Vom Molendinum zur hübschen Holländermühle: Mühlenromantik von Anderten bis Kirchrode
Mühlenromantik pur: Schon von weitem grüßt das Wahrzeichen von Anderten, die hübsche Holländerwindmühle am Rande des Kronsberges. Heute dient das geschichtsträchtige Bauwerk als schmuckes Eigenheim. Doch noch 1949 hielt Müllermeister Friedrich Rohde die mächtigen Flügel und die schweren Mahlsteine in Gang, sorgte damit für unser täglich Brot. Die Anderter Mühle ist über 150 Jahre alt. 1854 erbaute ein gewisser Friedrich Meyer das Windkraftwerk nach Holländerart.
Die sogenannte „Holländerwindmühle“, bei der nur die Kuppe mit den Flügeln sich nach dem Wind drehte, war nicht die erste Mühle in Anderten. Schon anno 1291 ist ein „Molendinum“ (lat. für Mühle) im Dorf erwähnt. Heimatforscher Helmut Zimmermann vermutete, dass es eine Wassermühle war, die einst am Landwehrgraben klapperte. Als Erinnerung blieb der Flurnamen „Mühlenwiesen“. Irgendwann später bauten die Anderter dann eine hölzerne Bockwindmühle. 1657 wird sie erstmals in alten Urkunden bezeugt. Dieses alte und klapprige Bauwerk ersetzte dann die heutige steinerne Mühle.
Ein Stückchen weiter in Kirchrode bewegten sich einst ebenfalls Mühlenflügel im Wind. Doch die Kirchröder Mühle muss zwischen 1903 und 1926 abgebrochen sein. Dafür bekam Kirchrode allerdings vollen Ersatz. Seit 1938 hat nahe dem Annateich nun die „Alte Mühle“ ihr Domizil aufgeschlagen. Ihre Geburtsurkundeschlug 1701. Im Laufe der Jahrhunderte reiste diese Bockwindmühle kreuz und quer durch die niedersächsischen Lande. Kirchrode ist nun ihr Alterssitz, wo sie durch eine grundlegende Erneuerung im vergangenen Jahr quasi auch neu geboren wurde. Nach Forschungen von Zimmermann war die frühere Altersangabe auf einem Fundamentbalken falsch. Bei der 1544 im „Himmelreich“ der Altstadt erwähnten Mühle muss es sich um ein anderes Windkraftwerk gehandelt haben. Übrigens: die schweren Flügel der Alten Mühle haben bereits ein Menschenleben auf dem Gewissen. Am 3. Juni 1868 erschlugen sie den eineinhalbjährigen Sohn des Müllermeisters Heinrich Georg Stimme.
Heraldischen Ruhm erlangte die frühere Windmühle von Bemerode. Sie gelangte 1955 in das Wappen der einst selbstständigen Gemeinde. Da war sie aber schon seit einem Vierteljahrhundert vom Erdboden verschwunden. Die hölzernen Flügel vom Winde zerzaust, das Gebäude selbst altersschwach und verfallen: so malte die Mühle 1922 der damals 16jährige Bemeroder Paul Leibelt das technische Denkmal. Helmut Zimmermann hatte die Zeichnung als eine der letzten Erinnerungen an die Mühle aufbewahrt. Eine fotografische Reproduktion dieser Zeichnung habe ich zwar angefertigt. Da Helmut Zimmermann leider kürzlich verstorben ist, vermag ich allerdings nicht mehr die Rechte an dem ursprünglichen Bild zu klären. Deshalb sehe ich von einer Wiedergabe des Repros hier auf myheimat ab.
Ende des vergangenen Jahrhunderts loderte eine schwache Hoffnung auf. Im Landschaftsrahmenplan der Stadt Hannover war der alte Platz der Bemeroder Mühle als „Mühlenstandort“ vermerkt. Zum Nachbau ist es allerdings bislang nicht gekommen und angesichts der Finanzlage der Stadt dürfte sich daran auch nichts ändern.
Die Bemeroder Mühle soll nach Wilhelm Kleeberg (Niedersächische Mühlengeschichte) schon 1904 abgebrochen und nach Hörpel bei Soltau verkauft worden sein. Doch da muss sich Mühlenforscher Kleeberg geirrt haben. 1922 konnte die Mühle ja noch gezeichnet werden. Und auch die von Dieter Goldmann bei myheimat eingestellte Postkarte (http://www.myheimat.de/hannover-doehren-wuelfel-mi...) belegt, dass die Mühle den Anfang des 20. Jahrhunderts noch lange überdauert hat. Schließlich zeigt das Foto einen Doppeldecker hoch in der Luft.
Die Serie „Geschichtliches aus der Südstadt“ ist beendet. Doch nicht nur im Südstädter Maschseekurier bin ich der Stadtteil-Geschichte nachgegangen. Außer dem Maschseekurier und dem heute noch existierenden Maschseeboten (für den hannoverschen Stadtbezirk Döhren-Wülfel) erschien im selben Verlag zeitweise unter anderem der Tiergarten-Blick. In einigen Ausgaben schrieb ich Beiträge zur Historie der jeweiligen Stadtteile. Die einzelnen Hefte sind natürlich schon lange vergriffen und vergessen. Auch wenn diese damaligen Artikel keine zusammenhängende Geschichte der Stadtteile ergeben, sondern nur einige wenige Aspekte schlaglichtartig beleuchten, sollen nun diese Geschichten in loser Folge nach und nach bei myheimat veröffentlicht werden. Bestimmt interessieren sie ja den einen oder anderen myheimat-User. Denn Heimatgeschichte ist immer aktuell und nie von gestern. Dieser Beitrag erschien im Tiergarten-Blick Ausgabe 2/1993.
Schöner geschichtlicher Ausflug,herrlich,Danke für die Bilder Jens !