Ägypten
War Ramses der Große der Pharao des Mose?
Wer kennt sie nicht, die Geschichte des Moses aus der Bibel. Wie er von der Tochter des Pharaos in einem Binsenkorb aus dem Nil gezogen wurde. Wie er am Hof des Pharaos aufwuchs. Wie er sich später seinem eigenen Volk zuwandte, zu dessen Anführer wurde und es aus Ägypten führte. Wie er durch die Gebote zum Gesetzgeber seines Volkes wurde, und wie er die Israeliten nach Palästina führte, dem Land, das er selber nicht mehr betreten hat.
Was ist wahr an dieser Geschichte des Alten Testaments? Was wurde später einem "vielleicht" wahren Kern hinzugefügt? Und wann hat Moses, wenn es ihn denn tatsächlich gab, überhaupt gelebt? Alles das wissen wir nicht wirklich. Und noch etwas macht stutzig. Es gibt bei dieser Moses-Geschichte eine ähnliche, die, wie bei der der Sintflut-Legende auch (Gilgameschepos), rund ein Jahrtausend älter ist. Dabei handelt es sich um Sargon, den späteren König von Akkad. Sargons Mutter, so steht es in Keilschrift auf den uralten Tontafeln, war eine Priesterin der Göttin Inannas, die zur Kinderlosigkeit verpflichtet war. Trotzdem gebahr sie einen Sohn, von dem keiner etwas wissen durfte. Sie legte diesen in ein Kästchen aus Schilf und überließ es den Fluten des Euphrat. Akki, der Bewässerer, hob das Kästchen aus dem Fluss und nahm das Kind als seines an und zog es auf. Und wie es das Schicksal so wollte, wuchs das Kind heran und wurde schließlich, vor rund 4300 Jahren, zum König des ersten Großreiches dieser Erde. Hat hier die Geschichte des Moses ihren Ursprung oder ist die Ähnlichkeit Zufall?
Wie dem auch sei. Für die Christen und die Juden ist Moses neben Jesus die wichtigste Person ihres Glaubens. Im Islam ist Moses ein bedeutender Prophet. Strenggläubige stellen die in der Bibel berichteten Geschehnisse nicht infrage. Für die Wissenschaft sind es jedoch vage Erzählungen. Doch auch wenn es keine wirklichen Beweise dafür gibt, dass Moses tatsächlich gelebt hat, so ist es doch auch nicht ganz unwahrscheinlich. Der Bericht über ihn enthält Hinweise, die auf historischer Grundlage beruhen. So soll Moses durch seinen Schwiegervater Jitro, dessen Schafe und Ziegen er gehütet haben soll, mit den Kenitern verwandt sein.
Meistens wird Moses Leben in die Zeit zwischen 1400 und 1200 v. Chr. datiert. Nicht wenige meinen, dass er zur Zeit Ramses II. gelebt haben könnte, gibt es doch dafür in der Bibel einen indirekten Hinweis, auf den ich noch zu sprechen kommen werde. Ramses wurde um 1314 v. Chr. geboren und starb 1224 v. Chr. Für die damalige Zeit ist er also sehr alt geworden und hat tatsächlich ein biblisches Alter erreicht. Zunächst regierte er einige Jahren zusammen mit seinem Vater Sethos I. Als dieser 1290 v. Chr. starb, war Ramses der alleinige Herrscher. Und 67 Jahre lange sollte er der Pharao von Ägypten sein. Das ist außergewöhnlich lange. Aber außergewöhnlich war an diesem bedeutenden Pharao eigentlich alles. Deswegen wurde er auch Ramses der Große genannt. Er selber machte sich, anders als seine Vorgänger, zum Gott-König und ließ seine Riesenstatuen anbeten. Er war der größte Baumeister, den die Erde je gesehen hat. Überall wo er hinkam ließ er Tempel errichten, die ins Gigantische wuchsen. Der wohl bekannteste mit seinen 20 Meter hohen Kolossalfiguren ist der von Abu Simbel, der in den sechziger Jahren bei der Anlegung des riesigen Assuan-Staudammes auf höheres Land verlegt werden musste. Auch wer den großen Säulensaal des Karnak-Tempels bei Luxor betritt, kann diesen Gigantismus nachvollziehen. Auf einer Fläche, die fast so groß ist wie die des Kölner Doms, ragen 134 Sandsteinsäulen empor. Die Mittelsäulen erreichen mit den abschließenden Kapitellen eine Höhe von 24 Meter. Ihr Umfang beträgt 10 Meter. Es sind die größten Säulen der Erde, und deswegen wurden sie auch schon im Altertum als Weltwunder bestaunt. Auf den Säulen werden Ramses` Ruhmestaten und auch die seines Vaters Sethos in versenkten Reliefs dargestellt. Dieser Säulensaal, dessen Decke einst aus einem blauen Sternenhimmel bestand, macht allerdings nur einen kleinen Teil des Karnak-Tempels aus, zu dessen Ausdehnung diverse Pharaonen beigetragen haben.
Auch ein anderes gigantisches Bauvorhaben nahm Ramses in Angriff. Der Suezkanal ist keine Erfindung der Neuzeit. Schon Ramses hatte die Idee, das Mittelmeer mit dem Roten Meer zu verbinden. Dabei beschäftigte er Hundertausende Arbeiter. Doch die Durchführung gelang nicht, das Vorhaben wurde aufgegeben, nachdem es Zigtausende Tote gekostet hatte. Vielleicht lag es daran, dass die Arbeiter auf den anderen Großbaustellen des Landes benötigt wurden. Vielleicht hatte es aber auch andere uns nicht bekannte Gründe.
Wo Ramses auch hinkam, überall hinterließ er seine baulichen Spuren. An 15 verschiedenen Orten ließ er Tempel oder Palastanlagen errichten. So unter anderen in Tanis, Memphis, Abydos, Abu Simbel und erst recht in Theben. Und dort gleich eine ganze Reihe riesiger Bauten. Es war der pure Wahnsinn in Stein. Was mag ihn dazu getrieben haben? War es ein gesteigertes Geltungsbedürfnis? War es Größenwahn? Und sein eigenes Volk murrte dazu nicht, ging es ihm doch unter Ramses ausgesprochen gut. Allerdings auf Kosten anderer Länder, denn die Bauten verschlangen immense Kosten.
Natürlich musste auch eine neue Hauptstadt her. In Theben störte die einflussreiche Priesterschaft die Kreise des Pharao. So wollte er einen größtmöglichen Abstand zur alten Hauptstadt herstellen, indem er die neue, Per Ramses, ins östliche Nildelta verlegte. Heute liegt an dieser Stelle die Stadt Kantir. Nicht also das einstige Tanis war der Ort der Hauptstadt, wie man es etliche Jahrzehnte annahm.
Um diese neue Stadt zu errichten, die ebenfalls gigantisch werden sollte, benötigte Ramses natürlich viele Arbeiter. So gab es dazu die Sklaven, die bei den Beutezügen aus anderen Ländern mitgebracht wurden oder die von dort als Tributzahlungen geschickt wurden. Und vermutlich gab es auch schon Gastarbeiter, die gegen gute Bezahlung kamen, gab es doch überall in Ägypten Baustellen. Also auch das keine Erfindung der Neuzeit. Aber auch andere konnte Ramses zur Errichtung der Hauptstadt heranziehen. Das war der Volksstamm der „Söhne Israels“, wie sich diese nannten. Sie waren die Nachkommen Jacobs, so die Bibel, die Jahrhunderte zuvor nach Ägypten kamen und dort eine neue Heimat gefunden hatten. Der damalige Pharao hatte ihnen einen Landstrich namens Gosen im Nildelta zugewiesen. Dort lebten sie steuerfrei als Nomaden mit ihren Schafherden. Doch das sollte nun vorbei sein.
Ramses benötigte sie zum Bau seiner neuen Hauptstadt und machte sie, zum ersten Mal in ihrer Existenz, sesshaft. Er zwang sie bei freiem Wohnraum und freier und wohl auch guter Verpflegung zum Arbeitsdienst. Aus Nilschlamm sollten sie Ziegel für die Großbaustellen anfertigen, wurden aber auch zu anderen Frondiensten herangezogen.
Und hierzu gibt es den schon angesprochenen indirekten Hinweis aus dem Alten Testament. Im 2. Buch Mose (1, 8-11) heißt es, dass die Israeliten zum Bau von Vorratsstädten in Pithom und Ramses eingesetzt wurden. Diese Zeilen aus der Bibel sind für Geschichtsforscher ein äußerst wichtiger Hinweis. Das biblische Pithom ist der ägyptische Ort Per Atum. Er liegt im östlichen Nildelta. Und Ramses könnte die von Ramses II. erbaute neue Hauptstadt sein, die ja Per Ramses hieß. Beide Orte lagen in der Nähe des von den Israeliten bewohnten Gosen. Natürlich ist damit nicht gesichert, dass Ramses II. der Pharao des Mose ist. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es so ist, ist auch nicht gering.
Die weitere Geschichte kennen wir. Als der Druck des Pharao den Israeliten zu groß wurde, verließen sie unter der Führung von Moses Ägypten. Ob sie dabei tatsächlich das Rote Meer durchquert haben, ist zweifelhaft. Größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Sinai etwas nördlich davon bei den Bitterseen erreicht haben. Doch das wird nie geklärt werden, denn das ist wie so Vieles Glaubenssache. Es kann auch sein, dass der Auszug aus Ägypten erst nach Ramses` Tot unter seinem Sohn Merenptah stattfand. Oder vielleicht doch zu einer ganz anderen Zeit davor oder danach. Wir werden es wohl nie erfahren, denn eindeutige Hinweise konnten bis heute nicht entdeckt werden.
Ob nun das alles zu Ramses` Zeiten geschah oder auch nicht. Dieser Pharao war einer der bedeutendsten Könige der dreitausendjährigen Geschichte des Alten Ägyptens. Nach ihm begann der Abstieg des Ägypterreiches. Ramses hatte es noch einmal zu hoher Blüte geführt. Und überall in diesem Land und weit nach Nubien hinein, hat er seine Spuren hinterlassen. Der Großteil seiner Bauten und auch der anderer Pharaonen sind zerstört. Als Steinbruch fanden sie schon im Altertum Verwendung, und das bis in die Neuzeit hinein. So manches neuere Bauwerk, so Moscheen, Paläste oder Stadtmauern, bestehen aus den Steinen der uralten Bauwerke. Doch das was bis heute übrig geblieben ist lässt uns erahnen, wie die Städte und Tempelanlagen einst aussahen, wie gewaltig sie waren.
Doch nicht alles wo Ramses II. dransteht, stammt auch tatsächlich von ihm. Er war ein früher Kunstfälscher. Auch an anderen Bauwerken, die ihm gefielen, ließ er seine Namenskartusche anbringen und die der ursprünglichen Baumeister entfernen. Doch auch schon damals wurde schlampig gearbeitet und so wurde oft vergessen, diese auch überall aus dem Stein heraus zu meißeln, sodass eine richtige Zuordnung doch möglich ist.
Und überall auf den Tempelwänden sind natürlich seine großen Ruhmestaten eingraviert. Allen voran die aus dem Kampf gegen die Hethiter. Dabei war es in Kadesch zur ersten großen Schlacht der Weltgeschichte gekommen. Ramses war außergewöhnlich groß von Statur und soll ein guter Kämpfer und Bogenschütze gewesen sein. Doch auf den Wandreliefs und in den Hiroglyphenschilderungen wird er natürlich als Übermensch dargestellt, so wie er sich wohl selber auch gesehen hat. Er war ein Machtmensch, er stand über allem, und er war ein Gott.
Und noch auf einem anderen Gebiet hat er Großes geleistet. Vier Hauptfrauen hatte er. Seine Lieblingsfrau war Nofretiri, die außergewöhnlich schön gewesen sein soll. Ein weiteres halbes Dutzend Nebenfrauen hatte er, und dazu einen Harem von 300 bis 400 Frauen, die häufig wechselten. Vor diesem Hintergrund erscheint die Zahl seiner Kinder eher bescheiden. 160 bis 200 sollen es gewesen sein. Man weiß also über diesen großen Pharao, der so viele Spuren hinterlassen hat, eine ganze Menge.
Wenn man durch Ägypten reist, dann erlebt man diverse unvergessliche Momente, magische Momente. Der Anblick der drei großen Pyramiden von Gizeh ist ein solcher. Oder, wie es bei mir 1977 und 1980 noch möglich war, der Blick vom Gipfel der Cheopspyramide auf die benachbarte Chefrenpyramide und die riesigen Gräberfelder. Natürlich der große Säulensaal im Karnak-Tempel. Die Kolossalstatuen des Ramses in Abu Simbel. Das Tal der Könige mit den vielen Pharaonengräbern, allen voran das des bedeutungslosen Tut-ench-Amun. Natürlich dessen Grabschätze mit der unglaublich schönen Totenmaske im Ägyptischen Museum in Kairo. Alles das und noch viel mehr sind magische Momente, die man nie vergisst. Doch ein Moment, der hat sich bei mir besonders tief ins Gehirn eingebrannt. Es war im Mumiensaal des Ägyptischen Museums. Dort lagen sie in ihren Holzsärgen, unter einer Glasplatte, die großen Pharaonen: Sekenenre, Ahmose, die verschiedenen Amenophisse, die Thutmosisse, Semenchkare, Sethos I., der Vater von Ramses II. und viele andere. Doch einem von ihnen galt meine ganz besondere Aufmerksamkeit. Natürlich war es die Königsmumie von Ramses II.. Ihm, dem (zumindest seiner Meinung nach) Bezwinger der Hethiter, dem größten Baumeister aller Zeiten, der das damalige Weltreich 67 Jahre lang regierte, der etwa 90 Jahre alt geworden war und zu dessen Zeiten vielleicht Moses mit den Israeliten in Ägypten gelebt hat, der Moses vielleicht sogar von Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden hat. Ihm war ich nun ganz nah, und ich beugte mich weit zu ihm hinunter, um sein Gesicht ganz genau betrachten zu können. Die Adlernase, die rotblonden Haare, die wegen seines Alters eingefallenen Wangen, der schlanke Hals. Und für ein Lebensalter von etwa 90 Jahren und einem wirklichen Alter von 3200 Jahren, sah er immer noch hervorragend aus. Auch in diesem Alter hat er nichts von seiner einstigen Größe verloren. Bei diesem Anblick lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken, und es war ein wahrhaft magischer Moment.
Wer heute Ägypten besucht, sollte es nicht versäumen, sich die Mumien der großen Pharaonen anzuschauen. Und erst so richtig würdigen kann man sie, wenn man mehr über ihr Leben weiß, über das, was sie einst waren und das was sie geleistet haben. Man hat Menschen vor sich, die tatsächlich zu biblischen Zeiten gelebt haben, zu Zeiten des Alten Testaments. Und man kann nicht nur über sie lesen, sondern man blickt direkt in ihre Gesichter. Kann Geschichte aufregender und interessanter sein? Wohl kaum.
Diese alten Tempel und Grabanlagen faszinieren heute immer noch. Die Quelle allen Wohlstands ist und war der Nil. Das Nationalmuseum Sudan in Khartoum kann dazu auch etwas beisteuern.
http://www.myheimat.de/pattensen/kultur/das-nation...
L G