißt das Flurstück „Auf der Burg“. In diese Indizienkette fügt sich nahtlos ein, dass die versteckte Lage am steilen Südabhang des früher bewaldeten Berges gut zu verteidigen und für ein Bollwerk nahezu ideal war. Vermutlich schützten hier Wall und Graben die Bewohner des Leinetals vor bösen Nachbarn.
Von den Heldentaten stolzer Rittersleut scheinen romantische efeu-umwucherte Mauern am Herrenhäuser Kirchweg in der Nordstadt zu künden. Aber der Eindruck täuscht. Anmutige Burgfräuleins oder tapfere Ritter hat die kleine Burgruine in der Nordstadt nie gesehen. Konsul Moritz Simon ließ sie erst nach 1887 erbauen. Einen unbestreitbaren Vorteil hat dieser Urenkel hannoverscher Ritterburgen jedoch: Im Gegensatz zu seinen echten Vorfahren bietet er noch heute ein hübsches Fotomotiv.
Hannover war seit dem 30jährigen Krieg Residenzstadt. Das macht sich im Stadtbild heute noch durch eine Reihe von Schlössern und Palais bemerkbar. Und in den eingemeindeten Dörfern gab es hier und da einheimischen Landadel, der auf seinen Gütern residierte. In der nächsten Folge kommen wir nun zu den unbefestigten Schlössern der Landeshauptstadt und nehmen natürlich wieder unsere Kamera mit.
Gliederung:
01. Einleitung / Literaturverzeichnis - 30.10.11
02. Burgen im Stadtgebiet von Hannover - 04.11.2011
03. Schlösser der Stadt Hannover - in Vorbereitung
Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag, der Lust auf mehr macht.