Frau Holle hat verschlafen - ein Weihnachtsmärchen
„So kann es nicht weitergehen“, poltert er los und furcht die Stirn. „Nun wirklich nicht. Fast jedes Jahr dasselbe Theater.“
Die Engelchen, die gerade mit dem Geschenke zusortieren beschäftigt sind, zucken zusammen und ziehen die Köpfe ein. So haben sie den Alten selten erlebt. Der rauft sich den langen, weißen Bart und guckt zum Fenster hinaus, wo sich bis zum Horizont eine weißleuchtende, glitzernde Schneelandschaft ausbreitet.
„So wie hier im hohen Norden, so muss es sein, und so gehört es sich zu diesem besonderen Fest“, schimpft er weiter. „Aber nein, da oben wird mal wieder geschlampt. Ist denen das Wetter denn gerade zu diesen Tagen ganz egal? So kann es nun wirklich nicht weitergehen.“
Überall etwas weiter südlich soll die Landschaft trostlos aussehen, so wurde es ihm mal wieder berichtet. Und das seit Jahren, und kein Schnee ist in Sicht.
„Wo bleibt denn da die Weihnachtsstimmung?“ Er stampft mit dem Stiefel auf. „Schickt mir doch mal das Christkind runter.“
Nur wenig später steht es vor dem Alten, sich die blonden Locken aus dem Gesicht streichend. Der beugt sich zu ihm hinunter. „Nun pass mal auf. Ich habe einen wichtigen Auftrag für dich. Langsam nervt es, dass immer seltener Schnee zu Weihnachten fällt. Etliche Jahre muss ich zurückdenken, als wir die letzte weiße Weihnacht hatten. Du weißt es ja selbst.“
Mitfühlend nickt das Christkind, dem Alten in das aufgebrachte Gesicht schauend. „Doch was sollen wir dagegen tun?", wendet es schüchtern ein.
„Deswegen bist du ja hier. Du sollst einmal zu Petrus hinauffahren und ihn daran erinnern, dass bald Heiligabend ist. Anscheinend denkt er nicht daran oder hat es einfach vergessen. Er ist ja auch nicht mehr der Jüngste. Vielleicht ist er etwas zerstreut geworden. In letzter Zeit hat er sowieso einiges durcheinandergebracht. Manchmal hat er es mit der Sonne zu gut gemeint und den Regen vergessen, ein anderes Mal hat er es wie aus Kübeln schütten lassen.“
„Das kann ich nur bestätigen", stimmt das Christkind ein. „Wenn ich immer mal wieder nach den Kindern geschaut habe, dann habe ich mir manchmal die Nasenspitze verbrannt, oder habe andere Male nasse Füße bekommen.“
„Siehst du, und deswegen müssen wir etwas unternehmen. Du bekommst meinen Rentierschlitten und fährst damit zu Petrus hinauf und überbringst ihm eine Beschwerde, von mir, dem Weihnachtsmann.“
Erfreut blickt das Christkind den Alten an, darf es doch sonst immer nur auf dem Kutschbock mitfahren. Es fühlt sich geehrt eine Fahrt allein machen zu dürfen, und dann noch mit einem so wichtigen Auftrag. Doch dann zeigt sich eine kleine Falte auf seiner Stirn. „Aber ich weiß den Weg doch gar nicht.“
„Das macht nichts“, entgegnet der Alte. "Du nimmst dir ein Engelchen mit. Die kennen sich dort oben gut aus.“
Erfreut strahlt das Christkind den Alten an, liebt es doch die Engelchen. Immer fühlt es sich in deren Gesellschaft wohl.
„Nun aber los“, sagt der Alte jetzt etwas besänftigt, in der Hoffnung, dass es vielleicht doch noch gut werden könnte.
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Und nicht nur das Christkind freut sich auf die Fahrt, sondern auch das Engelchen, das es begleiten soll. Und ganz besonders die Rentiere, die das Laufen lieber mögen, als das lange Ausharren im Stall. Als sie angeschirrt werden, schütteln sie vor Freude die Geweihe und scharren ungeduldig mit den Hufen im Stroh. Aber dann geht es in die klirrende Winterluft hinaus, und die warme Atemluft strömt wie Dampf aus ihren Nüstern.
Es ist die reinste Freude, wie die Rentiere über die weite, weiße Fläche galoppieren und dabei mit ihren Hufen den Schnee aufwirbeln, dass es im Licht der Sonne nur so staubt und glitzert. Endlich können sie sich mal wieder so richtig austoben, und die kleinen Glöckchen an ihrem Geschirr bimmeln rhythmisch im Takt dazu. Das hat ihnen lange gefehlt. Und als sie genügend Fahrt aufgenommen haben, schnalzt das Christkind mit der Zunge, gibt die Zügel frei, der Schlitten hebt ab und sausend geht die Fahrt in den Himmel hinauf.
Zurückblickend sehen das Christkind und das Engelchen das Weihnachtsdorf bald weit hinter sich liegen. In Fahrtrichtung hingegen blicken sie auf einen märchenhaften Winterwald, in dem sie die eine oder andere kleine Hütte ausmachen können, aus deren Schornsteinen dünne Rauchsäulen zu ihnen in den klaren Himmel hinaufsteigen. Und die Wipfel der Tannen sind, das können sie aus der Höhe erkennen, so dick mit Schnee beladen, dass sie sich unter der Last weit verbeugen müssen. Dazwischen windet sich ein Fluss durch die Landschaft. Eisige Schollen treiben darauf. Einige Seen sind von einer vollständigen Eisdecke überzogen. Und etliche Rentiere haben den Schnee zur Seite gescharrt, um an das karge Moos darunter zu kommen. Wie klein sind die Tiere doch von hier oben. So sieht eine wirkliche Winterlandschaft aus, und zumindest so ähnlich sollte sie zu Weihnachten überall sein.
„So viele Menschen sehnen sich nach solchen Anblicken“, ruft das Christkind zum Engelchen, das die Worte noch hört, ehe sie der Luftzug verweht. Eigentlich können sich die beiden gar nicht satt daran sehen. Doch irgendwann schließen sie die Augen, ist die Fahrt doch lang, und sie wollen sich ein kleines Schläfchen gönnen.
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Als sie wieder aufwachen, erschrecken sie, obwohl sie darauf gefasst waren. Durch Wolkenlücken können sie tief unten den Erdboden ausmachen. Doch von der weißen Pracht ist nichts mehr übrig geblieben. Kahle Laubwälder, graue Feldflächen und braune Wiesen breiten sich überall aus. Es ist ein Anblick, der zu dieser Jahreszeit alles andere als schön ist. Wirklich trostlos wirkt die Welt dort unten.
„Ich kann den Weihnachtsmann verstehen“, wendet sich das Christkind dem Engelchen zu, „dass er so sauer ist. Jedes Jahr wieder, und keine Besserung ist in Sicht. So kann es auf Dauer nun wirklich nicht weitergehen.“
Das Engelchen nickt und zittert sogar ein wenig mit den kleinen Flügeln. Doch dann muss es sich auf den Weg konzentrieren, damit sie sich nicht verfahren. Aber es erkennt die Dörfer, die dort unten in der weiten Landschaft verstreut liegen, hat doch jedes irgendwie seine Eigenart, an der es sich orientieren kann. Mal ist es eine Kirche mit trutzigem Turm, mal eine kleine Kapelle aus Feldsteinen, mal ein runder und mal ein eckiger Dorfplatz. In jedem Dorf ist es etwas anders. Das eine Dorf liegt in der freien Feldmark, das andere am Waldrand und wiederum ein anderes an einem Berghang. Und das Christkind kennt sogar die Namen sämtlicher Kinder, die dort unten zu Hause sind. Aber nicht nur das. Es weiß sogar, welches Geschenk jedes einzelne von ihnen am Heiligabend bekommen soll. Und wie schön wäre es doch für die Kinder, wenn sie an den Weihnachtstagen ihren neuen Schlitten oder die neuen Schlittschuhe ausprobieren könnten. Es seufzt. Aber es will sehen, was sich machen lässt.
Doch dann erkennt das Engelchen in der Ferne die kleine Stadt mit den vielen roten Dachgiebeln und der himmelhohen Kirchturmspitze, die an manchen Tagen sogar bis durch die Wolken stößt, so dass der goldene Wetterhahn obenauf den Erdboden nicht mehr sehen kann.
„Hier müssen wir abbiegen und noch ein gutes Stück hinauf. Dann werden wir bald da sein.“
Das Christkind nickt und schnalzt mit der Zunge. Die Rentiere legen sich ordentlich ins Zaumzeug, geht es doch nun steiler empor. Doch sie scheinen keine Müdigkeit zu kennen. Aber auf den weichen Wolken läuft es sich auch besonders gut. Ähnlich wie auf feinstem Pulverschnee.
Manchmal ist das Nebelgrau einiger Wolken um sie herum so dicht, dass sie nur noch wenige Meter weit schauen können. Doch dann tauchen wieder Lücken auf, die den Blick freigeben. Und schließlich lassen sie die Wolkenschicht, die von oben wie eine leuchtende Fläche, bestehend aus scheinbar unzähligen weißen, bauschigen Kissen, unter sich. Über ihnen aber breitet sich ein tiefblauer Himmel aus. Nicht ganz, denn in der Ferne sehen sie in großer Höhe noch eine einzelne, hellleuchtende Wolke, die beim Näherkommen immer größer wird.
„Juhu“, jauchzt das Engelchen. „Gleich haben wir es geschafft.“ Und auch das Christkind freut sich darüber, hat es sich doch schon eine kleine Wolke unter den Po geschoben, weil die Kutschbank im Laufe der langen Fahrt immer härter geworden ist.
Nicht mehr lange, dann kommen sie zu dem nun riesigen Wolkenberg, in dem sich ein großes Tor auftut, das Himmelstor. Das Christkind zieht die Zügel an, das Gespann kommt abrupt zum Stehen. Die Rentiere schnaufen durch. Nun können sie sich endlich ein wenig ausruhen, und das haben sie sich redlich verdient.
Das Christkind und das Engelchen steigen vom Kutschbock herunter und treten auf einer watteartigen Wolkenschicht vor das große Tor. Links daneben hängt eine lange Kordel herab, die zu einer goldenen Glocke führt. Das Engelchen zieht mehrmals daran, so dass ein helles Klingen ertönt, das das ganze Himmelsgewölbe zu durchdringen scheint. Es dauert eine ganze Weile, und sie wollen schon ein zweites Mal läuten. Doch da hören sie von drinnen, wie sich ein Riegel löst. Das Himmelstor wird aufgetan.
Eine seltsame Gestalt tritt heraus. Sie hat weiße Haare, die von einem silbernen Stirnband gehalten werden und die bis über die Schultern herabfallen. Der lange, weiße Bart reicht sogar bis über den Bauch. Gekleidet ist die Gestalt in einen himmelblauen Umhang mit kleinen, silberglänzenden Wölkchen darauf.
Erstaunt blickt diese Gestalt die beiden Besucher an. „Na, da schau einer her. Euch hätte ich hier nun wirklich nicht erwartet. Was führt euch denn zu mir herauf?“, wobei die Gestalt die beiden neugierig mustert.
Mutig tritt das Christkind vor: „Herr Petrus, wir kommen im Auftrag des Weihnachtsmanns. Er beschwert sich, und das zu Recht. Seit Jahren hat es auf der Erde zu Weihnachten nicht mehr geschneit. Nicht nur die Kinder sind deswegen traurig, sondern auch viele Große. Zumindest ab und zu könnte es doch zu diesen besonderen Tagen einmal weiß sein. Habt Ihr die Welt dort unten denn ganz vergessen?“
„Na, na, mein Kind. Du trittst ja ganz schön forsch auf“ und zwinkert dem Christkind dabei mit einem Auge zu. Aber es ist gut, dass ihr gekommen seid. Ich habe hier oben so viel zu tun. Ihr glaubt ja gar nicht, wie groß der Himmel ist. Deswegen kann ich nicht auf alles ein Auge haben, und bemerkt habe ich den Schneemangel noch nicht. Aber“, und er zieht dabei eine silbergraue Augenbraue hoch, „eigentlich seid ihr hier an der falschen Adresse.“
Verwundert blickt das Christkind Petrus an. „Ja, seid Ihr denn nicht für das Wetter zuständig?“
„Das bin ich schon, allerdings nur für die Großwetterlage. Für die einzelnen Wetterphänomene auf der Erde habe ich meine Angestellten. Zum Beispiel den Mondmann, der euch nachts leuchtet, die Eishexe, die Regenregine, den Sturmmann oder den Nebelgeist. Und für den Schneefall ist natürlich Frau Holle zuständig. Die ist es, die ihr ansprechen müsst.“
Enttäuscht blickt das Christkind Petrus an. „Aber dann haben wir ja den ganzen weiten Weg zu euch umsonst gemacht“, entgegnet es und verzieht dabei die Nase.
„Nicht ganz, denn Frau Holle wohnt ja ebenfalls im Himmel, und nicht gar zu weit von hier entfernt. Vielleicht eine halbe Tagesreise. Ich werde euch den Weg weisen.“
Petrus tritt vor das Tor und zeigt auf den funkelnden Abendstern, der sich schon dem Wolkenhorizont entgegen neigt. „Die Richtung müsst ihr nehmen. Es wird zwar bald dunkel werden, doch ihr könnt die Milchstraße benutzen. Darauf kommt ihr schnell voran, und die wird auch des Nachts vom Mondmann einigermaßen gut beleuchtet. Ihr folgt ihr bis zum Großen Bären, dann biegt ihr in Richtung des Polarsterns ab. Danach immer geradeaus und eine Himmelsetage tiefer. So könnt ihr Frau Holles Reich gar nicht verfehlen. Ihr erkennt es an den flirrenden Eiskristallen in der Luft. Und richtet ihr bitte einen Gruß von mir aus und sagt ihr auch in meinem Namen, dass es so ja nun wirklich nicht geht.“
„Vielen Dank, Herr Petrus. Sogleich wollen wir uns auf den Weg machen, damit wir Frau Holle so schnell wie möglich erreichen, ist es doch bis Weihnachten nicht mehr lange hin.“
„Ich wünsche euch viel Erfolg dabei. Und eure Rentiere könnt ihr ruhig am Rand der Milchstraße fressen lassen. Dort liegt das Heu für die Himmelsschäfchen. Falls ihr aber einen Meteoriten trefft, dann passt schön auf. Die nehmen manchmal keine Rücksicht, haben ein viel zu hohes Tempo und fahren dann alles über den Haufen.“
Die beiden werfen Petrus noch einen freundlichen Blick zu, dann steigen sie auf den Schlitten. Während der sich langsam entfernt, schaut Petrus ihnen, sich über seinen langen Bart streichend, schmunzelnd nach.
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Die ganze Nacht waren sie unter einem funkelnden Sternenhimmel auf der Milchstraße unterwegs gewesen. Sie konnten es allerdings nicht lassen, ab und zu anzuhalten. Nicht nur um die Rentiere fressen zu lassen, sondern auch um sich Früchte von den silbernen Chausseebäumen zu pflücken. Die mundeten nur allzu köstlich. Da konnte selbst das Weihnachtsgebäck auf der Erde nicht mithalten, da waren sich die beiden einig. Und der Mondmann sah es zwar. Doch er guckte mit seinem großen, runden Gesicht nur freundlich zu ihnen herunter und drückte dabei ein Auge zu. Einem Meteoriten waren sie nicht begegnet, dafür aber zogen zahlreiche Sternschnuppen über das weite Firmament. Und die Wünsche, die sie sich bei jeder einzelnen ausdachten, wollten sie den Kindern auf der Erde mitbringen.
Nun aber geht es, nachdem sie den Großen Bären hinter sich gelassen haben und es nach der wunderbaren Morgenröte längst hell geworden ist, zu einer tiefer liegenden Himmelsregion hinunter. Wie von allein traben die Rentiere, ohne jede Anstrengung. Und dann bemerken sie die flirrenden Eiskristalle in der Luft. Überall rieseln sie herab und erzeugen dabei ein helles, silbernes Hintergrundklingen, dass den ganzen, weiten Himmel erfüllt. Die federleichten Kristalle kitzeln auf ihren Nasen, und sie wischen sie mit der Hand fort.
Schließlich kommen sie zu einer großen, gleißenden Wolke, auf der sich ein von funkelnden Eiskristallen bedecktes Gebäude erhebt. Die Scheiben der Fenster sind über und über mit den allerschönsten Eisblumen bedeckt. Andere Fenster sind weit geöffnet. Bauschige Federbetten hängen zum Lüften weit heraus.
Sie treten über Wolkenstufen an die Tür heran und klopfen, da es eine Glocke nicht gibt, ordentlich dagegen. Nichts rührt sich. Noch einmal heftiger. Wieder nichts.
„Ich glaube, wir müssen es anders versuchen“, sagt das Christkind zum Engelchen. „Wir klettern einfach durch ein Fenster und sehen nach, was dort drinnen los ist.“
Gesagt, getan. Schwups eine Räuberleiter gemacht, auf das Simms geklettert und schon sind sie drinnen. Überall hängen Eiszapfen von der Decke. Es sieht aus wie in der Tropfsteinhöhle, in der die Weihnachtselfen immer den langen Sommer über schlafen. Eine Treppe aus klaren Eisstufen führt eine Etage höher, bis sie vor einer geschlossenen Tür stehen. Wieder klopfen sie dagegen. Da sich nichts tut, öffnet sie das Christkind vorsichtig. Erst einen Spalt, dann ganz. Und da sehen sie Frau Holle. In einem weißen Schneekleid liegt sie auf ihrem Bett und schläft tief und fest.
„Das ist ja sehr merkwürdig“, sagt das Christkind zum Engelchen. „Es ist doch schon längst hellichter Tag, da liegt doch kein Mensch mehr im Bett. Da stimmt doch irgendwas nicht.“ Sie treten näher heran.
„Wir wollen sie mal wecken“, sagt das Christkind mehr zu sich selbst als zum Engelchen.
Vorsichtig stupst es Frau Holle an die Nase. Als diese nicht reagiert, tritt das Engelchen heran und flüstert der Schlafenden etwas ins Ohr. Die schlägt verwundert die Augen auf und blickt um sich. Als sie die Besucher bemerkt, setzt sie sich auf, putzt die Eisblumen von ihrer Brille und schaut sie verdutzt an. „Was macht ihr denn hier? Welchen Tag haben wir heute? Wie spät ist es eigentlich?“
„Liebe Frau Holle, wir kommen aus dem hohen Norden. Der Weihnachtsmann schickt uns, und wir sollen Euch an etwas erinnern.“
Natürlich hat sie die beiden längst erkannt und ist nun noch verwunderter. „Ja, was kann ich denn für euch tun, ihr zwei, was möchte der Alte denn wissen? Lange habe ich ihn nicht mehr gesehen. Und warum kommt er denn nicht selber herauf?“
„Um diese Zeit hat er alle Hände voll zu tun, und er bittet darum, dass Ihr es wieder einmal schneien lasst. Lange ist es her, dass die Welt zu Weihnachten weiß gewesen ist. Und auch Herr Petrus hat sich deswegen schon gewundert und hat uns aufgetragen zu fragen, wie es um euch bestellt sei.“
„Ach Kinder. Wenn das so ist, warum seid ihr dann nicht eher gekommen? Mir geht es gar nicht gut“, und sie verzieht das Gesicht dabei. „Die zunehmende Wärme in den letzten Jahren macht mir zu schaffen. Selbst hier oben fängt es schon an zu tauen. Sind euch die tropfenden Eiszapfen an meinem Dach aufgefallen? Und deswegen fühle ich mich ganz und gar nicht wohl, eher irgendwie krank und möchte am liebsten nur noch im Bett liegen und schlafen. So ist es mir wohl passiert, dass ich die vergangenen Weihnachtsfeste einfach verschlafen habe. Anders kann ich es mir selbst nicht erklären, denn sonst hätte ich doch die Betten ausgeschüttelt.“
Besorgt sehen die beiden Besucher Frau Holle an. Das klingt gar nicht gut. Und das mit dem wärmer werden, das wissen sie ja, deswegen sind sie ja hier.
„Aber da ihr mich nun geweckt habt, werde ich mich aufraffen und natürlich wieder meiner Bestimmung nachgehen. Ihr könnt euch ganz beruhigt auf den langen Heimweg machen. Zu diesem Weihnachtsfest soll es dort unten auf der Erde ganz besonders schön werden. Gleich werde ich mit der Arbeit beginnen. Und da es eilt, macht auch ihr euch am besten gleich auf den Heimweg und berichtet dem Alten, was ihr erfahren habt. Halt, zum Abschied bekommt ihr noch ein Vanilleeis mit auf den Weg.“ Sie bricht zwei Eiszapfen von der Decke und reicht sie den beiden.
„Wir danken Euch auch recht schön, liebe Frau Holle. Auch im Namen des Weihnachtsmanns, und natürlich auch der vielen, vielen Kinder, die schon lange sehnsuchtsvoll zum Himmel hinaufschauen.“
„Und für das nächste Weihnachtsfest, Kinder, werde ich mir einen Wecker stellen, damit ihr nicht wieder den weiten Weg heraufkommen müsst. Gerade zu dieser Zeit habt ihr im Weihnachtsdorf doch mehr als genug zu tun.“
Das Christkind und das Engelchen nicken eifrig.
„Nun aber fort mit euch, es wird Zeit. Und wenn ihr unterwegs die Sonne treffen solltet, dann sagt ihr ihr bitte von mir, dass sie sich mit dem Strahlen etwas zurückhalten soll. So gern ich sie mag, aber sie übertreibt es oft und das nicht zu wenig.“
Nachdem sich das Schlittengespann in Bewegung gesetzt hat, schaut sich das Christkind noch einmal um. Und es sieht, wie Frau Holle an einem der Fenster erscheint, ein Federbett an den Zipfeln fasst und ordentlich zu schütteln beginnt. Lachend dreht es sich um und schnalzt mit der Zunge.
Und als die beiden nach längerer Fahrt unter die Wolken gelangen und nach oben zu ihnen hinauf schauen, sehen sie, dass es daraus in dichten Flocken nur so rieselt. Bald wird die ganze Landschaft von einem weißen Tuch überzogen sein: Wälder, Felder und Wiesen. Dörfer, Dächer und Zäune. Weite, weiße Flächen und Schneehauben überall. Selbst die Rentiere sind außer sich, schnauben und schütteln vor Freude ihre Geweihe. Und freuen wird sich dort unten auf der Erde auch die ganze Welt, egal ob Groß oder Klein. Endlich wieder weiße Weihnachten. Das gab es sooo lange nicht.
„Auftrag erfüllt“, wendet sich das Christkind dem Engelchen zu. „Bestimmt wird der Weihnachtsmann mit uns zufrieden sein."
Das Engelchen nickt und strahlt dabei über das ganze Gesicht.
"Und jetzt können wir uns in aller Ruhe ein Schläfchen gönnen. Die Rentiere kennen ja nun den Weg.“
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Und wenn es bei euch, liebe Leser, mal wieder nicht mit einer weißen Weihnacht klappen sollte, dann wisst ihr ja jetzt, an wen ihr euch wenden könnt. Immer mal wieder gehen ausgefallene Wünsche tatsächlich auch in Erfüllung. Und warum sollte es nicht zum nächsten Weihnachtsfest so sein. Eine weiße Weihnacht, wie wäre das doch schön! Die letzte liegt bei uns in Hannover inzwischen acht Jahre zurück.
Und wie herrlich eine Winterlandschaft sein kann, dass zeigen euch die Bilder zu dieser Geschichte, von denen die meisten im Harz entstanden sind, einige auch in Hannover. Euch allen noch eine schöne Adventszeit und ein frohes Weihnachtsfest. Und wenn Frau Holle nicht wieder eingeschlafen ist, vielleicht sogar mit Schnee.
Kurt, deine schönen Weihnachtsgeschichten – ich erfreue mich jedes Jahr an ihnen !!
Ich wünsche dir eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit,
Romi